Medeor - Medikamente ohne Grenzen

Tönisvorst · Das Hilfswerk Action Medeor versorgt Menschen nach Naturkatastrophen wie dem schweren Erdbeben auf Haiti oder in Bürgerkriegsgebieten wie Syrien mit Medikamenten. Vor 50 Jahren wurde es in Tönisvorst gegründet.

Eingestürzte Häuser und Menschen, die vor den Überresten ihres Zuhauses in Zelten hausen - es waren kriegsähnliche Zustände, die Apothekerin Shushan Tedla im vergangenen November auf den Philippinen vorfand. "Haiyan" war gerade über das Land hinweggefegt. Es war der schwerste Taifun, der die Philippinen je getroffen hat. "Die Infrastruktur war völlig zerstört, sämtliche Straßen geschlossen, es lag einfach alles auf der Erde", erinnert sich Tedla. Die 32-Jährige versorgte vor Ort als Mitarbeiterin des Hilfswerkes Action Medeor Menschen mit Medikamenten. "Die Leute waren in den Morgenstunden von dem Taifun überrascht worden, jetzt hatten sie nichts mehr."

Für die schnelle Hilfe bei Katastrophen ist das Medikamentenhilfswerk mit Sitz in Tönisvorst weltbekannt und geschätzt. In diesem Jahr feiert es einmal sich selbst: Heute wird es 50 Jahre alt. Begonnen hat alles, als der Arzt Ernst Boekels, einer der Gründerväter, im Jahr 1964 damit begann, die zahlreichen Medikamente, die Ärzte als Muster von den Pharma-Unternehmen zugesandt bekamen, einzusammeln. Drei Jahre später stellte sich das Hilfswerk auf die Bedürfnisse seiner Empfängerländer um und ließ Generika der wichtigsten Medikamente herstellen.

Insgesamt 60 Mitarbeiter hat das Medikamentenhilfswerk heute. Eine davon ist Shushan Tedla, die in Tönisvorst, dem Sitz der Action Medeor, wohnt. Geboren wurde die 32-Jährige in Eritrea, wo sie auch studiert hat. Eigentlich wollte sie Ärztin werden. Da es den Studiengang Medizin an ihrer Universität aber noch nicht gab, als sie das Studium aufnahm, wählte sie das Fach, "das dem am nächsten steht": Pharmazie. Die junge Pharmazeutin kam dann über den Deutschen Akademischen Austauschdienst nach Heidelberg, wo sie ihren Master in "Public Health" machte. "Mein Ziel ist es, die Gesundheit vor allem der armen Menschen zu verbessern", sagt die zierliche junge Frau. Durch ein Praktikum lernte sie Action Medeor kennen - und blieb am Niederrhein. Seit zwei Jahren arbeitet sie als Apothekerin in der Qualitätssicherung des Hilfswerkes.

Doch auch vor Ort, in den Krisengebieten, ist sie tätig. Keine leichte Aufgabe, denn was die Mitarbeiter des Hilfswerkes oft vorfinden, ist Zerstörung. So auch vor neun Monaten auf den Philippinen. Der Taifun "Haiyan" hatte eine Schneise der Verwüstung hinterlassen, tausende Menschen fielen ihm zum Opfer. Zwei Wochen, nachdem der Taifun das Land erreicht hatte, flog Tedla mit ihrer Kollegin Katharina Wilkin ins Katastrophengebiet. Zusammen mit den Salesianern Don Boscos richteten sie in Cebu-City auf der Insel Cebu eine Station in der Bibliothek eines Klosters ein, von der aus sie Medikamente verteilten, um Gesundheitsstationen und Krankenhäuser mit dem Nötigsten zu versorgen. Gefragt waren vor allem Antibiotika, Schmerzmittel und Verbandsmaterial. Nach fünf Tagen hatten sie zwölf Tonnen Medikamente eingeräumt.

Für Shushan Tedla war es der erste Katastropheneinsatz - und trotz aller Not ein beeindruckendes Erlebnis. "Mich hat der Durchhaltewillen der Menschen beeindruckt. Sie sind sofort nach der Katastrophe wieder aufgestanden, haben einander geholfen. Trotz allem sah ich oft lächelnde Gesichter."

Heute steckt die Action Medeor mitten in einem großen Umbruch. Neben der Katastrophenhilfe wie etwa nach dem Erdbeben auf Haiti, dem Taifun auf den Philippinen oder dem Bürgerkrieg in Syrien verlagert das Hilfswerk als "Notapotheke der Welt" seine Tätigkeit immer mehr in die Gesundheitsaufklärung und Verbesserung der Selbstversorgung. 50 Jahre nach der Gründung verwirklicht das Hilfswerk die Vision, Medikamente in Afrika direkt zu verteilen und sogar vor Ort zu produzieren. In Tansania hat das Hilfswerk ein eigenes Medikamentenlager errichtet, ein weiteres ist in Malawi geplant. Zuletzt flog Apothekerin Shushan Tedla nach Kenia, Uganda, Ghana und in den Südsudan, um vor Ort Betriebe zu beraten. Im Krisengebiet Südsudan musste sie sich an strenge Sicherheitsvorkehrungen halten. Für sie gehört das heute zu ihrem Job.

(RP)
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