"Hart aber fair" "Natürlich sind Regierungen schuld, wenn Asylantenheime brennen"

Düsseldorf/Berlin · Bei "Hart aber fair" ging es um das Phänomen Populismus. Dabei gerieten der etablierte CDU-Politiker Norbert Röttgen und der Schweizer SVP-Politiker Roger Köppel heftig aneinander.

Darum ging's:

Jetzt wo Donald Trump als Präsidentschaftskandidat der Republikaner so gut wie sicher feststeht, ging es bei "Hart aber Fair" um seine Methoden, mit denen er die Vorwahlen gewonnen hat, und mit denen er in den Wahlkampf um das mächtigste Amt der Erde ziehen wird: Polemisch, beleidigend, schrill und politisch unkorrekt. Donald Trump hat in den USA vorgemacht, wie Populismus zum Erfolg führt. Die Redaktion der Talkshow hatte sich die Frage ausgedacht: Funktioniert diese Methode auch bei uns?

Darum ging's wirklich:

Kein US-Amerikaner in der Runde und mit ARD-Korrespondent Ingo Zamperoni nur ein Teilnehmer, der die Verhältnisse in den USA näher kennt: Schon die Zusammensetzung der Gäste machte klar: es sollte weniger um die Situation in den Vereinigten Staaten gehen als um die hiesige. Dabei blieb aber bis zum Ende unklar, was genau damit gemeint ist: Deutschland, Europa, der Westen? Und so flogen Namen vermeintlich populistischer Politiker und Parteien nur so hin und her: Silvio Berlusconi, AfD, Jörg Haider, Marine Le Pen, SVP, Front Nacional, Frauke Petry, FPÖ, Jörg Meuthen, Boris Johnson und natürlich immer wieder Donald Trump. Das brachte wenig Erhellendes zu Tage. Spannender war da die Frage: Was war zuerst — die Angst oder der Populist? Schüren Populisten Ängste oder haben sie Erfolg, weil existierende Ängste in der Bevölkerung von etablierten Parteien ignoriert werden?

Die Runde:

  • Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses
  • Dirk Schümer, Europakorrespondent der "Welt"
  • Ingo Zamperoni, ARD-Korrespondent in Washington
  • Serdar Somuncu, Schriftsteller und Kabarettist
  • Roger Köppel, Mitglied des Schweizer Nationalrats für die Schweizer Volkspartei (SVP); Chefredakteur des Schweizer Wochenmagazins "Weltwoche"

Der Frontverlauf:

War zunächst wenig ausgeprägt. Bis auf Dirk Schümer sagten die Gäste, dass sie vom Erfolg Donald Trumps gänzlich überrascht worden seien. "Das hat wirklich keiner gedacht", fasste ARD-Korrespondent Ingo Zamperoni die herrschende Stimmung zu Beginn der US-Vorwahlen zusammen. Falls er Präsident werden würde, wäre er eine totale Überraschung, erklärte Norbert Röttgen, CDU-Politiker und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Röttgen gab zu, dass ihm der Aufstieg Donald Trumps Angst bereite.

Anders sahen das der Schweizer Publizist und Politiker Roger Köppel sowie Dirk Schümer, Europakorrespondent der "Welt". "Ich würde den Politikern empfehlen, aufzuhören mit diesen Scheindebatten über Populismus, sondern die Probleme, die Themen anzusprechen und bessere Lösungen zu bringen als Trump", erklärte Köppel. Denn wenn die US-Amerikaner ihn wählen, dann müsse das Unbehagen mit der jetzigen politischen Klasse enorm sein. Schümer verglich Trump mit dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Beide seien Milliardäre und geborene Verkäufer. Trump mache als Präsident das, was die Leute wollten. "Der ist gar nicht so ein Bösewicht, der macht es ganz gezielt, um sich zu verkaufen."

In einem Filmbeitrag stellte Zaperoni Unterstützer von Donald Trump in den USA vor. "Es sind ganz normale Familienväter", so der ARD-Korrespondent. Sie würden sich jemanden wünschen, der die starke Hand auspackt und ihnen all ihre Sorgen abnimmt. "Es ist die Methode Brechstange".

"Es ist oft so, dass die Leute nicht nachforschen, ob diejenigen, die diese schlichte Thesen vertreten, ihnen auch gerecht werden", ergänzte Kabarettist Serdar Somuncu. Die Diskussion nahm endlich Fahrt auf, als Köppel, der für die Schweizer Volkspartei (SVP) im Schweizer Nationalrat sitzt, den anderen Teilnehmern einen "kulturpessimistischen Hochmut gegenüber diesen einfach gestrickten Amerikaner" vorwarf.

