Betriebsversammlung Opel will ab 2016 keine Autos mehr in Bochum bauen

Bochum · Jetzt ist es offiziell: Der Autobauer Opel legt die Autoproduktion in Bochum ab 2016 still. Das Werk soll aber nicht ganz verschwinden, sondern noch zur "Komponentenfertigung" genutzt werden. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle kritisiert die Konzernmutter GM scharf.

 Schwerer Tag: Der Opel-Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel.

Schwerer Tag: Der Opel-Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel.

Foto: dpa, Caroline Seidel

"2016 endet die Fertigung kompletter Fahrzeuge in Bochum", sagte Opel-Interimschef Thomas Sedran am Montag der dpa in Frankfurt. Damit reagiert der Autobauer auf hohe Verluste durch den Absatzeinbruch in Europa und baut teure Überkapazitäten ab.

In dem 50 Jahre alten Werk könnten bis zu 3000 Stellen wegfallen. Das bedeute aber nicht das Aus für den Standort im Ruhrgebiet, betonte Sedran: "Opel bleibt auch zukünftig in Bochum präsent. Nicht nur mit dem Logistikzentrum, auch mit einer im Detail noch festzulegenden Komponentenfertigung."

Das Warenverteilzentrum mit derzeit 430 Mitarbeitern solle erhalten werden und möglicherweise künftig mehr Menschen beschäftigen: "Wir haben Ideen, wie wir es ausbauen können." In dem geplanten Komponentenwerk könnte nach dpa-Informationen zudem eine dreistellige Zahl von Jobs entstehen.

Zudem spricht Opel seit Juni mit Vertretern des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Bochum und den Arbeitnehmervertretern über alternative Nutzungen des Standortes. Betriebsbedingte Kündigungen will die Adam Opel AG auch über Jobangebote in anderen deutschen Werken oder attraktive Abfindungen vermeiden.

Einenkel fordert erhalt der Getriebproduktion

Angesichts der geplanten Rückstufung des Bochumer Opelwerkes zu einem Ersatzteil- und Komponentenwerk verlangt der Betriebsrat, das Aus für die Bochumer Getriebefertigung zu revidieren. "Wie soll ich denn zukünftig eine Komponentenproduktion einrichten, wenn ich heute schon einen wichtigen Teil schließe", sagte der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel am Montag der dpa.

Die Getriebefertigung mit rund 300 Beschäftigten in Bochum soll nach den bisherigen Planungen 2013 schließen. Wenn Opel für das Werk eine Zukunft als Komponentenwerk plane, passe das mit der Schließung einer wichtigen Komponentenproduktion nicht zusammen, sagte Einenkel.

Bundesregierung erwartet "sozialverträgliche Lösungen"

Die Bundesregierung hat mit großem Bedauern auf das geplante Aus für die Autoproduktion im Opel-Werk Bochum reagiert. "Das ist eim schwerer Schlag für die betroffenen Menschen, für ihre Familien, aber auch für den Industriestandort Bochum", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Montag in Berlin. "Die Bundesregierung sieht Opel als ein wichtiges Traditionsunternehmen der deutschen Automobilindustrie und hat die Erwartung an den Mutterkonzern General Motors, dass er alles unternimmt, um sozialverträgliche Lösungen zu finden."

Die Bundesregierung begrüße zugleich die Absicht, den Logistikstandort zu erhalten und weiter auszubauen. Dass die Schließung erst im Jahr 2016 vollzogen werden solle, gibt den Betroffenen nach den Worten Streiters "wenigstens Zeit, sich neu zu orientieren. Opel-Arbeiter sind bestens ausgebildet und haben in Zeiten des Fachkräftemangels sicher gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt." Auch die Bundesagentur für Arbeit werde helfen, wo sie dies könne.

Ein Sprecher des FDP-geführten Bundeswirtschaftsministerium sagte, die Herausforderung, dem traditionsreichen Industriestandort neue Impulse zu geben seien groß. In der Verantwortung dafür stünden das Land und die Kommune. Opel sei gefordert, die negativen Folgen der Werksschließung abzumildern. Angesichts einiger GM-Entscheidungen wie den fehlenden Zugang zu bestimmten Märkten aber auch dem nicht immer vorbildhaften Umgang mit Mitarbeitern sei "der Ärger der Belegschaft nachvollziehbar", sagte der Sprecher.

