Griechenland-Pleite Trittin: "Rösler ist verantwortungslos"

Düsseldorf (RP). Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) stößt mit seinen Äußerungen zu einer möglichen Griechenland-Pleite auf ein geharnischtes Echo. Die Finanzmärkte reagieren massiv verunsichert, Politiker kritisieren den Wirtschaftsminister scharf. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin beurteilte Röslers Äußerungen gegenüber unserer Redaktion als verantwortungslos.

 Jürgen Trittin hat FDP-Chef Philipp Rösler wegen seines Vorstoßes für eine Insolvenz Griechenlands scharf kritisiert.

Jürgen Trittin hat FDP-Chef Philipp Rösler wegen seines Vorstoßes für eine Insolvenz Griechenlands scharf kritisiert.

Foto: dapd, dapd

Der Beitrag von Rösler erschien am Montag in der Zeitung "Die Welt", vorab standen seine markantesten Äußerungen bereits in den Schlagzeilen: Erstmals brachte ein Mitglied der Bundesregierung offen eine geordnete Insolvenz Griechenlands ins Gespräch. "Um den Euro zu stabilisieren, darf es auch kurzfristig keine Denkverbote geben", schrieb er in seinem Gastbeitrag. Und weiter: "Dazu zählt notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands, wenn die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung stehen."

Das Tabu der Pleite - es war gefallen. Am Montagmorgen rauschten die Aktienmärkte in die Tiefe. Neben dem Rücktritt von EZB-Chef-Volkswirt Jürgen Stark machten die Händler neue Verunsicherung über eine mögliche Pleite Griechenlands als Ursache dafür aus.

Die Reaktionen in Berlin fielen unterschiedlich, zu großen Teilen jedoch heftig und wenig vorteilhaft für Rösler aus.

Grüne: "Verantwortungslos" Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritsierte Rösler scharf. "Dass Rösler, als Bundeswirtschaftsminister, aber öffentlich über die Insolvenz Griechenlands fabuliert, ist verantwortungslos", sagte Trittin im Gespräch mit unserer Redaktion. Rösler sei unter dem Druck der Wahlniederlagen bereit, Parteiinteressen über die Interessen Europas und über die wirtschaftliche Vernunft zu stellen, betonte Trittin.

Zugleich stärkte der Grüne Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jedoch den Rücken: "Es ist richtig, dass der Bundesfinanzminister auch den Pleite-Fall zumindest durchrechnen lässt", sagte Trittin. Er warf FDP und CSU vor, sie entwickelten sich "immer mehr zu Anti-Europa-Parteien". Zur Lage Griechenlands sagte Trittin: "Der vom internationalen Bankenverband IIF entwickelte Umschuldungsplan ist nicht ehrgeizig genug. Hier gilt: Wer einen Sumpf austrocknen will, soll nicht die Frösche fragen."

Griechenland müsse die vereinbarten Bedingungen erfüllen. "Die nächste Tranche darf nur ausgezahlt werden, wenn die Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF ihr ok gibt."

SPD: "Schlicht untragbar" Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll nach Ansicht von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles Rösler in die Schranken weisen. Die Äußerung des Wirtschaftsministers habe schweren Schaden angerichtet und sei schlicht untragbar, sagte Nahles am Montag in Berlin. Die Bundeskanzlerin müsse noch am Montag deutlich machen, welchen Kurs die Regierung in der Euro-Debatte anstrebe. Für die SPD sei das Verhalten der Bundesregierung nicht mehr nachvollziehbar, fügte Nahles hinzu.

CDU: "Nicht pleite reden" Auch im Merkel-Lager ist man offensichtlich unglücklich mit der Griechenland-Attacke Röslers. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe stellte sich unmissverständlich gegen den Bundeswirtschaftsminister, indem er der Nachrichtenagentur Reuters sagte: "Wir müssen die Griechen fordern, dürfen sie aber nicht pleite reden. Damit wird niemandem geholfen."

Zuvor hatte bereits der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, Rösler kritisiert. Er sei sehr besorgt über Äußerungen "politisch direkt Verantwortlicher", hatte Altmaier gesagt.

