Kreis Wesel Flüchtling aus Afghanistan startet Lehre

Kreis Wesel · Rachmanula Slimanchil kam 2011 mit 15 nach Wesel und sprach kein Wort Deutsch. Jetzt hat er einen Ausbildungsvertrag.

 Zwei Optimisten: Norbert Borgmann (l.) war schnell überzeugt von der Bewerbung und hat Rachmanula Slimanchil unter seine Fittiche genommen. Zum 1. August beginnt die Lehre zum Anlagenmechaniker für Heizungs-, Sanitär- und Klimatechnik.

Zwei Optimisten: Norbert Borgmann (l.) war schnell überzeugt von der Bewerbung und hat Rachmanula Slimanchil unter seine Fittiche genommen. Zum 1. August beginnt die Lehre zum Anlagenmechaniker für Heizungs-, Sanitär- und Klimatechnik.

Foto: Malz, Ekkehart

Freundlich, offen, höflich, optimistisch: Rachmanula Slimanchil macht einen unbekümmerten Eindruck. Dabei hat der 18-Jährige schon so viel erlebt, dass es für ein ganzes Leben reicht. Und er ist ein Beispiel dafür, wie Integration gelingen kann: mit eigenem Antrieb und Hilfe zum richtigen Zeitpunkt. Der junge Mann, der im Herbst 2011 mit 15 Jahren nach Wesel kam und kein Wort Deutsch sprach, hat für den 1. August einen Lehrvertrag in der Tasche. Dann wird er im Betrieb von Norbert Bormann in Wesel zum Anlagenmechaniker für Heizungs-, Sanitär- und Klimatechnik ausgebildet.

Slimanchil ist Flüchtling. Daheim in Afghanistan war er nach dem Tod seines Vaters als ältester Sohn in den Fokus einer Familienfehde geraten. Seine Angehörigen schickten ihn zur Sicherheit nach Europa. Doch den gelobten Westen zu erreichen, war so einfach nicht. Mit drei Freunden war der Junge aufgebrochen. Über Pakistan, den Iran und die Türkei, die ihn im ersten Anlauf wieder abschob, ging es nach Griechenland. Hier trennte sich die Gruppe. Zwei machten sich auf nach England. Die Verbliebenen Jungs zogen über Italien und Frankreich nach Deutschland. In Frankfurt wurde Rachmanula Slimanchil zum Solisten, weil sein letzter Gefährte nach Norwegen weiterreiste.

Ohne Pass, ohne Kontakte und ohne Deutschkenntnisse kam der Afghane nach dreimonatiger Odyssee in Wesel am Bahnhof an. Landsleute hatte er schnell ausfindig gemacht. Die gaben ihm Tipps. Der Junge kam in die Obhut des katholischen Kinderheims Haus Honnerbach an der Sandstraße. Dort setzte eine bemerkenswerte Entwicklung ein. Rachmanula Slimanchil, der heute in einer Jugendwohngruppe der Einrichtung in der Weseler Feldmark lebt, setzte alles daran, Deutsch zu lernen. Im Selbstlernzentrum des Heims und in der Volkshochschule. Die Martini-Hauptschule verlässt er im Juni mit dem Abschluss nach Klasse 10.

Die Berufsberatung der Arbeitsagentur hat er besucht, zwei Praktika absolviert und etliche Bewerbungen abgeschickt. Norbert Borgmann war davon im März gleich beeindruckt, denn die Mappe machte einen guten Eindruck und die Zeugnisnoten waren gut. Slimanchil bewies Selbstbewusstsein, kam ohne seine Betreuerin Christina Klose zum Gespräch mit Borgmann. In den Osterferien war er vier Tage zur Probe im Betrieb, und dann war für Borgmann die Sache klar. Der Meister freut sich über das Okay der Ausländerbehörde für die Lehre des "Geduldeten", droht aber schon mit Stress für den Fall, dass er den Afghanen am Ende der Lehrzeit nicht als Gesellen übernehmen dürfte oder dieser wegen veränderter Lage im Heimatland abgeschoben werden würde. "Wir wissen, wer wann in Rente geht, und bilden die jungen Leute für uns selber aus", sagt der Innungs-Obermeister. "Außerdem wird uns doch ständig gesagt, dass wir Flüchtlinge integrieren sollen."

Rachmanula Slimanchil ist zuversichtlich, dass er es in Deutschland schafft. Und neben Norbert Borgmann ist noch jemand überzeugt. Für Christina Klose ist der Afghane ein äußerst angenehmer Bewohner des Heims. "Er ist viel reifer als andere in dem Alter", sagt sie. "Natürlich ist es schwer und traurig für mich, hier ohne Eltern zu sein", sagt Slimanchil. "Aber hier ist es tausendmal besser als in Afghanistan."

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