Gold-Triumph am Reck Hambüchen krönt seine Karriere

Rio de Janeiro · Für Kunstturner Fabian Hambüchen ist der Traum vom Olympiasieg in Erfüllung gegangen. Bei seiner Abschiedsvorstellung in Rio de Janeiro holte der 28-Jährige Gold am Reck und komplettierte nach Bronze in Peking und Silber in London seine Medaillensammlung.

Olympia 2016: Fabian Hambüchen bekommt endlich seine Goldmedaille
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Hambüchen bekommt endlich seine Goldmedaille

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Foto: dpa, ss

Alles war angerichtet für Fabian Hambüchen und das große Finale seiner erfolgreichen Karriere. Am letzten Tag der Turnwettkämpfe in der picke-packe-vollen Rio Olympic Arena, im letzten Wettkampf ging es für Deutschlands langjährigen Vorzeigeturner an sein Paradegerät, ans Reck. Und was so perfekt angerichtet war, das bekam dann auch seinen aus deutscher Sicht perfekten Ausgang: Hambüchen holte sich den Olympiasieg. Nach Bronze in Peking vor acht Jahren und Silber in London 2012 nun also der ganz große 46-Sekunden-Triumph zum Karriereende.

"Ich kann das noch gar nicht fassen, das wird auch noch Zeit brauchen. Das ist unbeschreiblich, ich kann meine Gefühle gar nicht in Worte fassen. Das ist die Erfüllung eines Traums", sagte Hambüchen in der ARD und kündigte lachend eine riesige Party an: "Heute nehme ich das Deutsche Haus auseinander, da findet ihr morgen nur noch einen Haufen Schutt."

Großer Sport, großes Drama

Als einen der Höhepunkte dieser Turnwettbewerbe in Rio hatten die Hallensprecher das Reckfinale angekündigt, und dieses Finale hielt dann auch, was er versprochen hatte. Mit großem Sport und großem Drama. Gleich als erster der acht Finalisten musste der gebürtige Bergisch Gladbacher ran. Das lasse den Wertungsrichtern ja dann bis zum letzten Turner noch eine Menge Spielraum, hatte Hambüchen vorher geunkt. Er jedenfalls lieferte seine in Rio schon zweimal bewährte Übung mit Schwierigkeitsgrad 7,3 nun auch ein drittes Mal präzise ab, nur an einer Stelle mit nicht ganz gestreckten Armen, und beim Abgang ein kleiner Wackler nach hinten im Stand. 15,766 Punkte brachte ihm das ein – und natürlich das bange Warten, was diese Zahl am Ende wert sein würde.

Er jedenfalls war zufrieden, reckte die Faust ins große Rund. Es sollte die Faust des neuen Olympiasiegers sein. Sein ärgster Konkurrent seit Jahren, der Niederländer Epke Zonderland, war direkt nach ihm dran. Und der Holländer, Olympiasieger 2012 in London, patzte ausgerechnet in diesem großen Finale. Der 30-Jährige, der mal gesagt hatte, Hambüchen und er seien sich sehr ähnlich, aber er gehe einfach mehr Risiko, verfehlte das Reck nach einer Flugeinlage und landete auf der Matte. Alle Goldträume für Zonderland hatten sich damit böse zerschlagen, auch wenn er unter dem Applaus der Zuschauer seine Übung noch zu Ende turnte.

Schlusskapitel einer außergewöhnlichen Karriere

Und Hambüchen vollendete eben doch noch seine Laufbahn. Dieser Dienstag von Rio schrieb das Schlusskapitel unter eine sportliche Biographie, die den deutschen Turnsport wieder in die Weltspitze und zudem regelmäßig ins Interesse einer breiten Öffentlichkeit transportierte. Das gilt spätestens seit 2004, seit Hambüchen mit 16 Jahren in Athen zum ersten Mal bei Olympia auftrat. Nach seinem Einzug ins Reck-Finale nannten sie ihn fortan entweder Turnfloh wegen seiner Größe von nur 1,63 Metern, oder sie nannten ihn Professor, weil er wegen Problemen mit Kontaktlinsen eine Brille tragen musste. 27 Medaillen bei internationalen Meisterschaften hat er bis heute gesammelt – inklusive der von Rio. Er ist der erfolgreichste Athlet der deutschen Turngeschichte. So einen wie ihn, da braucht man kein Schwarzmaler zu sein, wird das deutsche Turnen so schnell nicht wieder finden.

Als er 2007 in Stuttgart Weltmeister am Reck wurde, war Deutschland für einige Stunden wieder eine riesige Turnnation. Ein Jahr drauf in Peking war er dann auch der Topfavorit auf den Olympiasieg, doch der mentale Druck machte ihm zu schaffen, wie er später zugab. Am Ende wurde es Bronze. Vier Jahre später gewann er Silber in London, und danach war klar, welche Geschichte Medien und Öffentlichkeit mit Blick auf Rio 2016 erzählen würden. Die von Gold. Geschichten von und über Hambüchen gab es viele in seiner Karriere. Der schüchterne Youngster lernte schnell, das öffentliche Interesse für sich zu nutzen. Mehrmals trat er beim Klamauk-Turmspringen im Fernsehen auf, und bei "Wer wird Millionär?" saß er mit Vater Wolfgang beim Promi-Special.

Quälerei wird belohnt

2010 erntete er jedoch gehörige Häme, als er mit gerade einmal 22 seine Autobiographie veröffentlichte und darin unter anderem Auskunft über die Qualität seines ersten Liebesaktes gab. "Ich konnte trotz Öffentlichkeit ein normales Leben führen, Starallüren kamen niemals auf", sagt Hambüchen heute rückblickend. Hambüchens Erfolge, die ständigen Höchstbelastungen für Muskeln und Gelenke in Training und Wettkampf haben indes auch Raubbau an seinem Körper betrieben. Das ist auch Teil seiner Geschichte. Vor allem die Schulter macht ihm seit langem zu schaffen. In diesem Frühjahr war es so schlimm, dass seine vierte Olympiateilnahme in weite Ferne rückte. Doch er bekam noch einmal die gesundheitliche Kurve, wurde rechtzeitig fit den Auftritt am Zuckerhut – und am Ende belohnt mit dem größtmöglichen Finale seiner Laufbahn. Als das bange Warten mit dem Ergebnis des letzten Turners, Danell Leyva aus den USA, für Hambüchen ein Ende hatte, als endlich feststand, dass er seinen großen Traum realisieren konnte, da brach alles aus ihm raus. Es war das Ende, das er sich gewünscht hat. Seit 2004. Seit er der Turnfloh wurde.

(RP)
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