Ukraine-Konflikt Hifskonvoi fährt zurück nach Russland - Merkel in Kiew

Kiew · Erstmals seit Beginn des Konflikts ist die Kanzlerin in die Ukraine gereist. Präsident Poroschenko würdigte sie als "Anwältin der Ukraine". Kurz vor Beginn des Besuchs beorderte Russland den umstrittenen Konvoi mit 280 Lkw zurück nach Russland.

Ukraine-Konflikt: Hifskonvoi fährt zurück nach Russland - Merkel in Kiew
Foto: dpa, bvj lof

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der Ukraine beim Treffen mit Präsident Poroschenko Hilfen von 500 Millionen Euro zugesagt. Sie sollen dem Land Investitionen in die Infratsruktur ermöglichen. Es ist ihr erster Besuch im Krisenland seit Beginn des Ukraine-Konflikts. Aus Sicherheitsgründen fuhr Merkel im gepanzerten Fahrzeug durch Kiew.

Der Gastgeber bezeichnete Merkel als "gute Freundin und starke Anwältin der Ukraine". In den vergangenen zwei Monaten hätten sie fast 20 Mal miteinander gesprochen, teilte das Präsidialamt während des Treffens mit. Dies habe der Ukraine bei der Verteidigung ihrer Interessen sehr geholfen, hieß es weiter.

Geplant ist auch ein Treffen mit Ministerpräsident Arseni Jazenjuk. Poroschenko trifft sich am Dienstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Daneben will Merkel auch Bürgermeister mehrerer ukrainischer Städte zu einem Gedankenaustausch treffen.

Die Reise soll angesichts der Konfrontation mit Russland ein Zeichen der Unterstützung für die Regierung in Kiew sein. Deutschland bemüht sich mit anderen westlichen Staaten um einen Waffenstillstand in der Ostukraine. Dort gibt es Gefechte mit prorussischen Separatisten.

Umstrittener Hilfskonvoi fährt zurück nach Russland

Am Freitag war unter scharfem internationalen Protest der russische Hilfskonvoi ohne Erlaubnis über die Grenze in die Ostukraine gerollt. Nach langem Streit wollte der Kreml nicht länger auf das Einverständnis des Roten Kreuzes und der Regierung in Kiew warten. Am Abend erreichten alle 280 Lastwagen die Separatistenhochburg Lugansk, wie ein Sprecher der Stadtverwaltung laut Interfax sagte. Am Samstagmorgen kehrte der Konvoi nach Behördenangaben wieder zurück nach Russland. "Die ersten Lastwagen haben die Grenze überquert", sagte ein Grenzschutzsprecher im Gebiet Rostow.

Der ukrainische Geheimdienstchef Valentin Naliwajtschenko hatte den russischen Konvoi als eine "direkte Invasion" gegeißelt. Poroschenko warf Russland einen Bruch des Völkerrechts vor. Die EU-Kommission bescheinigte Moskau eine "klare Verletzung der ukrainischen Grenze". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich "tief besorgt".

Bei Merkel und US-Präsident Barack Obama stieß das Vorgehen Moskaus auf "Unverständnis". Wie Regierungssprecher Steffen Seibert weiter mitteilte, waren sich beide in einem Telefonat am Freitagabend einig, dass der Kreml damit die Verantwortung für eine weitere Verschärfung der Situation trägt.

Obama und Merkel drängen Russland zum Abzug

Wie das US-Präsidialamt zu dem Telefonat mitteilte, sahen es beide Politiker zudem als zwingend an, dass Russland zur Entschärfung der Krise seine Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine sowie Waffen, Fahrzeuge und Personal aus dem Nachbarland abziehen muss.

Vor ihrer Abreise sagte Merkel der Chemnitzer "Freien Presse" (Samstag), der Konflikt müsse friedlich gelöst werden. "Eine rein militärische Lösung wird es nicht geben." Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte der "Welt am Sonntag", Ziel der deutschen Bemühungen sei es, "eine unmittelbare militärische Konfrontation zwischen der Ukraine und Russland unter allen Umständen zu verhindern".

Gabriel für Föderalisierung der Ukraine

Noch vor Merkels Ankunft in der Ukraine hat sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel für eine Föderalisierung der krisengeschüttelten Ukraine ausgesprochen. "Die territoriale Integrität der Ukraine kann nur erhalten werden, wenn man den Gebieten mit russischer Mehrheit ein Angebot macht", sagte der SPD-Vorsitzende der "Welt am Sonntag". "Ein kluges Konzept der Föderalisierung scheint mir der einzig gangbare Weg zu sein." Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte kurz nach seinem Amtsantritt Anfang Juni eine Föderalisierung des Landes abgelehnt.

Ukraine-Sitzung des UN-Sicherheitsrats ohne Einigung

In der Nacht zu Samstag beriet der UN-Sicherheitsrat hinter verschlossenen Türen in New York. Bei der Dringlichkeitssitzung gibt es um den Hilfskonvoi. Allerdings wurde keine Einigung erzielt. Mehrere Staaten forderten Moskau auf, die Lastwagen zurückzurufen.

Der britische UN-Botschafter und amtierende Ratsvorsitzende, Lyall Grant, sagte nach der hinter verschlossenen Türen abgehaltenen Dringlichkeitssitzung in New York, es gebe eine "weit verbreitete Sorge" über das, "was viele als illegale und einseitige Aktion der Russischen Föderation bezeichnen". Diese könne zu einer Eskalation führen.

Russland beteuerte bei der Sitzung, dass es sich nur um Hilfslieferungen handele. Den Antrag zur Dringlichkeitssitzung hatte der baltische Staat Litauen gestellt, dessen Regierung Moskaus Haltung mit besonderem Argwohn verfolgt.

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Aus Sicht der Grünen muss die Kanzlerin in der Ukraine viel verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Es bestehe der Eindruck, dass Deutschland gegenüber Moskau zu viel Verständnis zeige und gegenüber Kiew eher zurückhaltend und weniger sensibel sei, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Europa-Parlament, Rebecca Harms, der Deutschen Presse-Agentur.

Auch hätten die Ukrainer das Gefühl, Berlin sei immer erst dann zu eindeutigen Reaktionen bereit, wenn eine nächste Eskalationsstufe erreicht sei und es neue Provokationen durch Moskau gegeben habe. "Merkel muss unheimlich viel zurechtrücken", sagte Harms, die selbst mehrfach in die Krisenregion gereist war.

(ap)
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