Lösung im Streit über Kostenreduktionen EU: Ökostrom-Rabatt für Stahl und Alu bleiben

Berlin · Im Streit mit der EU-Kommission über Kostenreduktionen für energieintensive deutsche Unternehmen zeichnet sich nach einem Besuch des Wettbewerbskommissars in Berlin eine Lösung ab. Auch die Bahn soll künftig mehr bezahlen.

Im Streit um die Ökostrom-Rabatte für die deutsche Industrie zeigt sich EU-Kommissar Joaquín Almunia kompromissbereit. In den Verhandlungen mit der Bundesregierung seien die Ausnahmen für energieintensive Firmen zwar das größte Problem. Er sei aber sicher, dass eine Lösung gefunden werde, sagte Almunia gestern nach einem Gespräch mit Energieminister Sigmar Gabriel (SPD). Die EU-Kommission sei bereit, auch künftig Rabatte für bestimmte Branchen wie Stahl, Aluminium und Zink bei der Ökostrom-Förderung zu akzeptieren, nannte Almunia ausdrücklich drei Branchen, die viel Strom brauchen und im harten internationalen Wettbewerb stehen. "Die werden mit Sicherheit auf der Liste stehen." Eine Einigung zwischen EU und Berlin über die künftigen Förderrichtlinien soll bis 9. April stehen.

Auch beim Ökostrom selbst zeichnet sich ein Kompromiss ab. "Wir sind uns einig, dass wir bei der Entwicklung erneuerbarer Energien in die Richtung von Auktionierungen gehen müssen", sagte Gabriel. Die Grundidee: Die festen Sätze bei der Förderung werden abgeschafft. Stattdessen wird bei neuen Anlagen die produzierbare Ökostrom-Menge oder die Höhe der Vergütung künftig per Versteigerung ermittelt.

Worum geht es bei dem Streit?

Deutsche Stromverbraucher bezahlen für die Ökostrom-Förderung derzeit 6,24 Cent pro Kilowattstunde über ihre Stromrechnung. Ausgenommen sind davon jedoch 2098 energieintensive Unternehmen, die nur 0,05 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Darin sieht die EU-Kommission eine verbotene Beihilfe, da für ausländische Konkurrenten dieser Rabatt nicht gilt. Brüssel hat deshalb ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Schlimmstenfalls könnte Brüssel die Rabatte ganz verbieten. Das möchte Gabriel verhindern.

Warum ist der Umfang der Industrierabatte so explodiert?

Union und FDP hatten die Regeln 2011 deutlich gelockert. Zuvor galt der Rabatt nur für Unternehmen, die mehr als zehn Gigawattstunden Strom im Jahr verbrauchen, heute liegt der Grenzwert bei einer Gigawattstunde. Dadurch hat sich die Zahl der begünstigten Unternehmen seit 2010 vervierfacht. Unter den begünstigten Unternehmen sind auch Molkereien, Schlachthöfe, Futterhersteller, Recyclingfirmen, der Braunkohletagebau und Schienenbahnen. Den Großteil der privilegierten Strommenge erhalten Firmen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern. Die Rabatte müssen von allen übrigen stromverbrauchern bezahlt werden. "Almunia hat recht, dass endlich Schluss sein muss mit den ungerechtfertigten Milliardengeschenken an die Industrie", sagte Grünen-Fraktionsvize Krischer.

Wofür kämpft Gabriel?

Gabriel hat vergangene Woche erklärt, es sei schon eine große Leistung, wenn es gelänge, die Entlastung der Unternehmen von derzeit fünf um eine Milliarde Euro pro Jahr zu reduzieren. Eine stärkere Kürzung stieße in den Bundesländern auf Widerstand. "Macht die EU mit ihren Plänen ernst, würde die Produktion von Stahl, Aluminium oder Chemie ins Ausland verlagert werden", warnte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Tausende Stellen seien gefährdet. Sollten aber nur Unternehmen herausfallen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen, käme dabei nur eine geringfügige Kürzung heraus, da vor allem kleinere Betriebe allein auf das Inland konzentriert sind.

Wie könnte ein Kompromiss mit Brüssel aussehen?

Denkbar wäre, Branchen wie die Metall- und Chemieindustrie grundsätzlich als rabattwürdig einzustufen. Über Anträge würden aber im Einzelfall entschieden. Klar ist bereits, dass auf Druck der EU kleine und große Schienenbahnen künftig gleichbehandelt werden. Auch die Bahn soll künftig 15 Prozent der Ökostrom-Umlage bezahlen. Die Ticketpreise könnten dadurch 2015 um drei Prozent steigen.

(mar)
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