Ressourcenknappheit Der Kampf ums Wasser

Knapp die Hälfte der Weltbevölkerung wird im Jahr 2030 unter Wassermangel leiden, sagen Wissenschaftler. Weite Teile Afrikas und des Nahen Ostens sind besonders betroffen. Es drohen Kriege.

Ressourcenknappheit: Der Kampf ums Wasser
Foto: dpa, rps jak

Die Sumerer erfanden das Rad und die Keilschrift, sie bauten die ersten Bogengewölbe und verfassten das Gilgamesch-Epos, heute eine der ältesten überlieferten Dichtungen der Menschheit. Vor etwa 4000 Jahren starb die Sprache der Sumerer aus. Sie fiel einer Dürre zum Opfer, die 300 Jahre dauerte. Es war die heftigste Trockenzeit, die Mesopotamien heimsuchte, Euphrat und Tigres führten kaum noch Wasser. Das Zweistromland drohte zu vertrocknen. Aufstände und Kriege trieben die Sumerer auseinander. Das Volk schloss sich anderen Gruppen an und übernahm deren Sprache. Sumerisch hörte man wenig später nirgendwo mehr.

Wasser spendet Leben. Wo es versiegt, verdorren Pflanzen, verenden Tiere. Die Landwirtschaft bricht ein, es kommt zu Unruhen. Knapp die Hälfte der Weltbevölkerung wird im Jahr 2030 unter hohem Wasserstress leiden, sagen Wissenschaftler. Wohin die Wasserknappheit führen kann, zeigt nicht nur die heftige Dürrephase vor 4000 Jahren. Im Nahen Osten hat sie womöglich den Krieg in Syrien mit ausgelöst.

Im Jahr 2006 erfasste eine Dürre weite Teile des Fruchtbaren Halbmonds am Oberlauf von Euphrat und Tigres. Der syrische Präsident Baschar al Assad ermutigte die Landwirtschaft zum Anbau exportfähiger Produkte, die viel Geld einbringen, etwa Baumwolle. Diese muss jedoch meist künstlich bewässert werden - in extrem trockenen Gegenden sehr kostspielig. Die Bauern begannen damit, illegal Brunnen zu graben, um an tiefer liegendes Wasser zu gelangen, damit sie die Felder noch bewirtschaften konnten. Die Folge: Der Grundwasserspiegel sank enorm. Mit der Dürre brach dann die Landwirtschaft in vielen Teilen vollständig ein. Die Getreidepreise schossen in die Höhe, Mangelernährung nahm vor allem bei Kindern zu, weil die Eltern sich kaum noch Lebensmittel leisten konnten. "Die hohen Preise gelten als zusätzlicher Faktor für die Demonstrationen, die zum Arabischen Frühling geführt haben", sagt Martin Keulertz, Dozent an der American University of Beirut.

Einmal im Monat reist Keulertz in seine Heimatstadt Düsseldorf, um dort der Fortuna im Stadion die Daumen zu drücken. Den Rest seiner Zeit widmet er dem Wasser und dessen Verwendung im Nahen Osten. "Wasser wird zur entscheidenden Ressource des 21. Jahrhunderts", sagt Keulertz. Dabei ginge es weniger um die Trinkwasserversorgung als um die Wassermengen, die in der Landwirtschaft gebraucht werden. "In unseren Lebensmitteln steckt der größte Teil unseres Wasserverbrauchs", sagt Keulertz. Der normale Düsseldorfer verbrauche 3000 bis 6000 Liter Wasser pro Tag durch seine Lebensmittel - je nach Fleischappetit. Dieses "virtuelle Wasser", das für die Herstellung von Produkten unerlässlich ist, das wir aber nicht direkt zu uns nehmen, sei das Hauptproblem.

