Analyse Neue Chancen für Schwarz-Grün

Berlin/Düsseldorf · Kommunalwahlen als Machtstrategie: Die Union hofft auf viele Bündnisse mit den Grünen nach den Wahlen in elf Bundesländern, so dass es für erneute Sondierungsgespräche 2017 im Bund eine neue, breite Basis gibt.

Noch hat es im Bund mit einer schwarz-grünen Regierung nicht geklappt, doch vom 25. Mai an erhält diese Bündnis-Option eine neue Chance: In gleich zehn Bundesländern sorgen Kommunalwahlen an einem Tag für neue Mehrheitsverhältnisse in den meisten Städten und Gemeinden Deutschlands. Zusammen mit den bayerischen Kommunalwahlen Mitte März geht es um 47 Millionen Wahlberechtigte. Das Wahljahr 2014 ist daher machtstrategisch von größerer Bedeutung als bislang vermutet: Wenn von der Basis her Union und Grüne stärker zusammen arbeiten, bleibt das für die Optionen 2017 nicht ohne Folgen.

Denn für den Start offizieller Koalitionsverhandlungen fehlte es letzten Herbst an realistischen Vorarbeiten vor allem im grünen Lager. Die Grünen-Führung sah sich nicht in der Lage, nach einem betont linken und Anti-CDU-Wahlkampf sofort auf Bündnis-Kurs umzuschwenken. Insofern haben sich führende Christdemokraten angewöhnt, auf Klagen von Grünen über die erdrückenden Machtverhältnisse im Bundestag süffisant zu antworten, sie trügen selbst die Schuld daran, dass die Opposition so klein sei: "Wir wollten es mit Euch versuchen!"

Schon vor den ersten schwarz-grünen Regierungen in Hamburg und jetzt auch in Hessen waren Stadt- und Gemeinderäte in vielen Regionen Schauplatz schwarz-grüner Zusammenarbeit. Diese sind von höchst unterschiedlicher Intensität. Regelrechte Bündnisse gibt es beispielsweise in Frankfurt, im Rhein-Sieg-Kreis, in Darmstadt, Bonn und Berlin-Zehlendorf. Häufig existieren auch "Haushaltsmehrheiten", teilweise auch unter Einschluss weiterer Parteien, wie etwa in Essen mit der FDP und einem Bürgerbündnis. Die "schwarze Ampel" aus Union, FDP und Grünen gibt es etwa in Bad Kreuznach oder Nordfriesland. Und dann kommt es während einer Wahlperiode immer wieder zum Zusammengehen bei einzelnen Projekten.

"Wir Grüne gehen bündnisoffen in die Kommunalwahlen", sagt die kommunalpolitische Sprecherin und Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann. Die politischen Konstellationen vor Ort seien "höchst unterschiedlich". Für die Grünen sei die kommunale Selbstverwaltung ein hohes Gut. Jeweils vor Ort werde deshalb entschieden "mit welchem Bündnispartner unsere sozialen und ökologischen Ziele am besten durchzusetzen sind".

Auch der NRW- Landesverband der Grünen "mischt" sich traditionell nicht in die Bündnisbildung in den einzelnen Kreisen, Städten und Gemeinden ein. Das sei eine "Angelegenheit der Kommunalos", heißt es dazu in Düsseldorf. Nach den letzten Wahlen von 2009 sind nach Angaben der Partei etwa 25 schwarz-grüne Bündnisse in NRW zustande gekommen, wie etwa in Kleve, Bad Münstereifel, Herzogenrath, Monschau und Arnsberg. Auch in Aachen paktierten Union und Grüne, doch im vorigen Jahr gab es ein spektakuläres Ende der Zusammenarbeit. Anlass war die Neubesetzung des Schuldezernats. Die Grünen hatten für diesen Posten den Lebensgefährten der grünen NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann, Reiner Daams, ausgeguckt und beizeiten die Zustimmung der Union eingeholt. Doch im letzten Moment lehnte die CDU ab, woraufhin die Grünen das bis dahin ordentlich funktionierende Aachener Bündnis für gescheitert erklärten.

Eine Neuauflage von schwarz-grünen Kooperationen mag nach der Wahl vom 25. Mai in mehreren nordrhein-westfälischen Kommunen denkbar sein. Aus Landessicht dürfte es sich dabei jedoch um eher schwierige Sondierungen handeln. Die NRW-CDU lässt kaum eine Gelegenheit aus, die Grünen als "Bevormundungspartei" zu kritisieren. Das strenge Rauchverbot in der Gastronomie gehört ebenso zu den Kritikpunkten wie der fleischlose "Veggie-Day", das landeseigene Klimaschutzprogramm oder der den Bürgern abverlangte "Kanal-TÜV", die Pflicht, je nach Wohnlage die Dichtheit der privaten Abwasser-Leitungen überprüfen und gegebenenfalls reparieren zu lassen.

Die Grünen wiederum haben ihre Lehren aus dem jüngsten Bundestagswahlkampf gezogen, bei dem sie mit ihrer Forderung nach Steuererhöhungen reichlich Schiffbruch erlitten hatten. Im Kommunalwahlkampf wollen sie nun erklärtermaßen auf "Wortspiele, missverständliche Ironie und komplizierte Wortakrobatik verzichten" und statt dessen "durchweg positive Botschaften" vermitteln. Die Kampagne ist vielerorts bereits angelaufen mit schlichten grünen Plakaten, auf denen zu lesen steht: "Mehr Grün für hier."

Schon auf Landesebene ist für das Entstehen von Koalitionen die Konstellation der Persönlichkeiten entscheidend. Das erste schwarz-grüne Bündnis in Hamburg war ganz auf die Person von Bürgermeister Ole von Beust zugeschnitten. Als der sich verabschiedete, war auch die Koalition Geschichte. Auch in Hessen wäre es kaum zur Annäherung gekommen, wenn nicht Ministerpräsident Volker Bouffier und Oppositionsführer Tarek Al-Wazir schon in einem sehr frühen Stadium ein persönliches Vertrauensverhältnis aufgebaut hätten, dass sich von Stufe zu Stufe als immer belastbarer erwies.

Das gilt noch mehr im kommunalen Raum, wo sich die Akteure oft schon seit Jahren persönlich kennen und genau wissen, ob man einander trauen kann. "Verlässliche Zusammenarbeit ist dort möglich, wo die ,Chemie' zwischen den Beteiligten stimmt", sagt Tim-Rainer Bornholt, Hauptgeschäftsführer der Kommunalpolitischen Vereinigung der Union. Aber auch programmatisch hat Bornholt hohe Erwartungen: "Wir hoffen auf viele funktionierende schwarz-grüne Bündnisse, denn ganz grundsätzlich verbindet Union und Grüne das Prinzip der Nachhaltigkeit bei der Entwicklung unseres Landes."

(RP)
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