Rom Berlusconi kämpft um seine Immunität

Rom · Wenn Italiens Ex-Premier seinen Senatssitz aufgeben muss, gerät die Koalitionsregierung Letta ins Wanken.

Im schönen Innenhof vor der Kirche Sant'Ivo alla Sapienza in Rom tummeln sich Journalisten und Kamerateams. Alles blickt auf eine Seitentür, hinter der sich in einem kleinen Saal die 23 Mitglieder des Immunitätsausschusses des italienischen Senats versammeln. Immer, wenn ein Ausschussmitglied sich der Tür nähert, wird im Pulk gedrängelt und geschubst.

Hinter dem Portal befindet sich das derzeitige Epizentrum der italienischen Politik. Der Immunitätsausschuss muss über den Ausschluss von Silvio Berlusconi aus dem Senat entscheiden, der Ex-Premier war am 1. August zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs verurteilt worden. Es geht um das politische Ende eines verurteilten Straftäters, der seit knapp 20 Jahren die italienische Politik prägt.

Auf dem Spiel steht das Überleben der Koalitionsregierung von Ministerpräsident Enrico Letta, der auf die Unterstützung von Berlusconis Partei "Volk der Freiheit" (PdL) angewiesen. Die PdL hatte mit einem Bruch der großen Koalition gedroht, sollte Berlusconi sein Parlamentariermandat entzogen werden. Dagegen verlangt der linke Koalitionspartner PD (Demokratische Partei) ein Ende solcher politischen "Erpressung" durch die PdL.

Das Berlusconi-Lager zieht alle Register, um Zeit zu gewinnen. Berlusconis Amt als Senator garantiert ihm Immunität. Der 76-Jährige fürchtet nicht etwa den Ausschluss an sich. Es sind vor allem Ermittlungsverfahren in Neapel und Bari, die ihn beunruhigen. Hier wird ihm Korruption vorgeworfen, die Staatsanwälte könnten Berlusconi festnehmen lassen.

Seine Hoffnungen ruhen deshalb auf einem Mann, Andrea Augello. Augello ist Mitglied des Ausschusses und Senator der PdL. Der Parlamentarier legte gestern einen 80 Seiten langen Bericht vor, in dem er vorschlägt, den Fall vor dem höchsten Gericht der EU, dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, klären zu lassen. Der Ausschuss wird in den kommenden Wochen über den Bericht abstimmen – wann, das ist derzeit die Gretchenfrage.

Deshalb skizzierte Augello folgendes Szenario: Das Anti-Korruptionsgesetz, 2012 unter der Regierung Mario Monti verabschiedet, sei auf Berlusconi nicht anwendbar. Es sieht vor, dass Abgeordnete, die zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wurden, ihr Mandat verlieren. Berlusconis Straftaten seien aber vor 2012 verübt worden und Gesetze dürften nicht rückwirkend angewendet werden, argumentiert Augello.

Fest steht, dass das letztinstanzliche Urteil gegen Berlusconi nach Inkrafttreten des Anti-Korruptionsgesetzes erging. Dass Berlusconi aus freien Stücken zurücktritt, ist undenkbar. Der Politiker bezeichnet sich trotz der Urteile von drei Gerichtsinstanzen als unschuldig. Jetzt will er die Reaktion der PD auf Augellos Bericht abwarten. Der PD hat die Mehrheit im Ausschuss. Alles deutet daraufhin, dass auch die Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, die Berlusconi in den vergangenen Tagen einreichen ließ, einer Verzögerungstaktik geschuldet ist. Da Berlusconis Immunität noch nicht aufgehoben ist, liegt bislang gar keine Normverletzung vor, die in Straßburg geltend gemacht werden kann.

(RP)
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