Interview mit Silvana Koch-Mehrin "Es war eine Retourkutsche"

Straßburg (RP). Schwere Schlappe für Guido Westerwelles "Miss Europa": Silvana Koch-Mehrin (38) schaffte erst im dritten Wahlgang den Sprung ins Präsidium des neuen EU-Parlaments. Vor allem Union und SPD boykottierten sie – sie werfen ihr mangelnden Arbeitseifer und einen zu populistischen Politik-Stil vor. FDP-Chef Westerwelle zeigte sich gestern über das Verhalten empört, sprach von "neidischer Parteitaktik". Unsere Korrespondentin Anja Ingenrieth sprach mit der umstrittenen Vorzeigefrau der Liberalen.

Das ist Silvana Koch-Mehrin
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Straßburg (RP). Schwere Schlappe für Guido Westerwelles "Miss Europa": Silvana Koch-Mehrin (38) schaffte erst im dritten Wahlgang den Sprung ins Präsidium des neuen EU-Parlaments. Vor allem Union und SPD boykottierten sie — sie werfen ihr mangelnden Arbeitseifer und einen zu populistischen Politik-Stil vor. FDP-Chef Westerwelle zeigte sich gestern über das Verhalten empört, sprach von "neidischer Parteitaktik". Unsere Korrespondentin Anja Ingenrieth sprach mit der umstrittenen Vorzeigefrau der Liberalen.

Fühlen Sie sich als Opfer einer Abstraf-Aktion von Neidern?

Koch-Mehrin: Die FDP hat mit mir als Spitzenkandidatin bei der Europawahl im Juni ein Plus von fünf Prozent eingefahren, während SPD und Union Verluste einstecken mussten. Damit kommen einige offenbar nicht klar. Die Verzögerung meiner Wahl zur Vize-Präsidentin des EU-Parlaments war wohl auch die Retourkutsche einer Koalition der Wahlverlierer.

Was bedeutet das Verhalten der Union für Schwarz-Gelb im Bund?

KochMehrin: Das Verhalten einiger Europaabgeordneten der Union ist enttäuschend. Es entspricht auch nicht den Aussagen, dass wir der Wunsch-Koalitionspartner für CDU/CSU nach der Bundestagswahl sind. So schafft man kein Vertrauen. Wir wollen den Stillstand der großen Koalitionen beenden — sowohl im Europaparlament wie auch in Berlin.

Kollegen werfen Ihnen mangelnden Arbeitseifer vor. Berechtigt?

Koch-Mehrin: Nein. Ich war in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzende der FDP-Gruppe im Europapalament und Vize der europäischen Liberalen. In den nächsten Jahren werde ich mich neben meiner Verantwortung als Vizepräsidentin im Petitionsausschuss und im Industrieausschuss engagieren und um den Schwerpunkt Medienpolitik kümmern.

Sie haben Ihren Kollegen vorgeworfen, dem Rotlicht-Milieu in Straßburg klingelnde Kassen zu bescheren. Sie geißeln zwei Sitze für das EU-Parlament als Steuergeldverschwendung, obwohl Sie wissen, dass nur die Staats- und Regierungschefs dies ändern können. Ist das nicht unseriös?

Koch-Mehrin: Absolut nicht. Für das offenbar falsch verstandene Interview zum Prostitutions-Problem in Straßburg habe ich mich entschuldigt. Bei der Sitzfrage akzeptiere ich die Argumentation nicht. Demnach dürfte sich das Parlament auch nicht mit Menschenrechten in China beschäftigen, weil es auch da nicht entscheiden, sondern nur mahnen und fordern kann. Mindestens 200 Millionen Euro Steuergelder im Jahr für einen Reisezirkus zwischen Straßburg und Brüssel sind Verschwendung, und ich werde weiter dafür kämpfen, dass dieser Missstand ein Ende hat. Das Parlament muss als einzig demokratisch gewählte Institution das Recht bekommen, über seinen Sitz selbst zu entscheiden.

Ihr Politikstil besteht oft genug auch in Anti-Brüssel Tiraden. Das Glühbirnen-Verbot etwa haben sie als Öko-Diktatur gegeißelt. Kritiker sagen, Sie fördern die Europaskepsis.

Koch-Mehrin: Die Bürger wissen sehr gut, was relevant ist und was nicht. Sie haben uns bei der Europawahl ein Rekordergebnis beschert. Das zeigt, dass sie hervorragend Schlammschlachten von berechtigter Kritik unterscheiden können und Politiker wollen, die in der Lage sind zu erklären, warum Brüssel für ihren Alltag wichtig ist und wo Missstände sind.

(RP)
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