Meinolf Sprink "Eitelkeiten behindern den Sport im Kreis"

Dormagen · Der Direktor Fans/Soziales beim Fußball-Top-Club Bayer Leverkusen sprach auf dem blauen Sofa der NGZ mit Redaktionsleiter Ludger Baten.

 Meinolf Sprink stellte sich in der VR Bank Dormagen den Fragen von NGZ-Redaktionsleiter Ludger Baten. Dabei ging es um die Fußball-EM, aber auch um den Sport im Rhein-Kreis Neuss. NGZ-Foto: Lothar Berns

Meinolf Sprink stellte sich in der VR Bank Dormagen den Fragen von NGZ-Redaktionsleiter Ludger Baten. Dabei ging es um die Fußball-EM, aber auch um den Sport im Rhein-Kreis Neuss. NGZ-Foto: Lothar Berns

Foto: Fußball-Fachmann

Herr Sprink, sind Sie angesichts der Europameisterschaft in Frankreich im Fußballfieber?

Meinolf Sprink Nein. Ich bin da ganz ehrlich: Ich gucke mir die Spiele zwar an, bin aber noch nicht so richtig im Turnier angekommen. Dies ändert sich, wenn am Samstag die K.o.-Runden beginnen. Bis jetzt war alles nur Vorgeplänkel.

Haben Sie auch den Eindruck, dass die teilnehmenden Teams vor allem ihre Defensive gestärkt haben?

Sprink Das ist eindeutig der Trend. Der Stürmer ist gleichzeitig der erste Verteidiger. Italien zum Beispiel hat die Frage "Wie spiele ich defensiv?" seit Jahrzehnten verinnerlicht. Aber es geht natürlich auch darum, wie ich die Pille nach vorne bekomme. Das lässt sich nicht alles taktisch durchplanen. Am Ende des Tages werden die üblichen Verdächtigen den Titel unter sich ausmachen: Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland, vielleicht Belgien oder Kroatien. An die Engländer glaube ich nicht. Die sind meistens gegen Ende eines Turnieres platt.

Die großen Wettbewerbe sind für die europäischen Spitzenclubs so etwas wie ein Schaulaufen guter Spieler...

Sprink Wenn Real Madrid sagt: "Wir brauchen jetzt einen neuen Spieler" und dafür 100 Millionen Euro investiert, setzt sich das nach unten fort. Der Club, der die 100 Millionen kassiert, kauft bei anderen Vereinen ein, die stecken das Geld ebenfalls in neue Akteure und so weiter. Das ist wie eine Spirale. Wir sind mit Bayer 04 Leverkusen beim Umsatz in Europa unter den Top 20, da müssen wir bei Transfers schneller sein als Andere. Entscheidend ist, vorbereitet zu sein. Unsere Scouts gucken auch gezielt bei den kleineren Fußball-Nationen. Aber das Scouting-System läuft das ganze Jahr über. In unserer Datenbank sind über 1000 Spieler unterschiedlicher Positionen eingespeist.

Eine Art Rasterfahndung...

Sprink Nehmen wir das Beispiel des Schweizer Nationalspielers Admir Mehmedi, den wir vor einem Jahr nach Leverkusen geholt haben. Der spricht - so meine ich - sieben Sprachen, kommt mit jedem aus. Da weiß ich: Der ist schnell integrierbar, da habe ich keine Startschwierigkeiten. Das kann ein entscheidender Vorteil gegenüber der Konkurrenz sein, unabhängig wie sich ein Spieler dann weiterentwickelt.

Doch trotz aller detaillierten Planungen, aller akribischen Vorbereitungen der großen Vereine wird in England ein Underdog wie Leicester City Meister.

Sprink Das ist ein tolles Märchen, zweifelsohne. Aber auch nur eine Momentaufnahme, die sich nicht wiederholen wird.

Welches Ziel hat sich Bayer 04 Leverkusen für die neue Saison gesetzt?

