Skandalspiel des DFB-Teams und Frankreich Die Nacht von Sevilla

Düsseldorf · 1982 standen sich Deutschland und Frankreich im Halbfinale der Weltmeisterschaft gegenüber. Die Begegnung wurde im ersten Elfmeterschießen der WM-Geschichte entschieden. Torwart Toni Schumacher rammte Patrick Battiston um.

 Die Szene, die 1982 Geschichte schrieb.

Die Szene, die 1982 Geschichte schrieb.

Foto: afp, lab/dlb/BF

Die Bilder bleiben. Das des Kölner Torhüters Toni Schumacher, der den gerade erst eingewechselten Franzosen Patrick Battiston in die Ohmnacht rammt und später tönt, dass er dem bedauernswerten Kollegen die Jacketkronen bezahlen werde. Das der bärtigen Gesellen Paul Breitner und Manfred Kaltz mit den herunterhängenden Stutzen und den blanken Schienbeinen. Das Bild des aufgedrehten, rotwangigen Karl-Heinz Rummenigge, der von seiner Oberschenkelverletzung halbwegs genesen war und der verloren geglaubten Begegnung als Einwechselspieler die Wende gab, bleibt. Genauso das von Klaus Fischers Fallrückzieher in der Verlängerung. Und das von Horst Hrubesch, der den zweifelhaften Künstlernamen "Ungeheuer" durch die Strafräume trug und die deutsche Nationalmannschaft mit seinem verwandelten Elfmeter ins Endspiel gegen die Italiener mit ihrem Torjäger Alessandro Altobelli brachte.

Als "Nacht von Sevilla" ist die Begegnung in die Fußballgeschichte eingegangen. Deutschland gegen Frankreich - das Halbfinale 1982 in Spanien. In der Hitze Andalusiens. Entschieden im ersten Elfmeterschießen der WM-Geschichte. Erinnerungen an dieses Spiel werden wach, nun da die deutsche Mannschaft in Rio de Janeiro erneut auf den Nachbarn aus dem Westen trifft. Von Revanche ist in Pariser Medien die Rede. Von Rache gar. Dabei waren die meisten der Profis, die sich morgen im Maracana gegenüberstehen damals noch gar nicht geboren.

Briegel, Dremmler, die Förster-Brüder - eine grobschlächtigere Mannschaft als 1982 hat der Deutsche Fußball-Bund selten zu einem Turnier geschickt. Es war die Zeit, als deutsche Mannschaften nicht ganz zu Unrecht in Europas Zeitungen als "Panzer" bezeichnet wurden. Am "Schlucksee", wie der Schluchsee im Schwarzwald wegen des Alkoholkonsums der Spieler bezeichnt wurde, hatte Bundestrainer Jupp Derwall diese einzigartige Auswahl vorbereitet. Und dann diese skandalöse Vorrunde: mit der Auftakt-Niederlage gegen Algerien und der "Schmach von Gijon", dem Nichtangriffspakt mit Österreich. Die Geschichte mit Schumacher und Battiston passte zum Image. "Schlächter Schumacher", schrieb die "Equipe". In France Soir hieß es: "Schumacher, der Scharfrichter Frankreichs."

Dennoch lieferte dieser Abend in finsteren teutonischen Fußballzeiten einen kleinen Moment, der Hoffnung machte auf eine neue Leichtigkeit, auf etwas vermeintlich Undeutsches, auf Fußball mit Augenzwinkern. Es war ironischerweise der Moment, in dem Deutschland, der amtierende Europameister, dicht am Aus stand und in dem das Finale im Bernabeu furchtbar weit entfernt schien. Uli Stielike, der als Libero bei Real Madrid spielte, verschoss im Elfmeterschießen, schlug die Hände vors Gesicht, weinte, ließ sich kaum trösten von Toni Schumacher. Die Gefühle übermannten ihn.

Die 25 größten Fußballspiele aller Zeiten
Infos

Die 25 größten Fußballspiele aller Zeiten

Infos
Foto: Horstmüller

Da kam Pierre Littbarski daher. Ein krummbeiniges Kerlchen mit blond angetöntem Strubbelhaar. Erst 22 Jahre alt, was für einen Nationalspieler dieser Generation extrem jung war. Er umarmte Stielike, tätschelte ihm den Kopf, ging selbst zum Punkt und verwandelte mit einer Frechheit, die so gar nicht zu dieser Mannschaft passen wollte. Rechts oben. Fast im Giebel. Rotzfrech. Littbarski, "Litti" genannt, war der Vorbote einer damals noch fernen, sympathischeren deutschen Fußball-Welt. Echt cool!

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort