Flüchtlingskrise Die EU will mit Frontex ihre Grenzen stärker schützen

Kapitan Andreewo · Die EU hat den Startschuss für ihre verstärkte Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex gegeben. Sie ist mit deutlich mehr Personal und erweiterten Eingriffsbefugnissen ausgestattet. Kritiker fürchten, dass die EU zur Festung wird.

 Grenzschützer in Bulgarien.

Grenzschützer in Bulgarien.

Foto: dpa, op lb

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos sprach von einem "historischen Tag". Ab sofort sei in der EU "die Außengrenze eines Mitgliedstaates die Außengrenze aller Mitgliedstaaten". Er weihte die erweiterte Behörde in Kapitan Andreewo an der bulgarisch-türkischen Grenze ein, wo nun dutzende Grenzschützer aus mehreren Ländern Posten stehen. Er sprach von einem "beispiellosen Erfolg" in Zeiten, in denen Europas "Einheit auf dem Prüfstand steht". Der Kommissar bot auch dem derzeit unter Druck stehenden Italien verstärkte Hilfe durch Frontex an.

Die Behörde mit Sitz in Warschau geht aus der bisherigen EU-Grenzagentur Frontex hervor. Sie erhält ab Dezember eine ständig bereitstehende Reserve von 1500 Grenzschützern, die in Krisensituationen schnell an die EU-Außengrenzen geschickt werden können.

Die EU zeige damit, "dass sie auch in dieser weiterhin nicht leichten Situation handlungsfähig bleibt", erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Mit einer besseren Kontrolle der Außengrenzen trage sie dazu bei, dass "die Errungenschaften des Schengenraums" langfristig erhalten bleiben.

Im Schengenraum ist normalerweise ungehindertes Reisen möglich ist. Wegen der Flüchtlingskrise haben Deutschland und andere Länder aber vor einem Jahr wieder Kontrollen an ihren nationalen Grenzen eingeführt. Sie sollen erst aufgehoben werden, wenn der Schutz der Außengrenzen gewährleistet ist.

Mitgliedstaaten können nach dem neuen Frontex-Mandat nun verpflichtet werden, Hilfe der Behörde bei der Grenzsicherung anzunehmen. Zudem darf Frontex künftig selbst Abschiebeflüge einleiten, um abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimat zurückzubringen. Auch der Einsatz der Beamten in Nachbarstaaten einschließlich Nordafrika ist möglich.

Avramopoulos wies zurück, dass Europa damit für Flüchtlinge zur "Festung" werde. Die EU fühle sich weiter internationalen Vereinbarungen wie der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet: "Die Tür ist für diejenigen offen, die internationalen Schutz brauchen, und für diejenigen geschlossen, die illegal einreisen wollen."

Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow warnte vor Populismus und einer Radikalisierung der Politik, wenn Europa beim Grenzschutz scheitere. Die EU brauche "ein geregeltes System" zum Umgang mit den Risiken an seinen Außengrenzen, sagte er. "Sonst werden andere Regimes an die Macht kommen, die diese Ordnung einführen." Für Europa sei dies "die letzte Chance".

Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), erklärte, Europa zeige beim Grenzschutz Solidarität. Die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel forderte die Mitgliedstaaten auf, nun auch wie zugesagt ihren Anteil an den 1500 Grenzschützern zur Verfügung zu stellen. Laut Bundesinnenministerium werden die vorgesehenen 225 Grenzschützer aus Deutschland wie geplant ab Anfang Dezember bereit stehen.

Mit dem Start des Frontex-Einsatzes an der bulgarisch-türkischen Grenze sollten "die letzten Schlupflöcher für syrische Flüchtlinge in die EU gestopft werden", kritisierte ihrerseits die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller. Die innenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, sprach von einem "menschenrechtlichen Skandal". Sie warf Frontex vor, schon bisher "erbarmungslos" die "Abschottungspolitik" der EU umgesetzt zu haben.

(afp/jeku)
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