Sprink Wir haben die Verpflichtung, uns für das internationale Geschäft zu qualifizieren. Wobei die Plätze sechs oder sieben in der Tabelle nicht wirklich befriedigend für uns wären. Doch realistisch betrachtet, gibt es dafür acht bis neun Bewerber plus ein bis zwei Überraschungsmannschaften. Und an die Fleischtöpfe wollen immer mehr ran. Auch RB Leipzig, obwohl ich im ersten Jahr nach dem Aufstieg noch nicht mit ihnen rechne. Ein Traum wäre für uns die Teilnahme am DFB-Pokal-Finale in Berlin. So etwas bedeutet für die eigene Stadt einen Ausnahmezustand.

Wie ist es mit einem Angriff auf Bayern München?

Sprink Ich müsste doch mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn ich die Meisterschaft für uns als Ziel ausgeben würde. Die Bayern hatten früher 13, 14 Leute auf Top-Niveau, heute sind es 25. Da kann das Ziel nur sein, die Abstände zu ihnen zu verkürzen.

Spielt der Nachwuchs im Spitzenfußball keine Rolle mehr?

Sprink Doch. Die billigsten Spieler sind schließlich die aus den eigenen Reihen. Aber du kannst nicht nur mit 19-Jährigen spielen. Du musst schauen, dass du die Balance hinbekommst.

Bei Bayer 04 Leverkusen waren Sie schon in verschiedenen Führungspositionen tätig. Aktuell sind sie Direktor für Fans und Soziales. Welche Aufgaben übernehmen Sie da?

Sprink Wie es der Zufall wollte, habe ich bis jetzt alle sieben Jahre unterm Bayer-Kreuz etwas Anderes gemacht. Die Fans sind mittlerweile zu Kunden geworden, auch wenn sie das nicht gerne hören. Wir müssen uns überlegen, was wir für sie für ein rundum schönes Fußballerlebnis tun können. Außerdem sind wir ein Teil der Gesellschaft vor Ort. Bin ich als großes Unternehmen oder als Club erfolgreich, muss ich am Standort Flagge zeigen und was zurückgeben, in den Schulen, für die Flüchtlinge, für andere Vereine und Einrichtungen in der Stadt. Das koordiniere ich.

Sie sind als Vorstandsmitglied bei der Sparkassenstiftung Sport im Rhein-Kreis Neuss tätig. Wie sehen Sie die Entwicklung des Sports im RheinKreis?

Sprink Ein ganz schwieriges Thema. Im Rhein-Kreis bemüht man sich stets, etwas auf den Weg zu bringen, und manche Sportarten ploppen mal mit Erfolgen auf, verschwinden dann aber wieder. In den Hauptsportarten müssen zu große Summen aufgebracht werden, und das auf Strecke. Die einzige Möglichkeit, im Kreis Sportler bis zur Olympiateilnahme zu bringen, ist die Besetzung von Nischen. Und das gelingt ja auch - beim Säbelfechten, beim Ringen der Frauen und beim Bahnvierer der Radsportler aus Büttgen. Im Großen und Ganzen fehlt jedoch die Infrastruktur, siehe Neusser HV. Die Drittliga-Handballer spielen im Hammfeld in einer alten Schulsporthalle. Leider haben wir es in Neuss bisher nicht auf die Reihe gekriegt, eine Halle zu bauen, die heutigen Ansprüchen für größere Veranstaltungen genügt.

Im Handball spielen in der neuen Saison drei Vereine aus dem Rhein-Kreis in der 3. Liga. Sollten die Kräfte nicht besser konzentriert werden?

Sprink Eigentlich müsste man das Thema wirklich kalt wie eine Hundeschnauze betrachten und gemeinsame Sache machen. Aber meistens können die Eitelkeiten einiger Leute nicht zurückgestellt werden. Viele Lokalduelle sind zwar schön - aber so wird es mit der Entwicklung im Sport nicht voran und weiter nach oben gehen.

LUDGER BATEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH MIT MEINOLF SPRINK, DAS STEFAN SCHNEIDER ZUSAMMENFASSTE.

(NGZ)
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