Formel 1 Mercedes: Vom Außenseiter zum Branchenführer

Düsseldorf · Seit 2010 ist Mercedes wieder mit einem Werksteam in der Formel 1. Der Erfolg ließ auf sich warten. Seit Sonntag ist die Leidenszeit zu Ende. Die Schwaben sind Konstrukteurs-Weltmeister. Und auch der Fahrer-Titel ist so gut wie sicher.

Formel 1: So feiert Mercedes den ersten Titel
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So feiert Mercedes den ersten Titel

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In diesem Jahr dürften sich die Gesichtszüge bei Dieter Zetsche von Monat zu Monat immer mehr entspannt haben. Seit Sonntag nun kann der Daimler-Chef den ersten Haken ins Feld "geschafft" machen. Im Januar 2010 hatte er bei der Präsentation des Mercedes-Werksteams ein "denkbar einfaches Ziel" ausgegeben: "Wir wollen Weltmeister werden. Wir wollen die besten Fahrer im besten Auto präsentieren." Aber Zetsche hatte damals nicht nur den Motorsport im Blick. "Es geht auch um Markenpflege und Imagewerbung. Es geht um die Chance, den Mercedes-Stern auf einer globalen Bühne leuchten zu lassen", betonte der Daimler-Boss.

Seit dem Rennen am Sonntag in Sotschi steht Mercedes als Konstrukteurs-Weltmeister fest. Auch der Fahrer-Titel wird an die Silberpfeile gehen. Offen ist nur, ob nach den noch ausstehenden drei Rennen der Engländer Lewis Hamilton (291 Punkte) zum zweiten Mal nach 2008 oder erstmals der Deutsche Nico Rosberg (274) als Champion gefeiert wird.

Harte Zeiten liegen hinter dem Team. Phasen, in denen auch hausintern die Millionen Euro für das Projekt Formel 1 immer wieder hinterfragt wurden. Nur einen Sieg schafften Rosberg und der nach drei Jahren aus dem Ruhestand zurückgeholte Rekordweltmeister Michael Schumacher in den ersten 36 Monaten. Zwar hatte man das Weltmeisterteam mit dessen Chef Ross Brawn übernommen, aber weltmeisterlich waren die Strukturen im Team nicht. Von Image-Werbung und leuchtendem Stern war man weit entfernt. Statt Freude stellte sich beim Autobauer aus Stuttgart Frustration ein.

Mercedes reagierte und investierte ins Personal. Fähige Ingenieure, Aerodynamiker und Elektroniker wurden geholt - angeführt von Bob Bell, Aldo Costa, Geoff Willis und Paddy Lowe. Sie alle hatten vor dem Wechsel zu den Silberpfeilen bei anderen Formel-1-Rennställen in Führungspositionen gearbeitet. Seit 2013 stehen zwei Österreicher an der Spitze: Toto Wolff (42), der den 22 Jahre als Sportchef aktiven Norbert Haug beerbte, und Niki Lauda (65), der die neue Position des Formel-1-Aufsichtsratschefs ausfüllt. Die Ernsthaftigkeit ihres Tuns unterstrichen beide, indem sie Anteile am Team kauften. Wolff hält 30 Prozent, Lauda zehn.

Beim Blick zurück vergisst Teamchef Wolff die Ehemaligen nicht. Brawn, der Ende 2013 die Silberpfeile verließ, Haug und auch Michael Schumacher hätten ihren Anteil am Erfolg, da sie Entwicklungen anstießen, die sich nun bezahlt machten. Aber erst seit Wolff und Lauda das Sagen haben, geht es aufwärts. Im Gegensatz zu Haug verlegte Wolff seinen Arbeitsplatz ins englische Brackley, wo das Herz des rund 500 Mitarbeiter starken Teams schlägt. In Lewis Hamilton verpflichtete man den perfekten Nachfolger für Michael Schumacher.

Der ganz große Wurf war aber wohl nur durch das neue Reglement möglich. Während Renault und Ferrari nicht auf Anhieb einen starken Hi-Tech-Hybrid-Motor bauen konnten, lieferte Mercedes ein Topprodukt. Nutznießer sind auch die Kundenteams Williams, McLaren und Force-India. Die Schwaben bauten das neue Triebwerk unter einem Dach, stellten deshalb Probleme sofort fest. Bei den Lösungen konnten sie zudem auf die Erfahrungen ihrer Kollegen aus der Serienproduktion zurückgreifen, was etwa bei Ferrari nicht möglich war.

"Die Formel 1 ist das Schaufenster des Konzerns, und wenn die Autos nicht schnell sind, dann sieht das nicht gut für Mercedes aus", sagte Wolff bei seinem Dienstantritt. Nun leuchtet der Stern so intensiv wie seit 1955 nicht mehr. Damals gewann der Argentinier Juan Manuel Fangio in einem Mercedes den WM-Titel. "Wir haben alles, was man braucht, um oben zu stehen: tolle Leute, alle Ressourcen, zwei großartige Fahrer. Wir wollen genauso weitermachen", sagte Wolff. Von einer neuen Ära will er noch nichts wissen - wenngleich er natürlich darauf hofft.

(RP)
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