Im Idealfall wird für die Landwirtschaft hauptsächlich sogenanntes grünes Wasser eingesetzt. Es ist das natürlich vorkommende Boden- und Regenwasser, das von Pflanzen aufgenommen wird und verdunstet. "Blaues Wasser" hingegen ist Grund- oder Oberflächenwasser (Seen, Flüsse, Sümpfe), das künstlich zur Herstellung eines Produktes genutzt und nicht mehr in ein Gewässer zurückgeführt wird. In trockenen Gebieten wie im Norden Afrikas, im Nahen Osten, aber auch in Teilen der USA müssen die Landwirte aufgrund mangelnden Niederschlags in bis zu 90 Prozent der Fälle auf dieses "blaue Wasser" zurückgreifen. In Deutschland sind es nur fünf Prozent. Der Trend wird durch den Klimawandel noch verstärkt. "Unglücklicherweise verringert sich der Niederschlag in vielen schon heute unter Wasserknappheit leidenden Gebieten", sagt Petra Döll, Hydrologin an der Goethe-Universität Frankfurt.

Wird es bald also Kriege um Wasser geben? Nicht direkt, sagt Martin Keulertz. "Es ist unwahrscheinlich, dass irgendwann Panzer Flüsse, Seen und Grundwasserquellen bewachen müssen. Dafür ist der Wasserkreislauf zu komplex." Das Konfliktschema sieht anders aus: Circa drei Viertel aller Länder sind Nettoimporteure von Lebensmitteln, um so ihre mangelnden Land- oder Wasserressourcen auszugleichen. Die großen Exporteure liegen in Latein- und Nordamerika sowie in Australien und Indien. "Die Datenlage zeigt aber, dass in einer Reihe von Exportländern wie den USA, China, Indien und Pakistan fossile Grundwasserressourcen stark fallen, die für die Bewässerung der Landwirtschaft genutzt werden. Deshalb gibt es ein noch nicht genau quantifizierbares Risiko im internationalen Agrarhandel", sagt Keulertz.

Da viele Länder des Nahen Ostens und Afrikas bis zu 80 Prozent ihrer Lebensmittel importieren, sind sie besonders anfällig für Preisschwankungen. "Bei den letzten weltweiten Nahrungsmittelkrisen im Jahr 2007 und 2010 musste vor allem die Zivilbevölkerung in den arabischen Städten leiden. Die Lage ist vergleichbar mit Bluthochdruck. Man merkt lange nichts davon, aber wenn es einmal so ist, dann sind die Konsequenzen möglicherweise lebensbedrohend", sagt Keulertz. Das aktuellste Beispiel ist Syrien.

Doch was sind die Betablocker, mit denen die weltweite Wasserkrise bekämpft werden kann? Die Reduzierung der Treibhausgase, um den Klimawandel abzuschwächen, ist eines der wichtigsten Ziele - und gleichzeitig eines der schwierigsten, müssen dafür doch Staaten miteinander kooperieren, die am liebsten gar nichts miteinander zu tun haben wollen. Dann gibt es den Versuch, trotz trockener, brüchiger Böden mehr Kapital aus der Landwirtschaft zu schlagen. "Ägypten baut beispielsweise Erdbeeren an, die dann in unseren Supermärkten in der hierzulande erdbeerarmen Zeit verkauft werden", erklärt Hydrologin Döll. Kehrseite des guten Ansatzes: Die ägyptischen Felder müssen dafür aufwendig bewässert werden.

Einige Wissenschaftler setzen auf das Abwasser. In den armen Ländern Afrikas werden bis zu 90 Prozent des Abwassers unbehandelt in die Flüsse gekippt, heißt es im aktuellen "Weltwasserbericht" der Vereinten Nationen. Schmutziges Wasser ist nicht nur unbrauchbar für die Landwirtschaft, es macht krank. In reichen Ländern wie Deutschland wird verunreinigtes Wasser in hohem Maße wieder aufbereitet. "Ein Kaffee in Düsseldorf ging durch circa 14 Nieren, und es ist wahrscheinlich, dass irgendjemand mit dem Kaffeewasser vorher schon mal geduscht hat", sagt Keulertz. Klingt eklig. Aber es ist ein Beweis für gutes Wassermanagement.

(jaco)
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