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SPD Klinken putzen für die Wahl 2017

Berlin · Werden in Deutschland auch bald Parteianhänger in Horden durch die Vorgärten der Republik ziehen, und wie in den USA während eines Wahlkampfes an den Haustüren der Nachbarn für ihren Spitzenkandidaten werben? Wohl kaum. Doch angesichts eines massiven Rückgangs der Mitgliederzahlen und enttäuschender Wählerumfragen, wächst in der SPD die Sorge, bis 2016 nicht stark genug zu werden, um gegen die Union eine Regierung bilden zu können.

 SPD-Chef Sigmar Gabriel.

SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Foto: dpa, wk htf

Was führenden Genossen zufolge fehlt, sind Mitglieder und der Eindruck bei den Menschen, die Sozialdemokraten würden sich nicht nur um die Rente und den Mindestlohn, sondern auch um das geschlossene Freibad und die überfüllte Kita nebenan kümmern. Soweit die Annahmen, die derzeit vor allem in der Berliner SPD-Zentrale herrschen.

Die Nachbarschaftskampagne

Jetzt soll eine Nachbarschaftskampagne die erwünschten Effekte bringen: Mehr Mitglieder, bessere Umfrageergebnisse, mehr Vertrauen - und das bitte nicht nur im traditionell SPD-affinen Nordwesten der Republik sondern selbst in erzkonservativen Dörfern im Süden.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi muss diesen Plan nun für ihren Chef Sigmar Gabriel umsetzen. Sie erklärt die Idee so: "Im Zuge der Kampagne wollen wir wieder stärker direkt zu den Menschen, ihnen Angebote machen, dort, wo das Leben stattfindet: In den Sportvereinen, den gemeinnützigen Initiativen, den Nachbarschaftshilfen."

Konkret wurden 21 Modellregionen auserkoren, die nun im Zeitraum von einem Jahr von insgesamt zehn hauptamtlichen Projektberatern besucht werden - bezahlt vom Willy-Brandt-Haus. Sie sollen in den ausgewählten Landkreisen, zu denen nicht nur Hochburgen der SPD zählen, die Sorgen der Menschen aufnehmen und den Genossen vor Ort beibringen, wie sie sich im Sinne der Partei engagieren können. Die SPD kümmert sich, sollen die Menschen am Ende denken. Wenn sie dann noch einen Mitgliedsantrag schicken, umso besser.

Die Kampagne wird dabei wohl auf einer gründlichen Analyse einzelner Landkreise in Deutschland fußen. Gabriel selbst soll in der Vergangenheit das Gespräch mit SPD-Abgeordneten im Bundestag gesucht haben, um mehr über deren Wahlkreise zu erfahren.

Mögliches Taktieren von Gabriel

Unterdessen wird häufiger darüber spekuliert, wie es Gabriel schaffen kann, gegen die Union als möglicher Kanzlerkandidat zu gewinnen. In der SPD-Parteizentrale rechnen die meisten damit, dass Kanzlerin Angela Merkel erneut antreten wird.

Unter den SPD-Strategen kursiert eine interessante Theorie, wie Parteichef Gabriel im Wahlkampf 2017 doch eine Chance gegen die Umfragen-Königin Merkel haben könnte. "Der muss zeigen, dass er es wirklich will", sagt einer. Dies könne nur gelingen, wenn er spätestens ein Jahr vor der Bundestagswahl sein Amt als Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler aufgebe, um als Partei- und Fraktionschef Sozialdemokratie pur zu liefern. Denkbar wäre eine Rochade mit Fraktionschef Thomas Oppermann, der für das letzte Jahr der Wahlperiode Wirtschaftsminister würde. Den Job des Vizekanzlers könnte Außenminister Frank-Walter Steinmeier übernehmen.

Hinter diesen kühn klingenden Plänen steckt die Überlegung, dass Gabriel als Kanzlerkandidat nur dann eine Chance hat, wenn er sich als echte Alternative zu Merkel darstellen kann. Er müsse zeigen, dass er es selbst ernst meine, sagen die Befürworter des Modells. Aus der Position des in die Kabinettsdisziplin eingebundenen Ministers ist es bedeutend schwieriger, sich als Gegenentwurf zur Kanzlerin zu präsentieren. Mit diesem Modell, bei dem der damalige und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier gegen Merkel angetreten war, hatte die SPD 2009 mit nur 23 Prozent der Zweitstimmen ihr schlechtestes Wahlergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik eingefahren.

Forum für Wirtschaftskompetenz

Mehr Wirtschaftskompetenz soll nun helfen, die SPD auf Regierungskurs zu halten. Gabriel hat deswegen nach Informationen unserer Zeitung aus Parteikreisen den wirtschaftspolitischen Sprecher der Fraktion, Hubertus Heil, damit beauftragt, erstmals ein Wirtschaftsforum ins Leben zu rufen. Am Montag werden rund 70 Unternehmer unter dem Vorsitz des einstigen Tui-Chefs Michael Frenzel einen Verein gründen, der bewusst nicht unter dem Dach des Willy-Brandt-Hauses entsteht. Finanziert wird er aus Mitgliedsbeiträgen der Firmenlenker - nicht aus der SPD-Kasse. Am vergangenen Montag hatte der SPD-Parteivorstand bereits einstimmig die Pläne für das neue Wirtschaftsgremium abgenickt. Das Ziel: Sozialdemokratische Wirtschaftskompetenz an die Bürger vermitteln und die parteiinterne Debatte befeuern. Neben Gabriel und Heil werden sich in dem Verein auch etwa SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel, NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin und sein sächsischer Amtskollege Martin Dulig engagieren.

(jd, qua)
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