Analyse Hartung gelingt Spagat zwischen Sport und Studium

Dormagen · Mit der Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften in Moskau hat sich Max Hartung zur Nummer eins der deutschen Säbelfechter aufgeschwungen. Bundestrainer Vilmos Szabo möchte ihn im nächsten Jahr in Rio zu einer olympischen Medaille führen.

Wäre Max Hartung Fußballer, der 25-Jährige hätte für den Rest seines Lebens ausgesorgt, noch nicht vorhandene Kinder und Enkelkinder eingeschlossen. Welt- und Europameister mit der Mannschaft, Vize-Europameister und WM-Dritter im Einzel, alles innerhalb eines Jahres - solche Erfolge würden im Fußball (und in zwei, drei anderen Sportarten) fürstlich honoriert.

Weil sich der Dormagener im zarten Alter von sieben Jahren, angeregt durch die Fecht-Arbeitsgemeinschaft der Regenbogen-Grundschule, aber mehr für den Säbel als fürs runde Leder interessierte, stellt Max Hartung lapidar fest: "Wir sind für jeden Cent Unterstützung dankbar."

Denn leben kann vom Fechten keiner, zumindest in Deutschland nicht. Dass er und seine Teamkollegen Nicolas Limbach. Matyas Szabo und Benedikt Wagner bei ihrem Leistungssport mit oftmals zwei Trainingseinheiten pro Tag, mit Wettkampfreisen zu Weltcupturnieren zwischen Chicago und Seoul nicht noch draufzahlen, haben sie allein Stiftungen wie der Deutschen Sporthilfe, der Sportstiftung NRW, der lokalen Sparkassenstiftung Sport und ein paar Unterstützern wie den Partnern für Sport und Bildung zu verdanken.

Und den TSV Bayer Dormagen nicht zu vergessen. Der "entlohnt" seine fechtenden Aushängeschilder zwar nicht. Doch er sorgt für die Rahmenbedingungen in Form von Sportstätten und erstklassigen Trainern. Vilmos Szabo, der Bundes- und Heimtrainer zugleich ist, sei "der beste Säbeltrainer der Welt", schwört das noch bis morgen amtierende Weltmeisterquartett.

Doch damit ist es im Fechten nicht getan. Um überhaupt trainieren zu können, vor allem aber, um besser zu werden, braucht man Gegner - und das möglichst gute. Und hier fangen die Probleme an, wenn Spitzensportler keine Vollprofis sind. Sie müssen nicht nur zur gleichen Zeit die Möglichkeit zum Training haben, sie müssen vor allem erst einmal zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein.

Nicolas Limbach zum Beispiel war im Jahr nach dem historischen Mannschaftstriumph bei der WM in Kazan kaum in Dormagen. Erst ein Auslandssemester in Shanghai, dann eines in New York, für das der 29-Jährige sogar auf den Teamwettbewerb bei der EM (und den Titel) verzichtete. Ob das der Grund war, weshalb Platz 18 in Moskau seine schlechteste WM-Platzierung bedeutete, seit er 2007 in St. Petersburg Bronze gewann, wird nur er wissen. Nach der 11:15-Niederlage gegen den Südkoreaner Eunseok Oh stellte er jedenfalls ernüchtert fest: "Es ist im Augenblick nicht mein bestes Fechten."

Limbach, Szabo und vor allem Wagner werden sich in den weiteren Weltcup- und Ausscheidungsturnieren steigern müssen, damit einer von ihnen noch die Fahrkarte zu den Olympischen Spielen löst. Max Hartung hat sie so gut wie sicher: "Ich bin bei den zwei wichtigsten Wettkämpfen des Jahres als bester Deutscher und mit einer Medaille rausgegangen. Es ist wohl davon auszugehen, dass ich in Rio starten werde", sagt der 25-Jährige selbstbewusst, "es ist das mit Abstand beste Jahr meiner Karriere."

Vilmos Szabo ist die bloße Olympiateilnahme seines Schützlings - es wäre die zweite nach London, wo Hartung Platz sieben belegte - zu wenig. "Wir müssen es irgendwie so hinbekommen, dass er sich nicht nur für Olympia qualifiziert, sondern dort auch eine Medaille holt", sagt der Bundestrainer, der mit WM-Bronze durchaus zufrieden war: "Das war Klasse. Er hat den schwersten Lauf gehabt, sich gegen Weltklasse-Leute durchgesetzt."

Das Problem: Nach einem Auslandssemester im benachbarten Belgien und einem Urlaubssemester mit entsprechend viel Training am heimischen Höhenberg nimmt Max Hartung ab September wieder sein Studium (Soziologie, Politik und Wirtschaft) in Friedrichshafen auf. "Da müssen wir uns etwas ausdenken. Vielleicht fährt ein Trainer mit zwei, drei Fechtern zu ihm", sagt Szabo, "Geld darf da keine Rolle spielen." Mit Fußballern hätte er es in dieser Hinsicht einfacher.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort