Über Zwischenhändler in der Schweiz DDR verkaufte Blut von Häftlingen in den Westen

Mainz/Berlin · Die DDR hat nach Erkenntnissen der Stasi-Unterlagen-Behörde Häftlinge zum Blutspenden gezwungen und die Präparate in den Westen verkauft. Auf diese Weise verschaffte sich das klamme SED-Regime dringend benötigte Devisen, wie das ARD-Politmagazin "Report Mainz" am Dienstag unter Berufung auf eine noch unveröffentlichte Studie der Behörde berichtete.

Zudem sollen sehr viel mehr westdeutsche Firmen als bisher bekannt von der Zwangsarbeit politischer DDR-Häftlinge profitiert haben. Demnach ließen zahlreiche Unternehmen vor allem in den 70er und 80er Jahren billig in DDR-Betrieben produzieren, die auch Häftlinge zur Arbeit einsetzten. Das Magazin nannte unter anderem den Lebensmittel-Discounter Aldi.

Der Möbelkonzern Ikea hatte 2012 eingeräumt, spätestens seit Anfang der 1980er Jahre vom Einsatz politischer Häftlinge für die Möbelproduktion der Firma gewusst zu haben.

Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, sagte dem Magazin: "Das Forschungsprojekt hat gezeigt: Ikea war nur die Spitze des Eisbergs." Der Autor der Studie, Tobias Wunschik, sagte: "Es lässt sich aus Teilzahlen ungefähr abschätzen, dass jährlich mindestens 200 Millionen DM mit Waren umgesetzt wurden, die allein auf Häftlingsarbeit beruhten."

Eine umfassende Studie über Häftlingsarbeit in der DDR und den darauf aufbauenden Ost-West-Handel soll am kommenden Montag unter dem Titel "Knastware für den Klassenfeind" veröffentlicht werden.

Bezug von Blutpräparaten in den 80er Jahren

Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) kaufte die Blutspenden über einen Schweizer Zwischenhändler auf. Gegenüber "Report Mainz" bestätigte das BRK den Bezug von Blutpräparaten in den 80er Jahren. Nach Angaben der Behörde für die Stasi-Unterlagen war es in den Haftanstalten Gräfentonna (Thüringen) und Waldheim (Sachsen) zu derartigen Blutspenden gekommen. Gegenüber dem TV-Magazin räumte der damalige Vize-Chef des Bezirksinstituts für Blutspende- und Transfusionswesen Erfurt, Rudolf Uhlig, ein: "Wir haben dort Blutspendetermine durchgeführt." Gespendet hätten in Gräfentonna nur Häftlinge. Aus Stasi-Akten gehe hervor, dass dies nicht freiwillig geschah.

"Wir bedauern zutiefst, dass es unter einer anderen Führung des BRK diese Vorkommnisse in den 80er Jahren gegeben hat", teilte das Bayerische Rote Kreuz mit. Es sei aber nicht mehr nachzuvollziehen, ob man damals gewusst habe, dass das Blut von Häftlingen stammt. Der Sprecher der sechs deutschen regionalen Rotkreuz-Blutspendedienste, Friedrich-Ernst Düppe, sagte der Nachrichtenagentur dpa, neben dem BRK habe kein weiterer Regionaldienst die DDR-Blutpräparate bezogen.

Stellungnahme von Volkswagen

Volkswagen unterstrich in einer Stellungnahme, dass das Unternehmen "jede Form der Zwangsarbeit und wissentlichen Nutzung von Zwangs- und Pflichtarbeit" ablehne. Man wisse aber nichts darüber, dass möglicherweise Gefangene in DDR-Betrieben für Lieferungen an VW mitgearbeitet hätten. Der Konzern räumte zwar ein, zwischen 1978 und 1984 für Golf-Lieferungen in die DDR bei Kompensationsgeschäften etwa Lampen oder Radschrauben vom VEB Kombinat Fahrzeugelektrik Ruhla erhalten zu haben. Ein Sprecher betonte aber: "Volkswagen hat den Einsatz von Häftlingen in DDR-Betrieben weder veranlasst noch wissentlich gebilligt oder gar davon profitiert."

(dpa)
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