Interview mit dem Bundesentwicklungsminister Müller will mit Fußballern für Entwicklung werben

Berlin · Im Interview mit unserer Redaktion erklärt Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wie er mit der Bekanntheit seines Namensvetters punkten und weitere Kicker für die Entwicklungszusammenarbeit gewinnen will.

Gerd Müller - Bundesentwicklungsminister, promovierter Wirtschaftspädagoge aus Schwaben
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Das ist Gerd Müller

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Foto: afp, CHRISTOF STACHE

Sie sind nicht zum ersten Mal mit dem Fußballer Gerd Müller verwechselt worden. Wie gehen Sie damit um?

Müller Das ist sicherlich sympathisch, mit dem "Bomber der Nation" identifiziert zu werden. Er ist zudem auch ein schwäbischer Landsmann von mir. Ich habe ihm vorgeschlagen, seine Bekanntheit in den Dienst der Entwicklungszusammenarbeit zu stellen. Ich denke da auch an die herausragenden Spieler aus Afrika in der Bundesliga. Die möchte ich auch für Projekte gewinnen. Fußball öffnet die Herzen. Wir brauchen die Prominenz, um mit unserer Aufklärungsarbeit zum Beispiel über AIDS oder zur Gewaltprävention besser an die jungen Menschen heranzukommen. Daneben möchte ich den DFB und die Fifa davon überzeugen, bei der WM in Brasilien und in Katar nicht nur in klimatisierte Stadien, sondern auch in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren und zum Beispiel neue Sportplätze in Afrika mitzufinanzieren.

Bald acht Milliarden Menschen auf der Erde ernähren zu müssen - das hat auch schon den Agrarstaatssekretär Müller umgetrieben. Sehen Sie als Entwicklungsminister darin eine neue Herausforderung?

Müller Wir könnten alle Menschen satt machen, tatsächlich aber hungert eine Milliarde, und jedes Jahr kommen so viele Hungernde dazu, wie Deutschland Einwohner hat: 80 Millionen. Das darf nicht so weiter gehen. Und es geht auch anders: Wie werden die ländlichen Räume in den Entwicklungsländern stärker fördern und unser Wissen zur Verfügung stellen. Damit lassen sich die Ernten mehr als verdoppeln und Lagerverluste halbieren.

Nur ein frommer Wunsch der Theoretiker?

Müller Nein, mit Pilotprojekten haben wir gezeigt, dass es geht. Dazu gehören unter anderem moderne Produktionstechniken, Maschinen, Saatgut, Bewässerungsmethoden und vor allem die Qualifizierung der Bevölkerung. In Äthiopien haben wir einen Musterbetrieb entwickelt, in dem wir binnen drei Jahren den Ertrag verdoppeln konnten. So hätte sogar ein von Hunger heimgesuchtes Land mit seinen guten Böden die Chance, zu einem regionalen Exporteur von Nahrungsmitteln zu werden, und dies ist nur ein Beispiel.

Nach einer SPD-Ministerin und einem FDP-Minister liegt das Ressort nun wieder in CSU-Händen. Was wird sich ändern?

Müller Mein Leitbild ist nicht der globale Freihandel. Die Märkte und Mächte brauchen Grenzen. Ich glaube nicht, dass die Welt des Geldes die Probleme des Hungers, der Armut und der Not lösen kann. Ich setze auf die ökologisch-soziale Marktwirtschaft mit klaren Standards auch im sozialen Bereich. Mir geht es um unsere globale Verantwortung für die Schöpfung. 20 Prozent der Menschheit verfügen über 80 Prozent des Wohlstandes und verursachen zwei Drittel der Umweltbelastung. Daraus folgt für mich: Wir müssen umbauen und den Ärmsten den Aufbau von grundlegenden Strukturen ermöglichen.

Im Koalitionsvertrag sind allein vier Seiten Ihrem Ministerium gewidmet. Läuft das auf eine generelle Aufwertung hinaus?

Müller Ja, Union und SPD sind sich einig, dass die Entwicklungszusammenarbeit mehr in den Fokus rücken soll, auch in der Innenpolitik. Wir haben in der Regierung den zweithöchsten Investitionshaushalt. Neben Familie, Bildung und Verkehr sind wir das einzige Ministerium mit aufwachsenden Haushaltsmitteln. Der Bedeutungszuwachs kommt auch darin zum Ausdruck, dass wir einen weiteren Staatssekretär erhalten haben. Wir haben uns entschieden, die Krisenbewältigung mehr durch Krisenvorbeugung zu ersetzen.

Was heißt das konkret?

Müller Nehmen Sie den Flüchtlingsdruck. Wir müssen den Menschen in Afrika eine Lebensperspektive in ihren Heimatländern bieten. Wenn wir das nicht schaffen, wird sich Lampedusa verzehnfachen. Deshalb müssen Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik ein vernetztes Konzept haben und zu gutem Regieren, Nationenbildung, Demokratie und Infrastruktur vor Ort beitragen.

Gilt das auch für Afghanistan?

Müller Natürlich. Wir als Bundesregierung investieren derzeit bis zu 430 Millionen Euro jährlich. Wenn wir nach dem Rückzug der Kampftruppen nicht ein Desaster erleben wollen, müssen wir darauf achten, dass es Schulen, Straßen, Märkte und Arbeitsplätze gibt. Ich fürchte, dass wir dafür auch mehr Geld brauchen. Im neuen Mandat, das im Februar zur Entscheidung ansteht, muss der zivile Aufbau breiten Raum einnehmen. Darüber werde ich jetzt mit dem Außenminister und der Verteidigungsministerin sprechen.

Warum war der CSU das Entwicklungsministerium so wichtig?

Müller Weil wir zwar lokal leben, aber global denken. Entwicklungszusammenarbeit hat in der CSU eine jahrzehntelange Tradition. Es ist für mich eine riesige Herausforderung, das Haus weiter zu entwickeln zu einem Zukunfts- und Friedensministerium.

Im Vorfeld der Klausur in Wildbad Kreuth wirft die SPD der CSU vor, in der Debatte um Arbeitnehmerfreizügigkeit Ressentiments gegen Rumänen und Bulgaren zu schüren.

Müller Die beiden Länder müssen ihre Hausaufgaben zu Hause machen. Für die Integration von Minderheiten gibt es viele Millionen an Unterstützung von der EU. Es ist keine Lösung, einen Druck in Richtung der deutschen Sozialsysteme zu akzeptieren. Rumänen, Bulgarien und auch die EU haben in den letzten zehn Jahren zu wenig getan, um Arbeitsplätze dorthin zu bringen, wo die Menschen sind und die Probleme vor Ort entschieden anzugehen.

Die Koalition hält am Ziel fest, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die öffentliche Entwicklungshilfe zu stecken. Erleben Sie das noch in Ihrer Amtszeit?

Müller (lacht) Das hängt davon ab, wie lange ich Minister bleibe. Die Trendwende ist eingeleitet, die Mittel steigen und das Engagement wird weiter verstärkt. Den Erfolg kann man jedoch nicht an Euro und Dollar ablesen. Das wird schon in der Begeisterung deutlich, mit der die Entwicklungshelfer weltweit unterwegs sind. Die Probleme der Welt lassen sich auch nicht allein mit Steuergeldern bewältigen. Hier ist auch die Wirtschaft in der Pflicht. Ich finde es gut, dass die deutschen Firmen umdenken und Afrika nicht mehr als verlorenen Kontinent ansehen, sondern als gewaltiges Potenzial mit zukünftig wachsenden Märkten.

Gregor Mayntz führte das Interview

(may-)
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