Rom Drei Brüder aus Trümmern gerettet

Rom · Bei einem Erdbeben auf Ischia kommen zwei Frauen ums Leben. Eine Familie erlebt aber ein Wunder: Ihre drei Söhne, darunter ein Baby, überleben. Wohl auch, weil ein Junge mit einem Besen auf sich aufmerksam machte.

Feuerwehrmänner mit Handschuhen wühlen in Trümmern. Sie suchen nach drei verschütteten Kindern, die unter dem eingestürzten Dach vermutet werden. Mitten in der Nacht ziehen die Helfer ein sieben Monate altes Baby aus dem zerstörten Haus. Es schreit. Aufatmen. Es folgen seine beiden Brüder. Von einem Wunder ist die Rede. Baby Pasquale und seine Brüder Mattias und Ciro haben Glück gehabt. Der Elfjährige habe seinem siebenjährigen Bruder vermutlich das Leben gerettet, indem er ihn unter ein Bett zog, berichteten Helfer der Agentur Ansa zufolge. Später habe er mit einem Besenstil gegen die Trümmer geklopft, um die Retter aufmerksam zu machen. Die Eltern waren schon vorher aus dem Haus in der Gemeinde Casamicciola befreit worden.

Der Erdstoß der Stärke 4 hatte die Insel im Golf von Neapel mitten in der Hochsaison erschüttert. Zwei Menschen starben, mehr als 40 wurden verletzt. Etwa 2600 Menschen wurden nach Angaben des Zivilschutzes obdachlos. Viele Touristen verließen die seit jeher erdbebengefährdete Vulkan-Insel. Die Behörden stellten Fähren bereit, um Urlauber von der Insel zu bringen. Mehr als 1000 Menschen kamen laut Zivilschutz am Morgen in Pozzuoli an der Küste an.

"Es war eine schreckliche Nacht, man kann das mit Worten nicht beschreiben", sagte der Vater der verschütteten Kinder. Die Mutter, wieder schwanger, schrie laut Ansa vor Glück, als das Baby gerettet wurde. Das Beben richtete in manchen Orten schwere Schäden an, besonders in Casamicciola und Lacco Ameno. Häuser stürzten ein, Putz fiel von den Wänden. Ein Krankenhaus wurde evakuiert. "Es hat alles angefangen zu wackeln, alles ist heruntergefallen. Häuser sind eingestürzt", erzählte eine Augenzeugin.

Geologen kritisierten, dass ein relativ schwaches Beben so viel Schaden anrichten konnte. "Es ist erschreckend, dass Menschen bei einem Beben dieser Stärke sterben", sagte Francesco Peduto, Präsident des Nationalen Geologenrates. "Es macht ratlos, wie das Schäden und Opfer hinterlassen kann." Italien sei extrem verwundbar, aber es werde nicht genug Erdbeben-Vorsorge betrieben. Es gebe viel "Geschwätz", aber wenig konkrete Taten.

Das betrifft Schulen, in denen Kinder lernen sollen, was bei einem Erdbeben zu tun ist. Und das betrifft die Bauweise. Auf der Ferieninsel Ischia könnten auch Bauauflagen missachtet worden sein, legte der Präsident der Vereinigung italienischer Geomorphologen, Gilberto Pambianchi, nahe. In Italien lebten mehr als 21 Millionen Menschen in erdbebengefährdeten Regionen.

Besonders schmerzhaft ist das neue Unglück, weil morgen vor einem Jahr der Jahrestag des verheerenden Bebens von Amatrice ist. Am 24. August 2016 starben in der mittelitalienischen Bergregion 299 Menschen, die Ortschaften liegen immer noch in Trümmern. Auch damals wurde viel über alte und schlecht gebaute Häuser diskutiert. Immer noch wird darüber geredet, wie man das endlich ändern könnte. Auch beim Wiederaufbau gibt es dramatische Verzögerungen.

"Schlechte Bauweise kann ein Grund sein, aber nicht der einzige", sagte der Seismologe Frederik Tilmann vom Geoforschungszentrum GFZ in Potsdam zu dem jetzigen Beben. "Uns hat das Ausmaß der Schäden auch überrascht, wir haben noch keine vernünftige Antwort." Ein Grund sei, dass das Zentrum des Erdstoßes nicht sehr tief lag.

Ischia ist seit jeher ein gefährdeter Ort. 1883 tötete ein Erdbeben bei Casamicciola rund 2300 Menschen. Die Vulkaninsel liegt in der Nähe der Phlegräischen Felder. Dort brodelt im Erdinneren einer der "Supervulkane" der Welt. Im Gegensatz zu dem immer noch aktiven Vesuv, der 79 nach Christus die Gegend in Schutt und Asche legte, sorgen sich Geologen um dieses Pulverfass unter der Erde weit mehr.

Dass das jetzige Beben mit dem "Supervulkan" zu tun habe, hält Seismologe Tilmann allerdings für weniger wahrscheinlich. Man könne auch nicht sagen, ob dies ein Vorbote für ein schlimmeres Beben sein könnte. "Es wäre jetzt auch kein Grund, eine Reise nach Neapel zu stornieren."

(dpa)
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