Serie Als Flüchtling In Hückeswagen (ende) Afghanen sind im Iran Menschen zweiter Klasse

Hückeswagen · Saeed Shams und seine Frau Nasimah Mohamadi sind mit ihren beiden Kindern seit einem guten halben Jahr in Hückeswagen. Die Familie ist aus dem Iran geflohen. Die Familie schützt derzeit ein Abschiebeverbot

 Sehen ihre Zukunft in Deutschland: Die Eheleute Nasimah Mohamadi Saeed Shams mit ihrem jüngeren Sohn Roham.

Sehen ihre Zukunft in Deutschland: Die Eheleute Nasimah Mohamadi Saeed Shams mit ihrem jüngeren Sohn Roham.

Foto: Jürgen Moll

Hückeswagen Die Situation von Saeed Shams, seiner Frau Nasimah Mohamadi und den beiden Kindern Saman und Roham ist kompliziert - wie die so vieler Flüchtlingsfamilien in Deutschland. Der 30-Jährige stammt eigentlich aus Herat in Afghanistan, musste wegen familiärer Probleme aber seine Heimat verlassen und ist nach Teheran im Iran geflohen. "Dort sind immer wieder Menschen aus Afghanistan untergekommen, schon seit der Besatzung durch die Sowjetunion. Wir sind dort aber Menschen zweiter Klasse", sagt der junge Mann.

Im westlichen Nachbarland lernte er seine spätere Frau Nasimah kennen, die selbst zwar im Iran geboren wurde, aber ebenfalls afghanische Wurzeln hat. Die beiden verliebten sich, heirateten und bekamen schließlich zwei Kinder. Zwischendurch, im Jahr 2011, wurde Saeed aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben, wo er jedoch nicht bleiben konnte. Also ging er wieder zurück zu seiner Frau. "Die iranische Polizei behandelt uns Afghanen ohne Aufenthaltsgenehmigung jedoch sehr schlecht und willkürlich, auch durfte unser älterer Sohn nicht in die Schule gehen", erzählt Shams.

Da der Kontakt zu seiner Familie komplett abgebrochen war, wusste die junge Familie - der zweite Sohn Roham war gerade geboren worden - nicht mehr weiter. "So haben wir uns zur Flucht in den Westen entschlossen", sagt Nasimah Mohamadi.

Diese Flucht war abenteuerlich und gefährlich. Sie führte die vierköpfige Familie zunächst zu Fuß durch teils meterhohen Schnee über die Berge in die Türkei. "Dort sind wir dann mit 70 Menschen in einem kleinen Schlauchboot übers Meer nach Griechenland gefahren", erinnert sich Shams, und seine Frau ergänzt: "Wir mussten immer wieder Luft in das Boot pumpen, damit es nicht untergeht. Meinen einjährigen Sohn hatte ich dabei immer vor die Brust gebunden." Von Athen aus ging es mit Bus und Zug über die Balkanroute bis nach München, der ersten Station in Deutschland. "Wir sind dann über Frankfurt, Essen und Dortmund nach Ahlen gekommen. Dort haben wir für sieben Monate in einem Camp gewohnt", erzählt der 30-Jährige.

Vor etwa einem halben Jahr ist die Familie in die Schloss-Stadt gekommen. "Mario Moritz vom Sozialamt hat uns in der Stadt herumgeführt. Zum Glück konnten wir schon ein paar Brocken Deutsch, die wir im Camp aufgeschnappt haben", erzählt die 29-Jährige. Sie hat in Deutschland einige Ähnlichkeiten zu ihrer alten Heimat entdeckt, erlebt aber auch vieles natürlich als völlig anders. "Hier ist es ein Zeichen der Ehrerbietung, wenn man sich die Hand zur Begrüßung schüttelt. Das ist bei uns ganz anders", sagt sie. Ebenso die Verkehrsregeln, wie ihr Mann schmunzelnd ergänzt: "Die Menschen hier halten sich daran, dass man bei Rot an der Ampel stehen bleibt." Dafür seien die Nahrungsmittel gar nicht so unterschiedlich: "Obst und Gemüse gibt es hier genau wie im Iran. Ich koche aber in der Regel traditionelle Gerichte aus meiner Heimat", sagt Nasimeh Mohamadi. Ihr Mann ergänzt: "Manchmal gibt es auch Spaghetti oder eine Pizza."

Ihre Zukunft sieht die Familie in Deutschland: "Wegen der Taliban und des IS ist die Situation in Afghanistan zu unsicher. Wir sind gekommen, um hier leben und arbeiten zu können", sagt Shams. Der Status, den die Familie hat, ist indes kompliziert: Weil sie aus dem Iran gekommen ist, wird sie hier nicht als Flüchtlinge anerkannt. Da ihnen aber bei einer Rückkehr eine unsichere und gefährliche Zukunft bevorstünde, bekamen sie aus humanitären Gründen vom Bundesamt für Migration ein Abschiebeverbot erteilt. Das ist befristet, in der Folge kann das Ausländeramt der Familie eine Aufenthaltsgenehmigung zwischen einem und drei Jahren erteilen.

Damit sie sich schnellstmöglich integrieren können, gehen die Eltern in Deutschkurse. Die Verpflichtung dazu haben sie, im Gegensatz zu anerkannten Flüchtlingen, nicht. Saeed Shams besucht derzeit gleich drei Kurse, seine Frau geht in einen. Der achtjährige Saman ist in der Grundschule Wiehagen, sein zweijähriger Bruder Roham geht ab August in den Kindergarten Kreuzkirche. Der Jüngste übt schon fleißig die neue Sprache mit den Eltern: "Das Geschenk", sagt er und deutet auf ein Brausestäbchen, das er zuvor bekommen hat. Dabei strahlt der Knirps übers ganze Gesicht.

(RP)
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