Interview mit Olympiasiegerin Gold-Rosi: "Skifahrer sind eine Familie"

Vancouver (RP). Rosi Mittermaier gewann bei den Olympischen Spielen 1976 in Innsbruck zweimal Gold und einmal Silber. In Vancouver gehört ihr Sohn Felix zu den Favoriten im Slalom.

 Olympiasiegerin: Rosi Mittermaier.

Olympiasiegerin: Rosi Mittermaier.

Foto: ddp

Rosi Mittermaier, als Mutter des Slalomfahrers Felix Neureuther sind Sie bei den Olympischen Spielen in einer besonderen Rolle.

Mittermaier Zunächst einmal bin ich Schirmherrin des Olympischen Jugendlagers, das der Deutsche Olympische Sportbund in Pemberton bei Whistler ausrichtet. Diese Aufgabe habe ich schon vor vier Jahren in Turin übernommen, wo wir in einer Jugendherberge gewohnt haben. Da haben alle angepackt bei Küchendiensten und allen Arbeiten, die anfielen. Das war eine wahre Freude. Wenn es solche jungen Leute gibt, wie ich sie da erlebt habe, ist mir vor der Zukunft nicht bange. Bei den Sportveranstaltungen haben wir auch noch den letzten Langläufer angefeuert.

Aber auf Ihren Sohn werden Sie doch auch achten?

Mittermaier Ja, da gibt's dann noch den Felix. Mein Mann und ich können nicht viel für ihn tun — außer die Daumen drücken. Ich hoffe, dass seine Wünsche in Erfüllung gehen. Wir haben uns bei ihm immer sehr zurückgehalten. Das war auch der Grund, warum der Christian seine Tätigkeit als Experte fürs Fernsehen aufgegeben hat. Es war immer schlimm, wenn mein Mann und ich im Publikum entdeckt wurden und das gleich über die Lautsprecher bekannt gemacht wurde. Schön finde ich hingegen immer, wenn jemand sagt: Guck mal, da ist die Mama vom Felix.

Gerade im Slalom, der Spezialdisziplin Ihres Sohnes, ist die Gefahr des Scheiterns groß. Denken Sie oft daran?

Mittermaier Wir haben ja Felix auch bei den Olympischen Spielen in Turin erlebt, als er ausgeschieden ist. Da weiß ich als ehemalige Sportlerin natürlich, wie er denkt. Ich versuche ihm immer zu vermitteln, dass die Welt dann nicht untergeht. Bei aller Wichtigkeit, bei allem, was ein Sportler investiert und riskiert, ist es doch immer nur Sport. Man muss sich immer wieder klarmache, wie viel Schlimmes auf der Welt passiert und was dann eine Niederlage im Sport im Verhältnis dazu bedeutet.

Wie bewerten Sie seine Medaillenchancen jetzt?

Mittermaier Es muss alles passen. Kein Husten, kein Schnupfen, keine Verletzung. Die haben ja alle etwas, die Jungen.

Die Rennläuferin Maria Riesch kennen Sie schon seit deren Kindertagen. Wie sehr fiebern Sie mit ihr?

Mittermaier Da ist ja nicht nur die Maria. Drei Mädchen aus Garmisch-Partenkirchen starten im Slalom. Deshalb soll es sogar ein Public Viewing in der Ortsmitte geben. Ich freue mich immer, wenn sich der Erfolg auf mehrere Sportler verteilt. Es gibt doch nichts Schöneres, als glückliche Gesichter. Wir haben aus unserer Region ja auch noch ein paar aussichtsreiche Biathleten mit Magdalena Neuner und Miriam Gössner.

Ihr Name ist eng mit der olympischen Geschichte verbunden.

Mittermaier Mit der Familie waren wir seit 1960 bei allen Olympischen Winterspielen dabei. Nur 1998 war ich nicht in Nagano. Da musste ich daheim bleiben und das Haus hüten. Christian war fürs Fernsehen da. Wir sind Olympia-Fans seit jeher.

Wie haben sich die Olympischen Spiele seit 1976 verändert, als Sie in Innsbruck zur "Gold-Rosi" wurden?

