Tennis "Mit dem Alter kommt die Ruhe"

Solingen · Die neue Cheftrainerin und Sportliche Leiterin des Solinger Tennis-Clubs 02, Katharina Jacob, im Porträt.

Katharina Jacob weiß genau, was sie will: "Im Winter ist der Aufstieg das Ziel für die beiden Damenmannschaften", erklärt die neue Cheftrainerin des Solinger TC 02 mit Blick auf die Tennis-Teams, die in Kürze in die Bezirksliga und Bezirksklasse A starten. Und damit nicht genug: "Im Sommer ist Aufstieg, Aufstieg, Aufstieg angesagt", ergänzt die 30-Jährige und betont jedes "Aufstieg" mit einem leichten Schlag ihrer Hand auf den Tisch.

Dabei fordert Katharina Jacob nicht mehr von ihren Spielerinnen, als von sich selbst. Sie hat sich in ihrem Sport und ihrem Leben immer durchgebissen. Bereits mit drei Jahren begann sie mit dem Tennis. "Mein Bruder Thorsten hat gespielt, und die letzten fünf Minuten durfte ich immer mit seinem Trainer auf den Platz. Mit drei war ich schon besser als er mit sieben", sagt Jacob und lacht. So startete die Karriere, die sie unter anderem zur Teilnahme an 10 000-Dollar-Turnieren führte, sie war Trainingspartnerin der Fed-Cup-Spielerin Angelique Kerber, und wollte Vollprofi werden. "Dann habe ich mich im Winter leider schwer verletzt und mir zwei Bandscheibenvorfälle geholt. Mit dem Klassiker: Aus dem Auto aussteigen, auf eine Eisplatte treten und auf dem Hintern landen." Jacob verdreht die Augen. "Und eine Woche vor der Saison habe ich einen Hexenschuss gekriegt. Da war klar: Das dauert zu lange, eine Hartplatzsaison wäre nicht auszuhalten gewesen. Im Winter ist es immer noch extrem - da bin ich eine alte Frau."

Davon war in diesem Jahr bislang aber wenig zu sehen - im Gegenteil: Jacob wurde in Worms Deutsche Vizemeisterin im Einzel der Damen 30, zudem Deutsche Meisterin im Doppel der Damen 30/35 und dann in Leipzig Deutsche Mannschaftsmeisterin der Landesverbände bei den Jungsenioren. "Nach dem verlorenen Finale in Worms war es erst schwierig, mich zu motivieren", erinnert sich Jacob. "Aber dann habe ich mir gesagt: Zweimal als Vize fährst du nicht nach Hause." Im Doppel klappte es dann mit dem Titel, und ihr starker Auftritt brachte ihr die Nominierung für Leipzig ein - diese rechtfertigte sie unter anderem mit ihrem klaren 6:2, 6:4-Sieg im Finale. Ein in der Endabrechnung entscheidender Punkt beim 5:4-Erfolg des Verbandes Niederrhein über Bayern. "Das Finale war Nervenkitzel pur. Im entscheidenden Doppel hatten wir den ersten Satz verloren und lagen im zweiten mit 3:4 und einem Break hinten. Aber wir haben es noch gedreht und im Match-Tie-Break gewonnen. Das war überragend", sagt Jacob, und ihre hellblauen Augen glänzen.

Als Spielerin ist sie reifer geworden. "Ich war früher ein ziemlicher Heißsporn, ein Wüterich. Das habe ich peu à peu abgebaut und bin jetzt in den entscheidenden Situationen ruhig. Meine Gegnerin in Leipzig hat vor Wut eine Plastikflasche zerhackt, aber ich bin cool geblieben und habe das Ding gewonnen", sagt Jacob und ergänzt lächelnd: "Mit dem Alter kommt die Ruhe." Sie stockt und schiebt nach: "Okay, das ist ein schwieriger Prozess - in Worms bin ich auch noch von der Schiedsrichterin erzogen worden."

Als Trainerin gibt sie aber Ruhe an ihre Schützlinge weiter. "Wenn man aus dem Profisport kommt, verlangt man von seinen Schülern - von fünf-, sechsjährigen Bambinis bis zu 76-Jährigen - schnell zu viel. Das muss man anpassen. Aber wenn einer den Schläger auf den Boden titscht, gibt's eine Ansage. Emotionen rauslassen ist in Ordnung, aber das Material darf nicht darunter leiden. Das Benehmen ist das A und O - anders als im Fußball." Auch da kennt sich Jacob aus: "Ich bin ganz extremer Werder-Bremen-Fan. Als Kind war ich für Dortmund, wegen Biene Maja, schwarz-gelb, halt. Aber dann haben die gegen Bremen gespielt und ich fand die ganz gut. Und jetzt versuche ich immer, deren Auswärtsspiele hier in der Nähe, in Dortmund, Leverkusen, Gladbach, zu gucken."

Zumindest wenn die Zeit da ist, denn als Cheftrainerin sind die Tage kurz. Doch viel Arbeit ist Jacob gewiss nicht fremd: Schon mit 16 Jahren machte sie die C-Trainer-Lizenz, die sie zum 18. Lebensjahr ausgehändigt bekam, es folgten die B- und A-Lizenz und die Ausbildung zur staatlich geprüften Tennislehrerin - das sind die höchsten Qualifikationen, die möglich sind. Bis dahin war der Weg aber alles andere als einfach. "2008 ist meine Mutter gestorben", erzählt Jacob ruhig. "Das gab einen Knick in der Trainerausbildung, weil ich zu der Zeit oft ins Krankenhaus gefahren bin." Zwei Jahre später hatte sie aber ihre Lizenzen und sollte eigentlich Trainerin beim SC 88 Frankfurt werden. Aber: "Mein Vertrag war an deren Sportdirektor gekoppelt - und dem wurde gekündigt, bevor ich anfangen konnte. Und weil ich mit der Aussicht auf Frankfurt meinen Vertrag bei BW Mannesmann gekündigt hatte, stand das ,Lebensunterhalt-verdienen' plötzlich wieder sehr im Vordergrund." Also arbeitete sie als Co-Trainerin bei ihrem alten Verein, jobbte zudem am Flughafen Düsseldorf in der Auto-Rückgabe und an Tagen, an denen sie kein Training hatte, auch noch als Kellnerin. "Das war dann eine 60- bis 70-Stunden-Woche zusätzlich zum Training", rechnet Jacob vor. "Das ist durch Solingen Gott sei dank vorbei."

Denn der STC reagierte auf ihre Annonce, der Sportliche Leiter Markus Förster wollte sie ursprünglich "nur" als Trainerin verpflichten, als er sich dann aber beruflich veränderte, bot er ihr die Doppelrolle als Trainerin und Sportliche Leiterin an - Jacob nahm gern an und will bleiben: "Viele Dinge sind nicht in einem Jahr zu machen. Ich will längerfristig etwas aufbauen." Und dazu gehören Aufstiege. "Das Ziel für die Damen lautet mittelfristig Niederrheinliga", sagt Jacob, die als Kapitänin der ersten Mannschaft in der Bezirksliga antreten wird. Die Trainerin Katharina Jacob hat also die Spielerin Katharina Jacob zum Aufstieg verdonnert - wer könnte sie besser unter Druck setzen?

(ame)
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