Generalsekretär Gröhe betonte zugleich, dass Griechenland selbst über die weitere Entwicklung bestimme. "Die Griechen stehen in der Pflicht, ihre Hausaufgaben zu machen. Nur wenn sie die nötige Disziplin zeigen, macht die Hilfe der Gemeinschaft Sinn und kann wirken", sagte der CDU-Politiker.

FDP-Experte: "Nicht herumspielen" Selbst aus den eigenen Reihen schlug Rösler Kritik entgegen. Staatsminister Werner Hoyer (FDP) ging hörbar auf Distanz. "Die Gefahr, dass es Dominoeffekte gibt, ist einfach zu groß. Behutsamkeit auch in der Wortwahl ist hier angesagt", sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt am Montag in Brüssel. Da es kein bewährtes Instrument für die geordnete Insolvenz eines Euro-Staats gebe, dürfe man mit dem Thema nicht herumspielen.

Rösler ist nicht der einzige Skeptiker

Aller Kritik zum Trotz steht Rösler mit seiner Skepsis in der Koalition nicht alleine da. Neben den bekannten Eurokurs-Kritikern, die Merkel und Rösler zuletzt bei einer Probeabstimmung über den Rettungsschirm die Zustimmung verweigert hatten, hat sich zuletzt auch die CSU in dieser Sache hervorgetan und Vorbehalte gegenüber Merkels Kurs geäußert.

Seehofer: "Ich bin froh" Am Montag bekräftigte das CSU-Chef Horst Seehofer höchstpersönlich die neue Ausrichtung. Er begrüßte den Vorstoß Röslers zu einer geordneten Staatspleite Griechenlands. "Ich bin froh, dass jetzt in den letzten Tagen diese Gedanken auch ausgesprochen wurden", sagte Bayerns Ministerpräsident am Montag in München. "Die CSU ist eine Partei der Geldwertstabilität", sagte Seehofer. "Das schließt aus, dass wir als Bundesrepublik Deutschland dauerhaft Schulden anderer Staaten übernehmen."

Vor einer geordnete Insolvenz sollte allerdings versucht werden, Griechenland mit den bisherigen Hilfen über Wasser zu halten. "Das bedeutet, dass der Weg fortgesetzt wird, der eingeschlagen worden ist: Solidarische Hilfen für Griechenland gebunden an starke Sanierungsmaßnahmen in Griechenland", sagte Seehofer. Er mahnte allerdings zugleich, sich auf einen finanziellen Kollaps der griechischen Staatsfinanzen vorzubereiten. "Als ultima ratio muss man immer die Überlegung anstellen: Was ist wenn dies nicht zu schaffen ist. Wenn die Griechen das nicht schaffen, dann muss man sich in der Politik mit dem Gedanken auseinandersetzen: Was geschieht dann?"

Lindner: Flankenschutz für Griechenland" FDP-Generalsekretär Christian Lindner wies derweil die Kritik an Rösler zurück. Es sei die Aufgabe des Bundeswirtschaftsministers, dass er über Szenarien nachdenke, die eintreten könnten, sagte Lindner am Montag in Berlin. Es sei zudem seine Pflicht, deutsche Interessen im Blick zu behalten. Die FDP-Führungsspitze habe in der Sitzung Röslers Gastbeitrag einmütig begrüßt. In der derzeitigen Situation des Landes dürfe es keine Denkverbote geben. "Nötigenfalls muss auch über eine Insolvenz Griechenlands gesprochen werden, wenn es die nötigen Instrumente dafür gibt und Griechenland nicht in der Lage oder willens ist, die Voraussetzungen zu erfüllen."

Lindner betonte, es dürfe in dieser Situation nicht der Eindruck bei Griechenland erweckt werden, es gebe sowieso "ein Raushauen". Dadurch würden die Reformkräfte nicht unterstützt. "Insofern sind die Vorschläge von Philipp Rösler eher eine Unterstützung, sind eher Flankenschutz für den Titanenkampf in Athen, als dass sie eine Belastung wären." Es sei ein Zeichen großer Verantwortungsbereitschaft, wenn die Regierung eine "Ultima Ratio"-Lösung in den Blick nehme.

mit Agenturmaterial

(RP/RTR/dapd)
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