WM-Kolumne Spielsystem — Rolle rückwärts in die Zukunft

Düsseldorf · Bei der WM haben viele Teams wieder auf ein 5-3-2-System gesetzt. Lange Zeit galt diese taktische Ausrichtung als unmodern. Doch nun erlebt es eine Renaissance. Auch Standardsituationen haben enorm an Bedeutung gewonnen.

 Hannes Linssen (64) stammt aus Wachtendonk und war Fußballprofi beim MSV Duisburg und bei Fortuna Köln. Zudem arbeitete er als Sportdirektor beim 1. FC Köln.

Hannes Linssen (64) stammt aus Wachtendonk und war Fußballprofi beim MSV Duisburg und bei Fortuna Köln. Zudem arbeitete er als Sportdirektor beim 1. FC Köln.

Foto: Phil Ninh

Ehrlich gesagt habe ich sehr lange überlegt, was ich nach einem solchen Spiel der deutschen Nationalmannschaft in meiner Kolumne noch schreiben soll. Ich bin noch immer ziemlich sprachlos, begeistert, durcheinander, fasziniert. Mit etwas Abstand gibt es drei Beobachtungen bei dieser Weltmeisterschaft, die Einfluss auf die Bundesliga haben werden.

1. Standardsituationen In der Ära von Joachim Löw wurde noch nie zuvor so viel Wert auf die Verwertung von ruhenden Bällen gelegt. Vier Treffer von Hummels (2), Klose und Müller sind aus Standardsituationen entstanden. Co-Trainer Hansi Flick hat besonderes Augenmerk auf dieses Thema gelegt und wurde dafür belohnt. Um besonders effizient auftreten zu können, benötigt man eine geeignete Aufstellung. Im deutschen Team haben nicht umsonst in den meisten Spielen vier gelernte Innenverteidiger in der Defensive gestanden. Kopfballstarke Typen, die hohe Bälle auch verwerten können. Der Dortmunder Erik Durm würde sicherlich mehr Impulse im Angriffsspiel der Nationalmannschaft geben können, der Schalker Benedikt Höwedes ist dafür deutlich kopfballstärker und erfüllt so die Anforderungen von Löw einfach besser. Fazit für die Liga: Auch dort werden Standards eine immer größere Bedeutung bekommen.

2. Mannschaftstaktik Die Nationalmannschaft hat beim letzten WM-Titel 1990 auf ein 5-3-2 als taktische Ausrichtung gesetzt. Kurz danach habe fast alle Klubs in der Bundesliga gespielt — bis zur desaströsen Europameisterschaft zehn Jahre danach. Plötzlich galt das Spielsystem als unmodern. Außer Otto Rehhagel setzen alle auf Viererkette. Nun kann man bei diesem Turnier eine Renaissance der Taktik beobachten — unter anderem bei Holland und Chile. Es beruht darauf, dem Gegner den Ball kalkuliert zu überlassen und ihn immer wieder durch gefährliche Konter zu bedrängen. Fazit: Wir erleben gerade eine Rolle rückwärts in die Zukunft. Auch in der Liga wird sich das Spielsystem wieder rasant verbreiten.

3. Außenseiterchancen Es war die WM der vermeintlich kleinen Fußballnationen. Costa Rica ist das beste Beispiel. Was haben die begeisterten Fußball gezeigt. Fazit: Bist du topfit, hast eine klare Strategie und funktionierst als Mannschaft, kannst du auch die ganz Großen ärgern. Bezogen auf die Bundesliga: Bayern München mag zwar individuell eine Klasse für sich sein. Aber auch kleinere Vereine werden ihre Chancen bekommen.

(RP)
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