Die Ökonomin Mindestlohn – entweder schädlich oder überflüssig

Eine ganz große Koalition will Mindestlöhne. Doch sie sind ein Zeichen für die Schwäche der Tarifpartner und die Selbstüberschätzung des Staates.

Der Wahlkampf ist auch deshalb so langweilig, weil die Parteien in manchen Fragen nahezu das Gleiche wollen. SPD und Grüne fordern einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Die Linkspartei will mindestens zehn Euro. Die Union will einen Mindestlohn, der bei ihr Lohnuntergrenze heißt und nur in Branchen ohne Tarif gelten soll. Selbst die FDP ist statt früher ganz dagegen nun ein ein bisschen dafür.

Ein Argument lautet: 21 von 28 EU-Länder haben einen Mindestlohn. Stimmt. Doch entweder gibt es in Ländern wie England keine anderen scharfen Regulierungen des Arbeitsmarktes, wie Deutschland sie mit seinem Kündigungsschutz hat. Oder die Länder haben eine enorme Arbeitslosigkeit. Was nützt den Franzosen ihr Mindestlohn von 9,43 Euro, wenn elf Prozent von ihnen ohne Arbeit sind? Dänemark und Schweden übrigens, für viele die Instanz in Fragen des Wohlfahrtsstaats, kommen ohne gesetzliche Grenze aus. Die Gewerkschaften dort sehen Mindestlöhne als Zeichen von Schwäche. Genau das ist es. In Deutschland etwa hat die Baubranche Mindestlöhne, weil sich Betriebe und IG Bau nur so die preiswerte ausländische Konkurrenz vom Halse halten können.

Der Staat kann nicht besser als der Markt wissen, welcher Lohn zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt führt. Setzt der Staat den Mindestlohn zu niedrig an, ist er überflüssig. Setzt er ihn zu hoch an, werden Betriebe all die Menschen nicht mehr beschäftigen können, deren Wertschöpfung pro Stunde geringer ist als ihr Stundenlohn. Genau jenen Geringqualifizierten, denen die ganz große Koalition helfen will, schadet sie. Ein Anstieg von Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit ist programmiert.

Und was ist mit Betrieben, die nur drei Euro zahlen und darauf setzen, dass die Mitarbeiter aufstockend Hartz IV beantragen? Entweder erwirtschaften die Mitarbeiter tatsächlich nur so wenig, dann ist es besser, sie arbeiten Hartz-subventioniert als gar nicht. Oder die Betriebe sind schlicht brutale Ausbeuter, dann werden Konkurrenten ihnen hoffentlich bald alle Arbeitnehmer abwerben. Für den Staat aber besteht kein Handlungsbedarf.

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(RP)
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