Medienexperte Thomas Lückerath Qualitätsserien sollen das Fernsehen retten
Düsseldorf · Der Medienexperte Thomas Lückerath über sinkende Zuschauerzahlen, Trends und die Zukunft des (deutschen) Fernsehens.
Schon tausendfach ist das deutsche Fernsehen totgesagt worden. Einfalls- und mutlos, ohnmächtig gegenüber dem Internet, nur noch die Alten vor dem Bildschirm, so lauten seit Jahren die vorauseilenden Nachrufe. Am Samstag trägt das ZDF noch "Wetten, dass..?" zu Grabe. Reed Hastings, als Geschäftsführer der US-amerikanischen Online-Videothek Netflix angeblich einer der Totengräber, sieht spätestens im Jahr 2030 das Ende kommen. War es das mit dem Fernsehen? "Im Gegenteil", sagt Thomas Lückerath, Medienexperte des Branchendienstes DWDL. Denn wer einen Schritt zurücktritt und einen Blick auf die Entwicklungen des Jahres 2014 wirft, erkenne gegenläufige Trends. Lückerath sieht beim Blick auf die Entwicklungen der vergangenen zwölf Monate beachtlich viel Leben in der Branche und identifiziert drei Trends.
Fernsehen on demand Spätestens mit dem Start des Streaming-Dienstes Netflix im September ist der Bann gebrochen. Auf dem deutschen Film- und Serienmarkt ist ein Kampf um die Zuschauer entbrannt. Etwa 50 Streaming-Dienste buhlen um Kunden, neben Netflix auch Schwergewichte wie Amazon, Watchever und Maxdome.
Dass es Serien, Nachrichten und Spielfilme im Jahr 2014 geschafft haben, Zuschauer ins Internet zu ziehen, führt Thomas Lückerath auf verbesserte Technologie mobiler Endgeräte zurück. "Da ruckelt nichts mehr so wie noch vor zwei, drei Jahren", sagt der Medienkenner. Welches Ausmaß die Nutzung bereits erreicht habe, erkenne man zum Beispiel beim Zugfahren: "Früher hatten die meisten ein Buch oder eine Zeitschrift dabei, heute schauen sie aufs Handy oder Tablet."
Serienkult Kaum ein Format steht inzwischen so für erfolgreiches Qualitätsfernsehen wie die intelligent erzählte Serie. Bisher feierten in Deutschland anspruchsvoll erzählte Geschichten aus den USA die großen Erfolge, "Breaking Bad" etwa, "Game of Thrones" oder "House of Cards". Nun haben die deutschen Sender den Weckruf gehört. "Im Herbst gab es eine Welle von Ankündigungen, selbst hochwertige Serien produzieren zu wollen", so Lückerath.
Fast alle großen Sender beteiligen sich daran und investieren Millionen. Die ARD dreht in Zusammenarbeit mit Sky "Babylon Berlin", eine Polizei-Serie aus dem Deutschland der 1920er Jahre. Das ZDF produziert mit internationalen Partnern die Serie "The Team", die die Ermittlungen einer europäischen Polizeieinheit schildert. RTL versucht sich an "Deutschland", einem deutsch-deutschen Spionagedrama in den 1980ern inmitten von Kaltem Krieg, Friedensbewegung und Neuer Deutscher Welle.
Relevanz "Das Fernsehen gewinnt Relevanz zurück", bilanziert Lückerath. Das macht er vor allem an Formaten wie dem investigativen "Team Wallraff" fest. Im Frühjahr hatte RTL mit den Enthüllungen über Missstände bei Burger King oder im Pflegeheim nicht nur Anerkennung gewonnen, sondern auch Top-Quoten erzielt. Neben Wallraff hebt Lückerath die Vox-Show "In der Höhle des Löwen" hervor. Darin dürfen Kandidaten einer Jury aus erfolgreichen Unternehmern ihre Geschäftsideen vorstellen. Überzeugen sie, bekommen sie das nötige Startkapital. "Diese Show hat hunderte Arbeitsplätze geschaffen", lobt Lückerath. Für Vox hat sie sich als Erfolgsmodell erwiesen.
Lückerath ist überzeugt: "Wenn Fernsehen relevant ist und dem Zuschauer etwas zumutet, dann wird es dafür belohnt." Dokusoaps mit Daniela Katzenberger hätten hingegen ausgedient. Entscheidend für den Erfolg sei einzig die Qualität.