Zagreb Kroatien: EU sieht Vertrauensbruch

Zagreb · Zagreb weigert sich, einen mit internationalem Haftbefehl Gesuchten auszuliefern.

Kaum zwei Monate ist Kroatien Mitglied der EU, und schon droht Brüssel mit Sanktionen. Grund ist die Weigerung Zagrebs, einen in Deutschland wegen Mordes gesuchten Ex-Geheimdienstchef auszuliefern. "Das ist keine unbedeutende Frage für uns", ließ EU-Justizkommissarin Viviane Reding die kroatische Regierung wissen.

Der sozialdemokratische Premier Zoran Milanovic ließ das Ultimatum verstreichen, ohne Ex-Geheimdienstchef Josip Perkovic (68) auszuliefern, der vom Bundeskriminalamt (BKA) seit 30 Jahren wegen Mordes an einem jugoslawischen Dissidenten gesucht wird. Reding drohte Kroatien "angemessene Maßnahmen" an, die bis zur Aussetzung von Finanzhilfen und der Verzögerung des Beitritts zum Schengenraum gehen können.

Perkovic war im kommunistischen Jugoslawien Spitzenagent des berüchtigten Geheimdienstes Udba. Dessen kroatische Filiale SDS, die Perkovic leitete, war besonders spezialisiert auf die Jagd nach anti-kommunistischen Emigranten im Westen. Einer der Staatsfeinde des Tito-Regimes war der damalige Dissident Stjepan Djurekovic, der am 28. Juli 1983 in Wolfratshausen (Bayern) erschossen wurde. Laut BKA gab Perkovic den Mordauftrag. Seither wird er international gesucht.

Doch für die seit 1991 unabhängige Republik Kroatien waren Agenten-Geschichten des alten Jugoslawien bislang kein Thema. Perkovic machte sogar weiter Karriere: Er baute den kroatischen Geheimdienst auf und stieg sogar zum Vizeverteidigungsminister auf. Während Kroatiens EU-Beitrittsverhandlungen spielte der 30 Jahre alte Fall erst einmal keine Rolle. Erst in der Endphase setzte die EU-Kommission die Affäre Perkovic als Druckmittel gegen Kroatiens mangelnde Reformbereitschaft ein. Jetzt, fast zwei Monate nach dem Beitritt, gilt der Fall als "Herz der Justiz-Kooperation" (Reding). Sie wirft der Regierung Milanovic "Vertrauensbruch gegenüber anderen Mitgliedsstaaten" vor, die Kroatiens Beitritt in der Annahme ratifiziert hätten, dass es im Justizbereich voll kooperiere.

Nur drei Tage vor dem EU-Beitritt war per Regierungsmehrheit das Auslieferungsgesetz geändert worden: Demnach wendet Kroatien den Europäischen Haftbefehl nur mehr in Verbrechensfällen an, die nach dem 7. August 2002 datieren. Damit war der Ex-Geheimdienstchef vor der Auslieferung geschützt. Brüssel erklärt jedoch die kroatische Gesetzesnovelle für ungültig. Da die Mordtat in Deutschland begangen wurde, komme deutsches und nicht kroatisches Recht zur Anwendung.

(gru)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort