Asyl-Abstimmung im Bundestag Kretschmanns Solotrip verärgert die Grünen

Das Asylrecht ist für Grüne heilig. Trotzdem stimmte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann an diesem Freitag im Bundesrat für die Linie der Bundesregierung. Nun schlägt dem Regierungschef massive Kritik aus der eigenen Partei entgegen.

 Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann entschied sich im Bundesrat gegen die Parteilinie.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann entschied sich im Bundesrat gegen die Parteilinie.

Foto: dpa, pil lof

Kretschmann hat mit seiner Zustimmung zur Änderung des Asylrechts im Bundesrat scharfe Kritik in der eigenen Partei hervorgerufen. "Heute wurde das Menschenrecht auf Asyl für einen Appel und ein Ei verdealt", kritisierte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, am Freitag in Berlin. Er halte es für "unbegreiflich", dass nun Länder als "sichere Herkunftsstaaten" eingeordnet würden, in denen die Roma-Minderheit "massiven Diskriminierungen" ausgesetzt sei. Die Nachwuchsorganisation Grüne Jugend erklärte: "Der Alleingang von Kretschmann ist fatal".

Mit den Stimmen Baden-Württembergs hatte der Bundesrat zuvor der Änderung des Asylrechts zugestimmt. Umstritten war bis zuletzt vor allem die Erweiterung der Liste der sogenannten sicheren Herkunftsländer durch drei Staaten des westlichen Balkans. Dadurch können Asylanträge von Menschen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina künftig leichter abgewiesen werden.

Ein uneinheitliches Abstimmungsverhalten hatten die Grünen eigentlich vermeiden wollen. Nach Parteiangaben hatten Bundesvorstand, Parteirat und grüne Landespolitiker am Donnerstag bis in den späten Abend über eine gemeinsame Linie beraten. Das grün-rot regierte Baden-Württemberg legte sich trotz Bedenken der Partei auf ein Ja im Bundesrat fest, nachdem die Bundesregierung Erleichterungen in anderen Bereichen des Asylrechts zugesichert hatte.

In einem einstimmig gefassten Beschluss von Bundesvorstand und Parteirat heißt es, die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten sei "unzureichend für eine Lösung der wirklichen Probleme in der Flüchtlingspolitik". Weiterhin heißt es in dem Beschluss: "Unabhängig von dieser Position respektieren wir, wenn grün-mitregierte Länder in ihren Kabinetten zu einer anderen Abwägung kommen sollten".

In einem Brief an die Partei warb Kretschmann um Verständnis für seine Haltung. Er verwies auf die steigenden Asylbewerberzahlen und die Probleme der Kommunen, die Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen. Der Bund habe im Gegenzug für die Zustimmung Baden-Württembergs "tatsächliche reale Verbesserungen für die Flüchtlinge" zugesagt, schrieb Kretschmann in dem Brief, der AFP vorliegt.

Kretschmann räumte ein, dass Roma und Homosexuelle in den westlichen Balkanstaaten diskriminiert und ausgegrenzt würden. Er wünsche sich dabei, "dass die Europäische Kommission und die Bundesregierung mehr Druck auf die drei Staaten zur Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien ausüben".

Die überraschende Zustimmung Baden-Württembergs war nach Auskunft der Grünen im Land eine alleinige Entscheidung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Der Regierungschef habe das Votum "in eigener Verantwortung für das Land abgegeben", berichtete der Vize-Fraktionschef Uli Sckerl am Freitag in Stuttgart. Der Beschluss stelle "einen klassischen Grünen auf eine große Probe", sagte er. Allerdings werde die Fraktion "ihren Ministerpräsidenten in einer so schweren Frage nicht im Stich lassen". Wichtiges Argument für Kretschmann sei die Entlastung der Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge gewesen, sagte Sckerl.

(AFP)
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