NRW-Arbeitminister: Harter Schlag für NRW

NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider fürchtet nach dem angekündigten Aus der Opel-Fertigung in Bochum negative Auswirkungen für das ganze Land. Das geplante Ende der Autoproduktion sei ein "herber Schlag für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen" und bedeute ein "Stück weit Entindustrialisierung", sagte der SPD-Politiker am Montag der Nachrichtenagentur dapd. Nicht nur die rund 3.000 Opel-Arbeitsplätze seien betroffen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette an Zulieferern im Ruhrgebiet. "Das ist eine sehr schwerwiegende Angelegenheit", sagte Schneider.

An der Kommunikation des Opel-Konzerns übte der Minister deutliche Kritik. "Für die Beschäftigten wäre es besser gewesen, wenn ihnen von vornherein klarer Wein eingeschenkt worden wäre", sagte er. In den vergangenen Monaten hätten sie stattdessen eine "Hängepartie" durchlebt.

Nach einem halben Jahrhundert in Bochum habe das Unternehmen nun auch eine "soziale Verpflichtung" für den Standort und dürfe sich dieser nicht entziehen. Zusammen mit der Stadt Bochum und der Wirtschaftsförderung müssten sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und über die künftige Ausrichtung beraten. Nach der Schließung des Nokia-Werkes vor vier Jahren sei Bochum mit dem Opel-Aus innerhalb kürzester Zeit besonders hart getroffen, sagte Schneider.

Zwischenfall mit Security-Männern

Unschöner Zwischenfall: Bei der Betriebsversammlung im Bochumer Opel-Werk wurde ein IG Metall-Vertrauensmann nach Darstellung des Betriebsrates von Security-Leuten zu Boden gestoßen. Er sei aber unverletzt geblieben. Als Opel-Interimschef Thomas Sedran nach seiner kurzen Stellungnahme durch den Hintereingang den Saal verlassen wollte, habe der Vertrauensmann der IG Metall versucht, ihn zur Rede zu stellen, sagte der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel. Der Gewerkschafter sei vom Security-Personal zu Boden gestoßen und gewürgt worden. "Das war schon sehr entwürdigend", sagte Einenkel. Abgesehen von diesem Zwischenfall sei die Versammlung aber friedlich verlaufen.

Experte: Vorläufig keine weiteren Schließungen zu erwarten

Nach dem Aus in Bochum rechnet der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vorläufig nicht mit weiteren Werksschließungen in Deutschland. Opel und Ford hätten durch ihre jüngsten Schließungsentscheidungen wohl ihre Produktionskapazitäten erst einmal ausreichend der gesunkenen Nachfrage angepasst, sagte der Leiter des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen am Montag der Nachrichtenagentur dapd.

Dudenhöffer betonte, für die Hersteller habe es keine Alternative zu Werksschließungen gegeben. Die Kapazitäten in Europa seien einfach zu groß. Die Ankündigung von Opel, in Bochum ein Warenverteilzentrum zu erhalten und eventuell auch eine Komponentenfertigung in der Ruhrgebietsstadt anzusiedeln, bezeichnete Dudenhöffer als "kleinen Hoffnungsfunken".

Doch empfahl er Bochum, die Zeit bis zum Auslaufen der Zafira-Produktion 2016 zu nutzen und "selbstbewusst über eine Zukunft nach Opel nachzudenken". Ein Vorbild könne hier Dortmund sei, das mit einem Industriepark an der Universität zukunftsweisende Unternehmen angelockt habe.

"GM hätte besser Ellesmere Port schließen sollen"

Dudenhöffer wirdft dem Opel-Mutterkonzern GM allerdings schwere strategische Fehler vor. Statt Bochum Ende 2016 zu schließen, hätte GM das englische Opel-Werk in Ellesmere Port kurzfristig dichtmachen sollen. In England wäre eine kurzfristige Schließung rechtlich möglich gewesen, sagte Dudenhöffer. Für die deutschen Werke gilt eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2014. Mit Ellesmere Port hätte GM wie Konkurrent Ford schon 2013/2014 spürbar Überkapazitäten abbauen können, sagte Dudenhöffer.

Ellesmere Port hatte Mitte 2012 den Zuschlag für die Astra-Produktion und damit eine dauerhafte Sicherung bekommen, nachdem die Mitarbeiter dort einer Lohnsenkung zugestimmt hatten. "Damit hat GM 5 Euro gewonnen, aber 500 Euro verloren", sagte Dudenhöffer.

(APD)
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