7:1 gegen Brasilien die große Ausnahme Taktik sorgt für Sturmflaute nach der Vorrunde

Brasilia · Taktik statt Tore, Sicherheit statt Spektakel: Verzückten die 32 Mannschaften die Zuschauer in den 48 WM-Vorrundenbegegnungen mit 136 Toren, so herrscht seit dem Beginn der "Alles-oder-Nichts-Spiele" im Sturm Flaute.

Der Tore-Schnitt bei allen WM-Endrunden
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Foto: dpa, hak

Abgesehen von der deutschen 7:1-Gala im Halbfinale gegen Brasilien hat der Ergebnisfußball in der entscheidenden Turnierphase den Hurrastil der ersten Spiele abgelöst. "Die Zeit des Champagner-Fußballs ist vorbei. Jetzt geht es ums Gewinnen", brachte es der ehemalige französische Nationalspieler Bixente Lizarazu nüchtern auf den Punkt. Bestes Beispiel: Die enttäuschende Nullnummer im zweiten Halbfinale zwischen Argentinien und den Niederlanden in Sao Paulo.

"Am Anfang haben wir Fußball gesehen, der mich an Basketball erinnerte. Je näher wir aber dem Finale kommen, desto kontrollierter wird gespielt", sagte Gerard Houllier, der in der Technical Study Group des Weltverbandes Fifa sitzt.

Die Zahlen belegen die Einschätzung des Franzosen. In der ersten K.o.-Runde fielen in den acht Spielen nach 90 Minuten lediglich zwölf Tore, in den vier Viertelfinals waren es gerade einmal fünf Treffer. Das von Fifa-Präsident Joseph S. Blatter vollmundig angekündigte "große Spektakel" in der zweiten Turnierhälfte blieb mit Ausnahme des historischen deutschen Sieges gegen den WM-Gastgeber bisher aus.

Niederlande - Argentinien: die Fakten
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Foto: ap, FO KS

Für die Protagonisten ist das keine Überraschung. Dem maximalen Erfolg ist alles unterzuordnen. Die Trainer erinnern sich wieder an die alte Weisheit: Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meisterschaften. "Mit zwei Gegentreffern pro Spiel gewinnst du keinen WM-Titel", sagte Nationalspieler Mats Hummels.

So kehrte Argentiniens Coach Alejandro Sabella vom 4-3-3-System der Vorrunde in ein 4-4-2 zurück. Zwei magere 1:0-Siege gegen die Schweiz und Belgien waren die Folge, dann gab es das 0:0 nach Verlängerung gegen die Niederländer. In der Vorrunde wurde Nigeria noch mit 3:2 bezwungen. Aber: Endspielnehmer Argentinien kassierte in den K.o.-Spielen noch kein Gegentor in regulärer Spielzeit und Verlängerung.

Didier Deschamps hatte es schon vorher geahnt. "Wir haben bisher tollen Offensiv-Fußball gesehen. Ich bin aber skeptisch, dass das so bleibt. Ab jetzt zählt nur noch das Ergebnis", sagte der Trainer der französischen Nationalmannschaft vor Beginn der K.o.-Phase.

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Deschamps sollte recht behalten. Dabei lagen die 136 Treffer (Schnitt: 2,83) in der ersten Turnierphase noch deutlich über dem Wert der Endrunden 2006 in Deutschland (118/2,45) und 2010 in Südafrika (101/2,1).

Doch ab dem Achtelfinale hemmte die Angst vor dem Aus, dem Ende aller Titelträume, den Offensivdrang der Mannschaften. Es waren plötzlich nicht mehr die Stürmer wie Lionel Messi, Karim Benzema oder Robin van Persie die den Ton angaben. Innenverteidiger wie Hummels, David Luiz und Thiago Silva übernahmen das Kommando. Der Dortmunder und die beiden Brasilianer erzielten zudem drei der fünf Tore im Viertelfinale - alle nach Standards.

Die klimatischen Bedingungen kommen am Ende eines langen Turniers erschwerend hinzu. "Die Bedingungen bestimmen auch das Tempo", sagte ehemalige Liverpool-Coach Houllier. Und die Erkenntnis, dass in den K.o.-Duellen die Arbeit von vier Jahren auf dem Spiel steht. "Da scheut man auch das letzte Risiko", betonte Deschamps.

(sid)
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