Das Ringen um Rüstungsexporte Sigmar Gabriel und die Crux mit den Waffen

Berlin · Für die deutschen Waffenschmieden soll es künftig schwieriger werden, ihre Waren ins Ausland zu verkaufen: Nach einem Rekordwert bei den Rüstungsexporten im vergangenen Jahr will das Wirtschaftsministerium nun strengere Maßstäbe anlegen.

Fragen und Antworten zur Rüstungspolitik
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Foto: dpa, gam wst axs

Wenn Sigmar Gabriel bald seinen roten Ministerfüller zückt und Rüstungskonzernen einen dicken Strich durch fest einkalkulierte Aufträge macht, sollte der SPD-Chef auch den "Kürschner" griffbereit haben. Das Bundestags-Handbuch listet alle Abgeordneten und ihre Wahlkreise penibel auf. Unter K findet Gabriel dann zum Beispiel Volker Kauder.

Im heimatlichen Beritt des mächtigen Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion in Baden-Württemberg hat das Unternehmen Heckler & Koch seinen Sitz, eine weltbekannte Schmiede von Gewehren und Pistolen. Bricht dort der Umsatz ein, weil der Wirtschaftsminister in Berlin den Export deutscher Handfeuerwaffen drastisch einschränkt, stehen die Betriebsräte mit Sicherheit bei Kauder auf der Matte.

Blättert Gabriel bis zum Buchstaben U, wird er bei Hans-Peter Uhl von der CSU aus München landen. Wer sichert dort Jobs und zahlt Steuern? Der Panzer-Hersteller Krauss Maffei Wegmann. Sagt Gabriel im großen Stil Nein zu Waffengeschäften, dürfte das auch den Rheinmetall-Konzern in Düsseldorf treffen, wo Gabriels Stellvertreterin an der SPD-Spitze, Hannelore Kraft, regiert.

Nun ist der selbstbewusste Vizekanzler nicht der Typ, dem bei Anrufen von Lobbyisten oder Koalitionspartnern vor Schreck der Hörer aus der Hand fällt. Doch wie schwer es ist, eigene Versprechen einzulösen, zeigte sich zuletzt bei der Ökostromreform. Gabriel hatte Kürzungen der Industrie-Rabatte bis zu einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt - am Ende blieb alles beim Alten, was die Wirtschaft als eigenen Erfolg feierte. Gabriel selbst war zufrieden, schließlich seien viele Jobs gesichert worden.

Ob das auch in der Rüstungsindustrie gelingt, wo mehr als 100.000 Menschen arbeiten, ist fraglich. Der Konkurrenzdruck aus den USA, Russland, China oder Frankreich ist gewaltig. Airbus baut Tausende Stellen ab, weil die Bundeswehr, EU- und Nato-Staaten ihre Rüstungsetats kürzen. Vielleicht belebt die Ukraine-Krise das Europa-Geschäft, wenn die Nato ihre Grenzen zu Russland aufrüstet. Sicher ist das nicht.

So hat die Branche längst begonnen, ihr Geschäft mit Ländern weit weg von Europa auszubauen. Ihr Anteil an den Exporten lag 2013 bei über 60 Prozent - ein Rekord. Was Opposition und Menschenrechtler erschreckt, sind die Adressaten. Unter den Top 20 sind Saudi-Arabien, Algerien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Indonesien - alles Länder, die für Menschenrechte nicht besonders viel übrig haben.

Was zählt mehr: Geschäft oder Moral?

Im Bundestagswahlkampf hatten Gabriel und seine SPD vehement eine restriktivere Rüstungspolitik und mehr Transparenz versprochen. Dass Deutschland zu den größten Waffenexporteuren zähle, "ist eine Schande", bekräftigte er im Januar im Interview des Magazins "Stern". Kleinwaffen seien "die Bürgerkriegswaffen schlechthin". Die Messlatte liegt jetzt ziemlich hoch. Linke und Grüne dürften indes nie zufrieden sein.

So reibt die Opposition Gabriel unter die Nase, dass in den ersten vier Monaten 2014 die Exporte stark zulegten. Schuld habe Schwarz-Gelb, antwortet der Genosse. Die Bescheide seien unwiderrufbar. Grünen-Chef Cem Özdemir ist das zu dünn: "Wir werden Wirtschaftsminister Gabriel an seinen Taten und nicht an seinen warmen Worten messen."

Bei mehr Offenheit hat Gabriel aber schon geliefert. Der Bundestag informiert jetzt binnen 14 Tagen über positive Exportbescheide des geheim tagenden Bundessicherheitsrates - das gab es noch nie.

Öffentlich rühmen kann sich Gabriel aber nicht, wenn er Deals ablehnt. Das wäre für Konzerne geschäftsschädigend. Dieses Dilemma schmerzt Gabriel: "Das ist für einen Minister, der sich eine restriktive Exportpolitik auf die Fahnen geschrieben hat, zugegebenermaßen eine unkomfortable Situation", schreibt er im Vorwort zum Exportbericht.

Die Pressekonferenz überlässt er gleich seinem Staatssekretär Stefan Kapferer, einem Liberalen, der früher rechte Hand von Ex-FDP-Hausherr Philipp Rösler war. Wenn Gabriel im Sicherheitsrat künftig den Daumen senke, werde sich der "andere Teil" im Gremium letztlich damit abfinden müssen, meint Kapferer. Der andere Teil, damit sind Kanzlerin Angela Merkel und die Union gemeint.

Es dauert nicht lange am Mittwoch, da teilt Merkel über ihren Sprecher mit, von einer Kehrtwende bei Rüstungsexporten könne keine Rede sein, weil die 2000 von Rot-Grün gefassten Bestimmungen ohnehin sehr streng seien. Und der Unions-Wirtschaftssprecher Joachim Pfeiffer warnte jüngst im Bundestag, Deutschlands Rüstungsstärke und das Ansehen als Bündnispartner in der Nato zu verspielen. Schon jetzt mache bei internationalen Projekten das Wort "German Free" die Runde - also lieber auf politisch unzuverlässige Deutsche und ihre Technik zu verzichten. Die große Koalition wird sich bei Waffengeschäften bald entscheiden müssen, was mehr zählt: Geschäft oder Moral?

(dpa)
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