Kanzlerin in Moskau Hat Merkel sich bei Putin versprochen?

Moskau · Beim Besuch in Moskau bemüht sich Kanzlerin Merkel um moderate Töne. Mit ihren Worten in der Pressekonferenz überrascht sie jedoch mit scharfer Kritik am Kreml. Auffällig: Bei einem Satz zögert sie und spricht dann doch das Wort "verbrecherisch" aus. Nun wird spekuliert, sie sei vom Redetext abgewichen.

 Scharf und doch versöhnlich: Bundeskanzlerin Merkel zu Besuch bei Kremlchef Putin.

Scharf und doch versöhnlich: Bundeskanzlerin Merkel zu Besuch bei Kremlchef Putin.

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Nach der größten Militärparade in der russischen Geschichte hat Kanzlerin Angela Merkel sich bei einem Besuch in Moskau einen Tag später vor den sowjetischen Opfern des Zweiten Weltkriegs verneigt. Gemeinsam mit Präsident Wladimir Putin legte Merkel am Grabmal des Unbekannten Soldaten am Sonntag einen Kranz nieder.

Im anschließenden Gespräch forderte sie vom Kremlchef mit ungewöhnlich scharfen Worten ein stärkeres Einlenken in der Ukraine-Krise. "Durch die verbrecherische und völkerrechtswidrige Annexion der Krim hat die Zusammenarbeit (zwischen Deutschland und Russland) einen schweren Rückschlag erlitten", sagte Merkel. Beobachter überraschte vor allem der Ausdruck "verbrecherisch".

Der nämlich passte wenig zur Tonlage dieses Besuches. Inmitten der wegen der Ukraine schwer belasteten Beziehungskrise glich dieser einem Spagat: Zum einen sollte er ein Zeichen der Versöhnungsbereitschaft und Anerkennung der russischen Leiden im Zweiten weltkrieg aussenden. Zum anderen aber keinen Zweifel daran lassen, dass die Bundesregierung das Vorgehen des Kreml in der Ukraine nicht akzeptiert.

Umso überraschender die scharfen Worte Merkels im Kreml. Besonders auffällig: Während sie den Begriff "verbrecherisch" ausspricht, hält die Kanzlerin mitten im Wort nach der Silbe "ver" inne. Mitten im Satz entsteht eine kurze Pause von ein oder zwei Sekunden. Ganz so als überlege sie, ob sie wirklich diese Formulierung verwenden wolle. Diplomaten gehen laut einem Bericht von welt.de davon aus, dass Merkel die Formulierung nur aus Versehen verwendet hat. Der russische Präsident reagierte zunächst nicht darauf.

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Es gehe darum, die territoriale Einheit der Ukraine wieder herzustellen. Russlands Einverleibung der Schwarzmeerhalbinsel Krim und die Gewalt in der Ostukraine seien eine Gefährdung der europäischen Friedensordnung, mahnte Merkel. Putin räumte ein, dass die russisch-deutschen Beziehungen "nicht die besten Zeiten" erleben würden. "Ja, wir sehen die Dinge verschieden", meinte er. Es gebe jedoch keine Alternative zu einer friedlichen Lösung der Krise. Es war das erste Treffen von Merkel und Putin seit drei Monaten.

Russland hatte am Vortag mit einer pompösen Waffenschau den Sieg der Sowjetunion über Hitler-Deutschland vor 70 Jahren gefeiert. Viele westliche Staats- und Regierungschefs hatten Putins Einladung zur Feier wegen Russlands Haltung in der Ukraine-Krise boykottiert. Sie sehen Moskau als "Aggressor" in dem Krieg zwischen der prowestlichen Führung in Kiew und prorussischen Separatisten im Donbass.

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Putin bezeichnete Deutschland als "Partner und Freund". Die Sowjetunion habe im Zweiten Weltkrieg nicht gegen Deutschland, sondern gegen Nazi-Deutschland gekämpft. "Deutschland war selbst das erste Opfer", meinte der Kremlchef. Daher sei es für ihn "ganz natürlich", dass Merkel 70 Jahre nach dem Krieg nach Moskau reise.

Unter beispiellosen Sicherheitsvorkehrungen hatte Putin auf dem Roten Platz die Militärparade abgenommen. In einer Rede forderte er ein weltweites Sicherheitssystem ohne militärische Blöcke. Neben Putin als Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte saß Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping als einer von mehr als 20 Staatsgästen.

Putin nahm in der Rede indirekt Bezug auf die schwerste Krise zwischen Ost und West seit Ende des Kalten Krieges. Versuche, eine "monopolare" Welt zu schaffen, nähmen zu, kritisierte er. Nötig sei ein System, das gleiche Sicherheit für alle Staaten garantiere. "Nur dann werden wir Frieden und Ruhe auf dem Planeten gewährleisten."

Putin würdigte den "grandiosen Sieg" der Roten Armee über den Nazismus. Er hob auch die Rolle der westlichen Alliierten in der Anti-Hitler-Koalition hervor. Mit mehr als 27 Millionen Toten hatte die UdSSR die größte Opferzahl im Zweiten Weltkrieg. Zahlreiche Staatschefs von Ex-Sowjetrepubliken reisten zur Jubiläumsparade an.

Auf einer Ehrentribüne verfolgten Hunderte Veteranen und unter anderem Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow bei frühlingshaftem Wetter die gut einstündige Gedenkfeier mit mehr als 16 000 Soldaten sowie rund 200 Fahrzeugen und etwa 140 Flugzeugen.

Nach einer Schweigeminute rollte schweres Kriegsgerät wie die atomar bestückbare Interkontinentalrakete RS-24 Jars am Kreml vorbei. Bomber wie die Tupolew Tu-160, die als größtes Kampfflugzeug der Welt gilt, donnerten über die Zwiebeltürme der Basilius-Kathedrale. Und erstmals präsentierte Russland den "Superpanzer" T-14 Armata. Die rund 50 Tonnen schwere Kampfmaschine wird von der Armee als Inbegriff einer neuen Panzer-Generation angepriesen. Die Parade gilt immer auch als Verkaufsschau der russischen Rüstungsindustrie.

Später zogen Hunderttausende mit Putin an der Spitze und mit Fotos ihrer verwandten Weltkriegsteilnehmer in Händen über den Roten Platz.
Russland feiert das Kriegsende am 9. Mai und damit einen Tag später als der Westen, weil 1945 die deutsche Kapitulation vor den Sowjettruppen erst mit Verspätung unterzeichnet wurde.

(dpa)
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