Hongkong China ergraut im Rekordtempo

Hongkong · Asien ist die am schnellsten alternde Region der Welt. Das hat teils dramatische Folgen.

Jeden Tag gehen in China 1400 ältere Menschen verloren. Viele von ihnen haben Alzheimer, andere sind verwirrt und finden nicht den Weg zurück nach Hause. Nur eines von vielen Problemen, die die Überalterung der chinesischen Gesellschaft mit sich bringt. Die Situation wird sich in Zukunft noch verschärfen - und sie wird sich nicht auf die Suche nach alten Menschen beschränken.

Asien ist die am schnellsten alternde Region der Welt. 2030 wird jeder dritte Japaner 65 Jahre und älter sein, in Hongkong, Taiwan und Korea wird das auf jeden fünften zutreffen. In China ist der Anteil der Alten an der Gesamtbevölkerung zwar etwas geringer, dafür ist ihre Zahl insgesamt riesig. So werden in 15 Jahren mehr als 230 Millionen Menschen über 65 Jahre alt sein. Das ist fast drei Mal so viel wie die Gesamtbevölkerung Deutschlands.

Diese Entwicklung - in China unter anderem verursacht durch die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik - wird Konsequenzen haben. Schon jetzt sinkt die Zahl der Erwerbsfähigen. Korea wird laut Weltbank-Prognosen schon bald 15 Prozent seiner Arbeitskräfte verlieren, Thailand, Japan und China mehr als zehn Prozent. Und China, bislang Wachstumsmotor der Welt, wird demnach in Zukunft mit 90 Millionen weniger Arbeitskräften seine Wirtschaft Richtung Moderne und Innovation voranbringen müssen.

Erschwerend hinzu kommen die immensen Kosten für eine alternde Gesellschaft. Das in Singapur ansässige Asia Pacific Risk Center hat ausgerechnet, dass sich die Gesundheitsausgaben für die ältere Generation innerhalb der kommenden 15 Jahre im asiatisch-pazifischen Raum auf umgerechnet 18 Billionen Euro summieren werden. Offen ist auch die Frage, wer die alten Menschen versorgt. "China allein benötigt bis 2030 neun Millionen Altenpfleger", heißt es im Bericht des Risikocenters. Traditionell kümmern sich in China die Jungen um die Alten, in sozialer wie finanzieller Hinsicht. Doch dieses System funktioniert vielfach nicht mehr, weil die Jungen für ihr Studium oder Jobs in die Städte ziehen.

Folge: Immer mehr alte Menschen nehmen sich in China das Leben, weil sie die Lebensumstände nicht ertragen. 2013 hat China ein Gesetz erlassen, das die Jungen verpflichtet, ihre Eltern regelmäßig zu besuchen und sich um deren "spirituelle Bedürfnisse" zu kümmern. In der Sieben-Millionen-Metropole Hongkong etwa leben viele alte Menschen in fensterlosen Mini-Apartments ohne eigene Toilette und Küche. "Die Warteliste für Sozialwohnungen ist lang, das kann fünf bis sechs Jahre dauern", sagt Maggie Chan von der Caritas Hongkong.

Ähnlich sieht es auf dem chinesischen Land aus, wo die Alten, die ihr Leben lang als Bauern gearbeitet haben, kaum über Ersparnisse verfügen. Das unterfinanzierte Rentensystem Chinas gilt als reformbedürftig. Durch die Überalterung der Gesellschaft wird sich die Lage noch zuspitzen, spätestens dann, wenn 2050 statistisch einem Rentner nur noch 1,6 Arbeiter gegenüberstehen.

(kna)
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