Markt Deutsche Autobauer müssen sparen

Markt · Alle deutschen Autobauer treten auf die Kostenbremse. Nicht nur aus Not. Der Branche steht ein Paradigmenwechsel bevor. Nur wer jetzt noch dauerhaft Milliarden investieren kann, wird den Wandel überleben.

Opel und Ford stemmen sich schon seit Monaten mit Werksschließungen und harten Sparrunden gegen den Untergang. Mit Daimler, Volkswagen und BMW treten jetzt aber auch Autobauer auf die Bremse, die üppige Gewinne einfahren: Daimler will bis Jahresende vier Milliarden Euro einsparen und kündigte gestern neue Sparmaßnahmen an: "Wir werden sie strukturell absichern und konsequent ausbauen", sagte Konzernchef Dieter Zetsche, ohne den Betrag zu nennen. In Konzernkreisen heißt es, die neue Sparrunde soll zwei Milliarden Euro bringen. BMW will den Kostenanstieg "um einige hundert Millionen Euro jährlich" dämpfen und stellt sogar die Brotzeitpausen auf den Prüfstand. VW-Chef Martin Winterkorn verordnete seiner Kernmarke vor einer Woche das Sparziel von fünf Milliarden Euro pro Jahr - gestern begründete er das vor der Belegschaft.

"Wir müssen die Ärmel hochkrempeln, um unsere Ziele zu erreichen", stellte sich Betriebsratschef Bernd Osterloh gestern im Wolfsburger Stammwerk demonstrativ hinter den VW-Chef. VW will spätestens 2018 weltgrößter Autobauer sein. Während andere Konzerntöchter wie Audi und Porsche traumhafte Renditen abwerfen, hinkt VW trotz guter Verkaufszahlen bei den Margen hinterher. Da die Kernmarke den größten Umsatz bringt, kann Winterkorn sich bei VW keine Schwächen erlauben. "Solide Rendite ist die Basis für Ideen, mit denen VW den Umwälzungen in der Branche begegnen muss", sagte er gestern vor der Belegschaft.

Genau diese "Umwälzungen in der Branche" sind es, die auch BMW und Daimler trotz üppiger Gewinne zu immer neuen Sparmaßnahmen zwingen. Denn die Umwälzungen sind so grundlegend, dass die Autobauer ihnen nur mit milliardenschweren Investitionen standhalten können - sonst verschwinden sie vom Markt oder können sich bestenfalls noch in eine Fusion retten.

Die Zeiten, in denen der Autobau Fernost lediglich als dankbaren Abnehmer für gigantische Stückzahlen sah, sind vorbei. Vor allem die Chinesen haben Ausländern den Aufbau neuer Fabriken im eigenen Land immer schon nur dann erlaubt, wenn einheimische Firmen beteiligt wurden. Ergebnis: Inzwischen können die Chinesen selbst sehr gute Autos bauen. Die Marke Qoros, die ab kommenden Jahr den europäischen Markt angreifen soll, absolvierte kürzlich den Standard-Crash-Test der europäischen Automobilwirtschaft mit Bestnote. Die koreanische Hyundai/Kia-Gruppe ist mit 7,9 Millionen verkauften Autos inzwischen viertgrößter Hersteller der Welt. Europas Hersteller reagieren darauf, indem sie die Kostenvorteile in Fernost nutzen und ihre eigenen Kapazitäten dort massiv ausbauen. Was den Druck auf die heimischen Werke zusätzlichen erhöht. Konzernkreisen zufolge will Daimler nur noch in Deutschland investieren, wenn die Belegschaft längeren Arbeitszeiten zustimmt. Daimler kommentiert das Thema derzeit nicht.

Noch sind Elektroautos Exoten. Sie verkaufen sich auch langsamer als gedacht. Aber klar ist auch: Die Tage des Verbrennungsmotors sind gezählt. Leider setzt der epochale Wandel beim Antrieb aber Fähigkeiten voraus, die klassische Autobauer gar gar nicht haben. Weil ein Elektromotor technisch nichts anderes als eine große Lichtmaschine mit Hochleistungs-Batterie ist, heißen die führenden Spieler auf diesem Gebiet Bosch, Continental oder Zytec. Ihre über Jahrzehnte entwickelte Expertise beim Bau von unfassbar kultivierten Zwölfzylindern nützt Daimler, VW, BMW & Co. schon bald nichts mehr. Sie müssen nicht nur ihre Autos umrüsten, sondern auch ihre Forschungs- und Produktionseinheiten.

Bei den heute 18- bis 25-Jährigen zeichnet es sich bereits ab: Das Auto verliert seine Rolle als Statussymbol. Für eine Branche, die wie keine andere von Marken und Mythen lebt, ist das ein Problem: Mittelfristig wird sie mehr Dienstleistungen und weniger Waren verkaufen müssen. Entsprechend investieren BMW und Daimler bereits heute in riesige Carsharing-Flotten: Sie testen damit einen Markt, der vielleicht schon bald ihr wichtigster sein könnte. Aus gigantischen Konzernen, die seit 100 Jahren Autos verkaufen, werden zunehmend Dienstleister, die Mobilität anbieten. Das ist mehr als nur ein neues Geschäftsfeld. Dafür muss die Branche sich neu erfinden. Und Erfindungen kosten Geld.

(RP)
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