Vorschlag eines Punktesystems SPD ärgert die Union mit Einwanderungsgesetz

Berlin · In der großen Koalition ist ein neuer Streit um die Frage entbrannt, ob Deutschland ein Punktesystem für die Zuwanderung gesuchter Fachkräfte braucht.

 Die Grafik zeigt, wo 2013 die meisten Zuwanderer herkamen.

Die Grafik zeigt, wo 2013 die meisten Zuwanderer herkamen.

Foto: Anna Radowski

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann drückt aufs Tempo. Wenige Wochen nach seinen ersten Skizzen hat er am Dienstag ein komplettes Konzept für ein neues Einwanderungsgesetz vorgelegt, das über ein Punktesystem Hunderttausende qualifizierte Ausländer nach Deutschland bringen soll.

Diese würden dringend benötigt, um den immer größer werdenden Fachkräftemangel zu mildern. Die Union indes nimmt die Geschwindigkeit aus dem Vorhaben bewusst heraus. Kanzlerin Angela Merkel schickt erst einmal ihren CDU-Generalsekretär Peter Tauber zu Studienzwecken nach Kanada. Denn Oppermann will die Einwanderung nach kanadischem Vorbild steuern.

Hasselfeldt: "Wir brauchen kein Einwanderungsgesetz"

Kanada hat sich jedoch nach der Einschätzung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in der Zwischenzeit an das bestehende deutsche System angenähert, an dem der CDU-Politiker festhalten will. Die SPD hingegen will künftig jährlich den Bedarf von Fachkräften in einzelnen Branchen festlegen und dann Bewerber nach einem Punktesystem auswählen:

Je passender die Ausbildung, je einschlägiger die Qualifikation und je besser die Sprachkenntnisse, desto mehr Punkte gibt es und desto höher ist die Chance, dass der Ausländer über das Einwanderungsgesetz nach Deutschland kommt. Oppermanns Vorbild Kanada hat jedoch trotzdem viele Ausländer, die deutlich überqualifiziert für ihre letztlich gefundenen Jobs sind oder auch ohne Arbeit dastehen. Deshalb bekommen nach einer Reform des kanadischen Modells nun vor allem diejenigen Bewerber die meisten Punkte, die auch schon einen Arbeitsvertrag vorweisen können.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt positionierte sich eindeutig: "Wir brauchen kein Einwanderungsgesetz", sagte sie. "Wir haben ausreichende Regelungen", betonte Hasselfeldt und verwies auf die Industriestaaten-Organisation OECD, die Deutschland die liberalsten Zuwanderungsregeln weltweit bescheinigt habe. Mit Blick auf Kanada sagte sie: "Wir können uns nicht mit Kanada vergleichen. Die sind nicht in der EU, und die haben kein Grundrecht auf Asyl."

Auf die Frage, ob sie von den SPD-Plänen genervt sei, sagte Hasselfeldt: "Eine Koalition ist kein Wellnesstempel." Aber auch innerhalb der Union ist die Einwanderungsfrage nicht entschieden. Einen entsprechenden Vorstoß Taubers hatte Fraktionschef Volker Kauder umgehend zurückgewiesen. Und auch am Dienstag hatte Kauder zum Oppermann-Vorschlag nur einen Kommentar: "Die SPD macht ihre Sachen, wir machen unsere, und im Koalitionsvertrag steht nichts."

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Nach Ostern kommt Frage erneut auf den Tisch

Doch sowohl die Junge Union von CDU und CSU als auch eine Gruppe von 50 jungen Abgeordneten plädieren als "CDU 2017" für ein Einwanderungsgesetz, das klar und transparent die bislang sehr verstreuten gesetzlichen Regelungen zusammenfassen müsse. De Maizière zieht auch das in Zweifel: Die Menschen läsen keine Gesetze, sie bräuchten klare Zugangsbedingungen.

Die Kanzlerin scheint sich in der Streitfrage noch nicht festgelegt zu sein. "Ich muss mir dazu erst ein Urteil bilden", sagte sie zu Oppermanns Konzept. Sie hat aber offensichtlich nichts dagegen, dass Tauber das Thema weiter verfolgt. Nach Ostern soll die Zuwanderungsfrage im CDU-Präsidium erneut aufgerufen werden.

Drängender ist nach Merkels Überzeugung einstweilen die Frage der vielen Flüchtlinge. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe arbeiteten Union und SPD "sehr, sehr gut" zusammen. Vizekanzler Sigmar Gabriel argumentierte ähnlich: "Wir haben Einwanderung, weil auf der Welt Kriege, Not, Elend und Gewalt zunehmen", betonte der SPD-Chef.

Göring-Eckardt zweifelt an Ernsthaftigkeit

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, sieht keine Chance für ein Einwanderungsgesetz mit der großen Koalition. "Leider gilt für den Oppermann-Vorstoß: Der Entwurf wird nur ein Entwurf bleiben", sagte Göring-Eckardt unserer Redaktion. Sie bezweifelte die Ernsthaftigkeit des SPD-Politikers bei dem Thema: "Thomas Oppermann geht es offensichtlich nicht um einen Dialog und eine echte Chance auf ein Einwanderungsgesetz.

Weder hat Oppermann seine eigene Partei hinter sich noch seinen Koalitionspartner. Und de Maizière will alles so lassen, wie es ist." Sie warf der großen Koalition vor, "nur noch an der eigenen Profilierung Interesse" zu haben. Göring-Eckardt betonte, die Grünen stünden einem "ernsthaften Dialog über ein modernes Einwanderungsgesetz offen gegenüber".

(may- / qua)
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