Mehrere Tote und Verletzte Israel stürmt Schiff mit Hilfsgütern

Gaza (RPO). Israelische Kriegsschiffe haben am frühen Montagmorgen einen internationalen Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für den Gazastreifen angegriffen. Dabei wurden mindestens 19 Menschen getötet. Die Türkei protestierte gegen das Vorgehen der Israelis. In Istanbul kam es zu ersten Demonstrationen.

Gaza 2010: Israelische Marine greift Hilfskonvoi an
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Gaza 2010: Israelische Marine greift Hilfskonvoi an

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Foto: AFP

Der israelische Industrie- und Handelsminister Benjamin Ben Elieser drückte sein "Bedauern über die Toten" aus. Die Fernsehbilder von der Erstürmung seien "nicht schön", "ich kann nur mein Bedauern über alle diese Toten äußern", sagte Elieser dem israelischen Militärrundfunk. Die Armee habe nicht die Absicht gehabt, das Feuer zu eröffnen, "aber es gab eine enorme Provokation", fügte Elieser hinzu. Die Soldaten seien mit Äxten und Messern "erwartet" worden, "und wenn dann noch jemand versucht, Ihnen Ihre Waffe wegzunehmen, dann fängt man an, die Kontrolle über die Lage zu verlieren", sagte der Minister weiter. Es war die erste israelische Reaktion auf den Einsatz.

Ein Sprecher der an der Flottille beteiligten türkischen Hilfsorganisation IHH sagte AFP am Telefon, bei der Erstürmung des türkischen Schiffs "Mavi Marmara" seien zwei Menschen getötet und 30 weitere verletzt worden. Der Kontakt zur Flottille sei inzwischen abgebrochen. Diese Version wurde vom türkischen Außenministerium bestätigt. Die israelischen Streitkräfte sprachen am Montag vom Tod mindestens vier pro-palästinensischer Aktivisten.

Nach einem unbestätigten Bericht des von der Hamas betriebenen Fernsehsenders El Aksa wurden bis zu 20 Menschen getötet, neun davon türkische Staatsbürger. In dem Bericht war zudem von etwa 50 Verletzten die Rede. Ein Sprecher der an dem Hilfseinsatz beteiligten türkischen Organisation IHH sagte der Nachrichtenagentur AFP, bei der Erstürmung seien 15 Menschen getötet worden. Der Kontakt zur Flottille sei abgebrochen.

Rund 700 Aktivisten an Bord

Der aus sechs Schiffen bestehende Konvoi hatte am Sonntag vor Zypern die 400 Kilometer lange Reise zum Gazastreifen begonnen. Israel hat damit gedroht, die Schiffe aufzuhalten. Israelische Kriegsschiffe hatten am Sonntagabend ihre Stützpunkte verlassen, um die Hilfsflotte zu stoppen. Das israelische Außenministerium teilte mit, auf den Schiffen konfiszierte Hilfsgüter würden auf den zulässigen Wegen nach Gaza geschickt.

An Bord der sechs Schiffe, denen als "zweite Welle" noch zwei weitere folgen sollen, sind unter anderen die Friedensnobelpreisträgerin von 1976, Mairead Corrigan Maguire, europäische Parlamentarier wie die Linken-Abgeordneten Inge Höger und Annette Groth und ein Holocaust-Überlebender. Prominentester Mitstreiter ist Henning Mankell. Der schwedische Bestsellerautor, der sich seit Jahren im südlichen Afrika engagiert, sieht "erschreckend viele Parallelen" zwischen Südafrika unter der Apartheid und dem Konflikt im Nahen Osten.

Die Aktivisten wollen Material nach Gaza bringen, dessen Einfuhr von Israel und Ägypten nach der Machtübernahme der Hamas im Juni 2007 verboten wurde. Dazu gehören Baustoffe wie Zement. Die Frachter haben nach Angaben der Organisatoren zudem Fertighausteile, Wasserreinigungsanlagen und mehrere hundert Rollstühle mit Elektromotoren geladen. Insgesamt handelt es sich um etwa 10.000 Tonnen Hilfsgüter.

Über die Zustände an Bord der drei Passagier- und drei Frachtschiffe war zunächst wenig zu erfahren. Satellitentelefone mussten ausgeschaltet werden, und die Kommunikation mit einer kleinen Gruppe von Journalisten, die mit dem israelischen Militär unterwegs war, wurde blockiert.

Verstimmung in der Türkei

Unterdessen warnte die Türkei Israel vor möglichen "irreparablen Folgen". "Wir verurteilen diese unmenschlichen Praktiken Israels scharf", erklärte das türkische Außenministerium am Montag in Ankara. Der israelische Militäreinsatz, stelle einen "klaren" Bruch gegen internationales Recht dar und könne zu "irreparablen" Konsequenzen in den bilateralen Beziehungen führen.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bricht wegen des Vorfalls laut Fernsehberichten seine Südamerika-Reise ab. Erdogan werde vorzeitig in die Türkei zurückkehren, berichtete der türkische Nachrichtensender NTV am Montagmorgen. In Ankara kamen unterdessen mehrere Minister und Generäle der Streitkräfte unter Leitung von Vize-Premier Bülent Arinc zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.

Zuvor hatte die türkische Regierung den israelischen Botschafter einbestellt. Botschafter Gabby Levy sei am Montag ins Außenministerium in Ankara bestellt worden, sagte ein türkischer Diplomat, der nicht namentlich genannt werden wollte, der Nachrichtenagentur AFP.

Zudem beruft die Türkei ihren Botschafter aus Israel ab. Außerdem sagte die Regierung in Ankara drei gemeinsame Militärmanöver mit Israel ab und verlangte eine Dringlichkeitssitzung des Weltsicherheitsrates, wie der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arinc am Montag sagte.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Erstürmung der Flottille scharf: Der Einsatz der israelischen Armee sei ein "Massaker". Er verhängte drei Tage Staatstrauer in den Palästinensergebieten. Die EU-Außenministerin Catherine Ashton forderte eine "umfassende Untersuchung" des Vorfalls. Das teilte ein Sprecher Ashtons in Brüssel mit.

Proteste in Istanbul

Die Erstürmung der Flottille hat zudem anti-israelische Proteste in Istanbul ausgelöst. Mehrere hundert Demonstranten versuchten nach Medienberichten am frühen Montagmorgen, ins israelische Generalkonsulat in der türkischen Metropole vorzudringen. Die Menge bewarf das Konsulatsgebäude mit Steinen. Die Polizei drängte die Demonstranten mit Wasserwerfern und Reizgas ab.

Wie die Online-Ausgabe der Zeitung "Hürriyet" meldete, appellierten einige Demonstranten an die Solidarität der türkischen Polizisten als Muslime: "Wir sind Muslime, ihr seid Muslime", riefen sie demnach. "Tut ein Muslim einem anderen so etwas an?" Nach dem Polizeieinsatz ließen sich einige Demonstranten vor dem Konsulatsgebäude zu einem Sitzstreik nieder.

(AFP/apn/das/ndi)
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