Illegale Autorennen Russisch Roulette auf dem Ku'damm

Berlin · Müssen Teilnehmer illegaler Autorennen künftig damit rechnen, wegen Mordes verurteilt zu werden? Das Landgericht Berlin hat gegen zwei Raser die Höchststrafe verhängt. Das letzte Wort in dem tödlichen Fall hat der Bundesgerichtshof.

 Hamdi H. (M., 28) nahm an einem illegalen Autorennen auf dem Berliner Ku'damm teil. Weil ein Mann dabei ums Leben kam, wurde er gestern wegen Mordes verurteilt.

Hamdi H. (M., 28) nahm an einem illegalen Autorennen auf dem Berliner Ku'damm teil. Weil ein Mann dabei ums Leben kam, wurde er gestern wegen Mordes verurteilt.

Foto: dpa, fis

Marvin N. holt Olesya K. an einem Sonntagabend im Februar 2016 mit seinem aufgemotzten weißen Mercedes in Berlin-Marzahn ab. Es ist ihr drittes Date, die beiden fahren ins Steakhaus, wollen gemütlich gemeinsam essen. Marvin möchte bei Olesya übernachten, aber das klappt nicht, sie wären dort nicht allein. Also geht es nach dem Essen in eine Shisha-Bar. Auf dem Weg zurück nach Marzahn treffen die beiden an einer Ampel auf den "Transporter", Hamid H., einen Kumpel. Ein Zeichen genügt, und beide geben Gas. Mit bis zu 160 Stundenkilometern rasen sie über den Kurfürstendamm.

Nach elf ignorierten roten Ampeln kommt es an der Kreuzung Tauentzienstraße/Nürnberger Straße zum tödlichen Zusammenprall. Ein 69 Jahre alter Mann hat Grün, fährt los, und ist sofort tot, als Hamdi H. ihn mit seinem ebenfalls weißen und aufgemotzten Audi A6 Quattro rammt. 72 Meter weit wird der Geländewagen des Mannes geschleudert. Es ist ein Bild des Grauens, das sich Betrachtern in unmittelbarer Nähe des Kaufhauses "KaDeWe" bot.

Juristisches Neuland

Diese Nacht zum 1. Februar 2016 schreibt nun Rechtsgeschichte. Marvin N. (25) und Hamdi H. (28) sind gestern vom Landgericht Berlin wegen gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Bisher sind Teilnehmer illegaler Autorennen mit Todesopfern (etwa in Köln und Bremen) wegen fahrlässiger Tötung zu geringfügigen Haftstrafen verurteilt worden. Dass die Berliner Kammer nun die Raser zu Mördern macht, ist juristisches Neuland.

Anders als im amerikanischen Recht ist der Unterschied zwischen Mord und Totschlag im Strafgesetzbuch nicht der Vorsatz. Sowohl der Totschläger als auch der Mörder müssen den Tod zumindest billigend in Kauf genommen haben. In dem Fall der beiden Raser hat das Landgericht dies bestätigt. Für eine Verurteilung wegen Mordes muss zusätzlich noch mindestens eins der insgesamt neun sogenannten Mordmerkmale erfüllt sein. Also etwa Habgier, Heimtücke, Grausamkeit oder Mordlust. Die Berliner Richter entschieden nun, dass das Autorennen ein gemeingefährliches Mittel war - und damit ein Mordmerkmal erfüllt sei.

Genau an dieser Stelle könnte das gestrige Urteil aber wackeln. Ein Verteidiger von Hamid H. kündigte bereits an, Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einlegen zu wollen. Es ist fraglich, ob die höchsten deutschen Strafrichter der Berliner Argumentation folgen werden. Dazu müssten sie bestätigen, dass ein Autorennen ein gemeingefährliches Mittel sein kann, um Menschen zu töten - gleich einem Sprengsatz oder einer Brandstiftung. Sie müssten auch bestätigen, dass der Vorsatz, an einem illegalen Autorennen teilzunehmen, einem Tötungsvorsatz zumindest ähnelt.

Die Anwendung des Gesetzes

Richter Ralph Ehestädt sagte bei der Urteilsverkündung: "Es ist eine Einzelfallentscheidung. Das ist keine Demonstration von Härte, sondern die Anwendung des Gesetzes." Wenn auch eine weitläufige Interpretation des Gesetzes.

Die Politik will die strafrechtliche Beurteilung von Rasern aber nicht dem Zufall oder Einzelfallentscheidungen überlassen. Der Bundesrat hat bereits im September 2016 einen Gesetzentwurf für härtere Strafen beschlossen. Danach könnte die bloße Teilnahme an einem illegalen Autorennen bereits zu einer Haftstrafe führen. Die Koalition aus Union und SPD ist sich weitgehend einig, die Strafen zu verschärfen. Unklar ist noch, ob dies im Strafgesetzbuch oder in der Straßenverkehrsordnung geregelt werden soll. Der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) hat schon im September gesagt: "Raserei ist Russisch Roulette, allerdings ist der Spieleinsatz das Leben der anderen."

(her)
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