Vor Abschlusserklärung Wladimir Putin verlässt den G20-Gipfel vorzeitig

Brisbane · Ein pflichtbewußter Kremlchef reist zurück in die Heimat: Wladimir Putin (62) hat den G20-Gipfel im australischen Brisbane ohne Mittagessen und noch vor Unterzeichnung des Abschlussprotokolls verlassen. Er müsse schließlich am Montag wieder arbeiten, sagte er vor Journalisten in seinem Hotel in Brisbane.

 Zum Abschied ein leichtes Winken: Wladimir Putin verlässt den G20-Gipfel vorzeitig.

Zum Abschied ein leichtes Winken: Wladimir Putin verlässt den G20-Gipfel vorzeitig.

Foto: dpa, sm pt

"Damit es nur keine Spekulationen gibt. Ich bin nicht zum allgemeinen Essen geblieben, aber unser Finanzminister nahm daran teil", sagte er am Sonntag. "Wir müssen von hier aus neun Stunden nach Wladiwostok fliegen und dann noch einmal neun Stunden bis Moskau. Dann müssen wir noch nach Hause. Und Montag geht es schon wieder auf Arbeit." Und vier bis fünf Stunden schlafen wolle er auch noch.

Bereits am Samstag war über eine vorzeitige Abreise des Kreml-Chefs spekuliert worden. Aus der russischen Delegation verlautete, Putin werde noch vor dem Mittagessen abreisen. Sein Sprecher Dmitri Peskow mühte sich anschließend um Entschärfung: Putin werde abreisen, "wenn die Arbeit getan ist". Putin habe seine Pläne keinesfalls wegen des Drucks der anderen G-20-Partner geändert.

Druck wegen Ukraine-Konflikt

"Ich bin zu Tony gegangen, er hat das mit Verständnis aufgenommen. Es gibt also hier keine anderen Gründe", meinte Putin. Er hatte den australischen Regierungschef Tony Abbott als guten Gastgeber gelobt.

Putin stand bei dem Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer wie kein anderer Staatschef unter Druck wegen des blutigen Konflikts in der Ukraine. Der Westen beschuldigt Russland, die Separatisten im Osten der Ukraine mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen. Der russische Staatschef zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt. Er lobte kurz vor seiner Abreise die "konstruktive Atmosphäre" bei den Beratungen. Trotz unterschiedlicher Ansichten seien die Gespräche hilfreich gewesen, sagte Putin.

Er habe mit mehreren Staats- und Regierungschefs über die Krise reden können, sagte Putin. Bis tief in die Nacht zum Sonntag hatte er sich auch mit Kanzlerin Angela Merkel in seinem Hotel getroffen.

Lange Gespräche mit Merkel und Juncker

Zunächst hatten sich die beiden rund zwei Stunden lang unter vier Augen beraten. Dann kam EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dazu. Dabei ließ sich Juncker umfassend über die russische Ukraine-Politik informieren. Das sagten Diplomaten am Rande des G20-Gipfels. "Der Kommissionspräsident hat das Treffen genutzt, um Motive und Ziele von Präsident Putin zu verstehen", hieß es aus der Delegation.
"Es war eine grundsätzliche und breite Diskussion." Einzelheiten der im Ton dem Vernehmen nach sachlichen Unterredungen wurden zunächst nicht bekannt.

Auch nach diesen Gesprächen zeichnete sich vor einem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs mit US-Präsident Barack Obama keine Lösung für den Bürgerkrieg in der Ostukraine ab.

Mit einer Lösung war ohnehin nicht zu rechnen. Bereits im Vorfeld hatte Merkel sich wenig optimistisch gezeigt. "Ich verspreche mir jetzt keine qualitativen plötzlichen Veränderungen", sagte Merkel im Vorfeld. Das Gespräch diene dazu, einen Eindruck zu bekommen, wie Putin die Lage einschätze.

Der Druck auf Putin in Brisbane ist jedenfalls enorm. Am Freitag hatte Obama Putin erneut scharf angegriffen. Die "russische Aggression" in der Ukraine sei eine "Bedrohung für die Welt", sagte Obama am Rande des Gipfels. Als Beispiel führte er den "Abschuss" der malaysischen Passagiermaschine MH17 vor vier Monaten in der Ostukraine an. 298 Menschen starben, 38 davon waren Australier.

Russland wies die Vorwürfe zurück. "Von unseren Handlungen geht einfach keine Bedrohung aus", sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. Russland wolle im Gegenteil helfen, die Lage zu stabilisieren.

(dpa/AFP)
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