Interview mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler "Union darf nichts mehr draufsatteln"

Berlin · Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler spricht im Interview mit unserer Redaktion über das Spitzentreffen am 4. Juni mit Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer sowie über die Energiewende. Der Liberale warnt die Union vor Ausweitungen von Sozialleistungen.

Das ist Philipp Rösler
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Am Montag ist Koalitionsgipfel — was legen Sie Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer auf den Tisch?

Rösler Bei unserem Gespräch wird es darum gehen, den gemeinsamen Regierungskurs für die kommenden Monate abzustecken. Wir müssen festlegen, welche Schwerpunkte wir setzen. Dazu zählt die Frage, wie wir die Energiewende umsetzen und zugleich auf die Bezahlbarkeit achten. Auch die Stabilität des Euro wird ein Thema. Es geht um die großen Linien. Das ist die Aufgabe der Parteivorsitzenden. Entscheidungen zu Detailfragen bleiben dem Koalitionsausschuss überlassen.

Werden Sie die von der FDP geforderte Abschaffung der Praxisgebühr mit der Union verhandeln?

Rösler Die Haltung der FDP ist bekannt, die Praxisgebühr hat aus unserer Sicht die erhoffte Steuerungswirkung verfehlt. Gleichwohl bleibt es dabei: Wir werden zunächst über die großen Linien reden, Detailentscheidungen folgen anschließend.

Die CSU will das Betreuungsgeld, die CDU den Mindestlohn — womit will die FDP noch punkten?

Rösler Die Linie der FDP ist klar und eindeutig. Wir wollen mit solider und seriöser Arbeit für Wachstum sorgen. Denn Wachstum ist die Voraussetzung dafür, dass es uns gutgeht. Im Umkehrschluss bedeutet das auch: Wir müssen alles unterlassen, was Wachstum gefährdet.

Werden Sie das Betreuungsgeld ohne weitere Bedingungen durchwinken?

Rösler Wir sind vertragstreu. Das Betreuungsgeld ist verhandelt worden. Dem hatten wir in Form eines Kompromisses zugestimmt. Ein Draufsatteln darf es allerdings nicht geben. Manche in der Union meinen, die Mehrheit in den eigenen Reihen könnte gesichert werden, indem zugleich andere Sozialleistungen ausgeweitet werden. Das ist mit der FDP nicht zu machen.

Wird sich die FDP beim Thema Mindestlohn noch bewegen?

Rösler Wir haben in Deutschland Beschäftigungsrekorde und die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Deutschland geht es gut, die soziale Marktwirtschaft funktioniert hervorragend. Die Tarifautonomie ist ein wichtiger Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft. Daran werden wir nicht rütteln. Die Debatte zeigt auch, wie gut es ist, dass eine Partei in der Mitte bleibt und sich nicht wie andere Parteien immer mehr nach links bewegt.

Was sagen Sie der CSU, wenn sie auf Einführung einer Pkw-Maut auf Autobahnen besteht?

Rösler Die CSU scheint sich selber nicht einig zu sein. Will sie mehr Geld für den Verkehrsetat, oder will sie die Maut aufkommensneutral? Wenn es nicht mehr kosten soll, bringt es auch nicht mehr für die Straßen. Aus unserer Sicht werden die Bürger mit der Maut weiter belastet. Das halten wir für falsch.

Wie läuft es mit Ihrem neuen Kabinettskollegen, dem Umweltminister Peter Altmaier?

Rösler Sehr gut, bereits unmittelbar nach seiner Ernennung haben wir uns getroffen. Ich bin sicher, dass wir die Energiewende gemeinsam stemmen werden. Jeder von uns hat seine Verantwortung. Aber gemeinsam werden wir den Umbau der Energieversorgung umsetzen —Schritt für Schritt und mit Hochdruck.

Geht es besser als mit dessen Vorgänger Norbert Röttgen?

Rösler In der Vergangenheit war es manchmal schwierig. Peter Altmaier habe ich als pragmatischen Politiker kennengelernt. Ich bin sehr guter Dinge, dass wir bei den notwendigen Kompromissen zusammenfinden.

Hätten Sie Röttgen auch rausgeworfen?

Rösler Das hat die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin entschieden. Ich bin FDP-Vorsitzender. Jeder muss für seine Partei die Entscheidungen treffen.

Der Ausbau der Stromnetze wird insgesamt 20 Milliarden Euro kosten. Wie soll das finanziert werden?

Rösler Der Netzentwicklungsplan ist ein Meilenstein bei der Umsetzung der Energiewende. Wir brauchen neue Stromautobahnen, um die Energie vom Norden schnell in die Verbrauchszentren im Westen und Süden zu transportieren. An den neuen Leitungen führt kein Weg vorbei. An der Finanzierung der insgesamt rund 20 Milliarden Euro teuren neuen Stromtrassen könnten sich auch große institutionelle Anleger wie Versicherer und Fonds beteiligen. Ich weiß aus Gesprächen, dass diese ein großes Interesse haben, in die Energie-Infrastruktur zu investieren. Hier gibt es allerdings Beschränkungen, auch im europäischen Recht. Wir werden daher prüfen, wie wir den Markt des Stromnetzausbaus für institutionelle Anleger öffnen können.

Dennoch wird sich der Ausbau der Netze im Strompreis für die Verbraucher bemerkbar machen . . .

Rösler Der Ausbau der Netze wird erhebliche Kosten verursachen. Zugleich müssen wir die Milliardensubventionen für die Förderung der erneuerbaren Energien eindämmen, die jeder Bürger auf seiner Stromrechnung spürt. Gerade bei der Photovoltaik ist die massive Förderung wirtschaftlich nicht vernünftig. Sie trägt nur minimal zur gesamten Stromproduktion bei, verschlingt aber die Hälfte der Fördersumme.

Es gibt die Prognose, dass die Umlage für erneuerbare Energien von derzeit 3,5 auf fünf Cent pro Kilowatt-Stunde steigen könnte. Sehen Sie die Gefahr?

Rösler Die Energiewende wird nur dann weiter akzeptiert, wenn Strom bezahlbar bleibt. Der entscheidende Hebel ist jetzt die Photovoltaik. Das muss das entscheidende Argument auch für die Länder sein, einer Kürzung der Solar-Förderung zuzustimmen.

Wenn die Erneuerbaren doch teurer werden, als Sie es planen: Ist es eine Option, auf die Stromsteuer von zwei Cent pro Kilowattstunde zu verzichten?

Rösler Es ist nicht sicher, dass eine Senkung der Stromsteuer auch beim Verbraucher ankommt und ihn tatsächlich entlastet. Deshalb müssen wir an die Förderung der Photovoltaik ran.

Gregor Mayntz und Eva Quadbeck führten das Interview.

(RP/das/csi/jh-)
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