Merkel über Trump-Interview "Wir Europäer haben unser Schicksal selbst in der Hand"

Berlin · Der künftige US-Präsident Trump setzt Deutschland mit Kritik und Provokationen unter Druck. Kanzlerin Merkel gibt sich gelassen: "Ich persönlich warte jetzt erst einmal auf die Amtseinführung." Doch nicht alle nehmen das Interview gelassen.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel äußert sich während einer Pressekonferenz in Berlin zum Trump-Interview.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußert sich während einer Pressekonferenz in Berlin zum Trump-Interview.

Foto: rtr, FAB/joh

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die EU-Staaten aufgefordert, sich von der harschen Kritik des designierten US-Präsidenten Donald Trump nicht beirren zu lassen. Auf Äußerungen aus Trumps jüngstem Interview angesprochen, sagte sie am Montag in Berlin: "Also, ich denke, wir Europäer haben unser Schicksal selbst in der Hand." Mit wirtschaftlicher Stärke und effizienten Entscheidungsstrukturen könne die EU den Kampf gegen den Terrorismus, die Digitalisierung und andere Probleme bewältigen.

Zu Trumps Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik sagte sie, der Kampf gegen den Terrorismus sei eine große Herausforderung für alle. "Ich würde das von der Frage der Flüchtlinge noch einmal deutlich trennen", erklärte sie. Viele Syrer seien nicht nur vor dem Bürgerkrieg geflohen, sondern auch vor Terrorismus in ihrem Land.

Auf eine Frage zum künftigen deutsch-amerikanischen Verhältnis sagte Merkel, Trumps Positionen seien inzwischen bekannt. "Ich persönlich warte jetzt erst einmal auf die Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten."

Trump hatte "Bild" und Londoner "Times" gesagt: "Im Grunde genommen ist die Europäische Union ein Mittel zum Zweck für Deutschland." Merkels Entscheidung, Flüchtlinge aufzunehmen, bezeichnete er als "katastrophalen Fehler" - auch mit Blick auf das Terrorrisiko. Der EU sagte Trump ohne Bedauern weitere Austritte voraus, die Nato nannte er im jetzigen Zustand obsolet. Diese Sichtweise sei in Brüssel mit "Verwunderung und Aufregung" aufgenommen worden, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte davor, auf die Strafzoll-Ankündigungen Trumps mit gleicher Münze zu reagieren. "Würden wir uns derart abschotten wie es der neue US-Präsident vorhat, würden wir Hunderttausende von Arbeitsplätzen verlieren", sagte der SPD-Chef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er rate, jetzt nicht hektisch zu werden. "Wir haben keine Angst vor Wettbewerb."

Über deutsche Autobauer hatte Trump zuvor gesagt: "Sie können Autos für die USA bauen, aber sie werden für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen." Dem Hersteller BMW, der 2019 eine Fabrik in Mexiko eröffnen will, legte Trump nahe, diese Fabrik in den USA zu bauen.

Der künftige US-Präsident hatte außerdem kritisiert, dass zu viele deutsche Autos und zu wenige US-Autos in New York zu sehen seien. Im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung konterte Gabriel auf die Frage, was die USA tun müssten um das zu ändern: "Dafür müssen die USA bessere Autos bauen."

Auch der scheidende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz rief zur Gelassenheit auf. Viele der Trump-Aussagen seien "in sich nicht schlüssig, widersprechen den Aussagen aus seinem Team, und sie werden sich so auch nicht umsetzen lassen", sagte der SPD-Spitzenpolitiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Er könne gleichwohl verstehen, dass Trump Irritationen hervorrufe, weil das Interview in Form, Wortwahl und Inhalt stellenweise befremdlich wirke.

FDP-Chef Christian Lindner forderte die Bundesregierung auf, nun nicht "in Hysterie" über eine Schwächung der Nato zu reden, sondern ihr aktiv entgegenzutreten. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Deutschland könne kein Interesse daran haben, dass die Distanz zu den USA größer werde. Deshalb solle die Regierung "schnellstmöglich die Gespräche mit unseren amerikanischen Partnern intensivieren".

Die AfD freute sich indes über Trumps Äußerungen. "Was der zukünftige amerikanische Präsident in seinem umfassenden Interview thematisiert, klingt durchaus vernünftig", sagte Vorstandsmitglied Paul Hampel.

Wären in Syrien Schutzzonen für Zivilisten eingerichtet worden, wie von Trump nun vorgeschlagen, hätte Deutschland viel Geld sparen können, das nun für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge aufgewendet werden müsse. Der Berliner AfD-Fraktionschef Georg Pazderski zeigte Verständnis für Trumps Enttäuschung über die Nato. Die Europäer müssten künftig militärisch mehr liefern.

(klik/dpa)
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