Es zeigte sich nun, wo die Gräben in der Runde verliefen. Röttgen begründete den Aufstieg Trumps damit, dass er Ängste schüre und den Wunsch nach einfachen Lösungen befriedige: "Er ist die Stimme einer großen Wut, die es in der amerikanischen Gesellschaft gibt. Er erzeugt Wut, er erzeugt Ängste, er erzeugt Emotionen — das ist sein politisches Geschäftsmodell." Widerspruch erntete er vom Journalisten Schümer: "Trump erzeugt die Ängste nicht, sie sind ja da." Es seine Menschen, die von der Globalisierung überrannt wurden, in den USA und auch in vielen Länder Europas. "Das ist ein Problem des globalen Kapitalismus", so Schümer.

Und auch Köppel widersprach Röttgen. Die Begriffe "Angstmachen" und "Aufhetzen" implizierten, dass sich die Leute Angst machen ließen. "Unterschätzen Sie die Leute da draußen nicht, die haben mindestens ein genau so gutes Differenzierungsvermögen wie Sie, Herr Röttgen." Populismus werde produziert durch die Fehler der etablierten Eliten in der Politik und in den Medien, die die Themen tabuisierten, die die Menschen wirklich bewegten. Röttgen warf daraufhin Köppel vor, die Methoden der Populisten selbst anzuwenden: Er stelle sich als Stimme des vernünftigen Volkes dar, während die Politiker alle abgehoben und hochnäsig seien. Die Auseinandersetzung zwischen dem arrivierten CDU-Politiker Röttgen und Köppel gewann nun deutlich an Schärfe.

Doch zunächst verflachte die Diskussion. Moderator Frank Plasberg präsentierte besonders umstrittene Aussagen von Donald Trump zum Einsatz von Gewalt und zu Moslems, die allerdings hierzulande hinlänglich bekannt sind und nicht Neues brachten. Ein reißerischer Einspieler, wie einfach ein US-Präsident Trump eine Atombombe zünden lassen könnte, fand nicht den Zuspruch der Talkrunde. "Das ist Hillary-Clinton-Fernsehen", sagte Köppel. Trump werde als Verrückter dargestellt. Auch die anderen Diskutanten hielten den Beitrag für schlichtweg übertrieben.

Richtig hoch her ging es, als es um die SVP ging, die Roger Köppel vertritt und die von Kritikern als populistisch eingestuft wird. In einem Einspieler wurden die von der SVP initiierten Bürgerentscheide "Ausschaffungsinitiative", "Minarettverbot", "Masseneinwanderung stoppen" vorgestellt und Köppel mit der Aussage zitiert: "Dass in Deutschland die Asylheime brennen, hat mit der Weigerung der Regierung und der Medien zu tun, die berechtigten Sorgen der Menschen aufzunehmen."

Köppel, der sich gegen den Vorwurf verwahrte, er sei ein Populist, legte nach: "Natürlich sind Regierungen schuld, wenn Asylheime brennen." Wenn Kritiker einer total unkontrollierten Zuwanderung diffamiert und in die rechtsextreme Ecke gestellt würden, dann schüre das den Extremismus. Das produziere die Wut, die Populisten ansprechen. "Was sie gerade gesagt haben, ist die Legitimierung von Gewalt gegen Menschen", kritisierte Röttgen die Aussage scharf. "Das ist absolut unerträglich. Das ist die Brandstiftung, die sie betreiben." Jeder Täter könne sich auf diesen Satz berufen, denn schuld sei dann schließlich die Regierung. Röttgen legte ihm nahe, sich zu korrigieren. Köppel verteidigte sich: "Das ist Ihre Methode. Ein Kritiker ihrer falschen Asylpolitik wird automatisch zum Legitmierer von Gewalt. Sie diffamieren mich persönlich." Er würde kein Stück von seiner Aussage zurückweichen.

Erkenntnis:

Keine neue Erkenntnis, aber gut in der Diskussion zu sehen: Begriff und Phänomen des Populismus sind hoch umstritten und emotional aufgeladen. Für die Einen artikulieren Populisten existierenden Ängste und Sorgen in der Bevölkerung, die von Parteien vernachlässigt worden sind. Für die Anderen sind es Populisten, die massiv Ängste schüren, das demokratische System diffamieren und Feindbilder produzieren. Eine Annäherung scheint nicht möglich. In dieser zum Schluss hoch emotionalen Debatte blieb die Frage, warum populistische Bewegungen so an Zulauf gewinnen, leider unbeantwortet. Die Redaktion hat sich keinen Gefallen getan, so viele Themen in einer Sendung anzusprechen. Denn die Diskussion zu Donald Trump brachte nicht viel Neues.

(joh)
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