Mittermaier Ich sehe nicht diesen olympischen Gigantismus, der oft beklagt wird. Denken Sie nur an Dirk Nowitzki, wie er Peking genossen hat, wie wohl er sich in der Mensa unter all den Sportlern gefühlt hat. Das Leben im abgeschlossenen olympischen Dorf ist etwas ganz Besonderes.

Zerstört das ganze Geld, um das es im Skisport geht, nicht die Kameradschaft?

Mittermaier Nein, ich bleibe dabei, es ist wie bei uns damals. Die gleiche Kameradschaft. Die Skifahrer sind immer noch eine Familie. Mich freut es, wenn die Sportler sich fair verhalten und internationale Freundschaften pflegen. Ich sehe bei Felix, wie das immer noch praktiziert wird. Da empfiehlt der eine dem anderen einen Physiotherapeuten, wenn einer mal ein Rückenproblem hat. Und wenn sie im Sommer auf dem Gletscher trainieren, sind sie wie Bergsteiger, die einander helfen, wenn der eine etwas zu trinken braucht, dessen Flasche aber leer ist. So etwas ist wichtiger als eine Hundertstelsekunde mehr oder weniger. Ich wünsche mir, dass die Kinder ein großes Herz haben und sich für die Menschen einsetzen.

Nach den Olympischen Spielen wird die alpine Ski-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen der nächste Höhepunkt sein. Welche Erwartungen haben Sie?

Mittermaier Die Latte liegt durch die stimmungsvollen Großereignisse in Deutschland hoch. Die Fußball-Weltmeisterschaft hatte selbstverständlich eine ganz andere Dimension. Aber wir wollen bei der Ski-WM im kommenden Jahr auch mit weniger Menschen vor Ort eine große Begeisterung entfachen. Wenn's gut organisiert ist, funktioniert es auch.

Deutschland steht in der Welt für gute Organisation, seit ein paar Jahren aber auch für große Emotionen im Sport.

Mittermaier Ich mag diese Begeisterung. Sie bringt ein ganz neues Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Leute trauen sich jetzt, dieses Gefühl auch zu zeigen. Die Deutschen sind ein faires Publikum. Das hat sich bei allen Großereignissen der vergangenen Jahre gezeigt, ob das im Fußball, im Handball, bei der Nordischen Ski-WM oder bei der Leichtathletik-WM jetzt in Berlin war. Für mich hat diese Entwicklung schon 1993 mit der Leichtathletik-WM in Stuttgart angefangen.

Hat der Sport, insbesondere der Skisport, auch eine gesellschaftliche Bedeutung?

Mittermaier Skisport ist zuallererst Breitensport. Es geht um Gesundheit und um eine vernünftige Freizeitgestaltung. Mit dem Skisport haben wir die Möglichkeit, ganze Familien zusammen zu bewegen. Vom Opa bis zur Enkeltochter. Das sehe ich sonst nur noch bei Radeltouren. Im Fußball ist das immer noch anders. Da gehen ja doch meist die Männer mit den Kindern, auch wenn sich das mittlerweile wandelt. In den meisten Fällen ist die Mama nur für die Brotzeit zuständig.

Ihre Heimatstadt, Garmisch-Partenkirchen, bewirbt sich gemeinsam mit München um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2018. Wie bewerten Sie die Chancen im Vergleich zu Pyeongchang in Südkorea und Annecy in Frankreich?

Mittermaier Unsere Chancen, die Olympischen Spiele 2018 zu bekommen, sind gut. Die Pisten hier in Garmisch-Partenkirchen sind alle fertig. Auch die Sprungschanze ist nagelneu. Und in der Millionenstadt München ist gewährleistet, dass Olympia nachhaltig wirken würde. Ich sehe in den Spielen eine große Chance für Deutschland. Insbesondere wenn es um das Umweltbewusstsein geht. Da kann Olympia ein Vorreiter für ganz neue Gedanken sein. Ich hoffe, dass das IOC bei der Vergabe der Spiele die Umweltgedanken der Münchner Bewerbung hoch bewertet. Ich glaube, dass wir mit dieser Idee zum richtigen Zeitpunkt kommen. Christian sagt immer: Geht nicht, gibt's nicht.

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