Olympische Winterspiele in Sotschi Die Halbzeit-Bilanz der deutschen Athleten

Sotschi · Die deutsche Mannschaft ist sehr gut in die Winterspiele gestartet. Es kann aber noch besser werden. Denn in der zweiten Woche tritt Goldjäger Eric Frenzel in der Nordischen Kombination noch zweimal an den Start.

Olympische Winterspiele in Sotschi: Die Halbzeit-Bilanz der deutschen Athleten
Foto: dpa, gh

Ski und Rodel gut — vor allem Rodel. Dank der überragenden Leistungen in der Eisrinne von Krasnaja Poljana steht die deutsche Olympia-Mannschaft nach der ersten Woche der Winterspiele von Sotschi glänzend da.

Wie bewertet die Teamleitung das Abschneiden? "Das passt. Vor allem die Quote der Olympiasiege freut mich. Das ist eine tolle Zwischenbilanz", sagt Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Mit den Goldmedaillen in allen vier Rodelwettbewerben, durch Kombinierer Eric Frenzel, durch Maria Höfl-Riesch in der alpinen Kombination und durch die Skispringerin Carina Vogt steht die deutsche Mannschaft an der Spitze des Medaillenspiegels. In Vancouver waren es vor vier Jahren zum Abschluss der Spiele zehn Olympiasiege für Deutschland.

Kann die deutsche Mannschaft das Ergebnis von 2010 übertreffen? Ja. Denn es gibt noch eine Reihe von Entscheidungen, in denen deutsche Athleten zum Kreis der Favoriten gehören. Das gilt zuallererst für die beiden ausstehenden Wettbewerbe der Nordischen Kombinierer. Etwas vage sind die Aussichten im Bobsport, wo die deutschen Schlitten im Weltcup zuletzt nicht mehr so überlegen waren. Völlig offen ist, was Maria Höfl-Riesch noch leisten kann. Sie klagte nach dem schwachen Resultat in der Abfahrt über Müdigkeit. Heute startet sie im Super-G, einer ihrer Lieblingsdisziplinen. Mit guten Medaillenchancen treten auch die Skispringer und die Biathleten in ihren drei Staffelwettbewerben an.

Gibt es auch Schwachstellen? Die Goldbilanz stimmt, an Silber und Bronze mangelt es aber noch. 30 Medaillen sind das Ziel, das der DOSB für Sotschi ausgegeben hat. Um das zu erreichen, müsste es auch mal die eine oder andere positive Überraschung geben.

Wer hat enttäuscht? Hörmann hatte angekündigt, besonders intensiv die jungen Sportarten zu begutachten. Für Freestyler und Snowboarder wollte der Präsident einen eigenen Medaillenspiegel entwerfen. In dem stehen für Deutschland bislang drei Nullen: kein Gold, kein Silber, kein Bronze. Der vor vier Jahren formulierte Wunsch, bei Rennen auf der Buckelpiste oder in der Halfpipe Erfolge zu feiern, erfüllt sich bislang in Sotschi nicht. Auch die Skilangläufer jagen bislang vergeblich einer Medaille hinterher.

Wie ist die Stimmung in der deutschen Mannschaft? Dank der vielen Goldmedaillen natürlich prächtig. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Erik Lesser, Silbermedaillengewinner im Biathlon, gefällt es nicht, dass der Dachverband den Erfolg ausschließlich an Medaillen festmacht. Gute Resultate auf den Plätzen vier, fünf usw. fänden zu wenig Beachtung. Lesser pflegt ohnehin ein offenes Wort. So kritisierte er, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) norwegische Langläuferinnen für das Tragen eines Trauerflors ermahnt hatte: "Wenn man so eine emotionale Sache als Propaganda hinstellt, ist das extrem schade."

Gibt es weitere Problemfelder? Rodlerin Tatjana Hüfner hat sich bei der Siegerpressekonferenz darüber beklagt, dass Olympiasiegerin Natalie Geisenberger angeblich vom Verband bevorzugt werde. Bundestrainer Norbert Loch bemüht sich jetzt darum, Diskussionen um einen Ost-West-Konflikt zwischen Thüringern und Sachsen auf der einen und Bayern auf der anderen Seite klein zu halten. Der öffentlich ausgetragene Streit zwischen Kritikerin Anni Friesinger und Eisschnellläuferin Claudia Pechstein darf unter dem Stichwort Folklore verbucht werden.

Wie ist das Interesse in Deutschland? Die Öffentlich-Rechtlichen ziehen eine positive Zwischenbilanz der Olympia-Berichterstattung — alles andere wäre auch eine Überraschung, schließlich wollen sie ihre teuer eingekaufte Ware nicht schlechtreden. Ungefähr jeder zweite Deutsche hat sich schon mindestens eine Übertragung angesehen. ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz spricht sogar von einem "großen Interesse, das wir so nicht erwartet haben". Top-Events nach Zuschauerzahl waren das Rodeln im Einsitzer (9,21 Millionen Zuschauer), die Eröffnungsfeier (8,97) und das Skispringen von der Normalschanze (8,7).

Wie ist die Stimmung in den Wettkampfstätten? Unterschiedlich. Vor allem die spektakulären jungen Disziplinen wie Slopestyle faszinieren die Zuschauer. Das Publikum im Allgemeinen ist weniger international als bei den vorangegangenen Spielen. Die Zahl der Olympia-Touristen aus den sonst auf den Rängen stark vertretenen Nationen Deutschland, den Niederlanden, Schweden und Norwegen fällt geringer aus. Die russischen Zuschauer feuern ihre eigenen Athleten laut und leidenschaftlich an. Mit Applaus für Sportler aus den anderen Ländern sind sie indes eher sparsam.

Welche Rolle spielt die politische Situation in Russland, die im Vorfeld stark thematisiert worden war? Eine untergeordnete Rolle. Der Sport und die große olympische Show drängen Diskussionen um Homophobie zum Beispiel an den Rand. Die Gigantomanie beim Bau der Sportstätten bleibt jedoch für die Besucher ein großes Thema. Die Fragen der weiteren Nutzung der Anlagen, der berühmten Nachhaltigkeit stellt sich vielen Reisenden.

Gibt es sonst noch Probleme? Das Wetter ist einfach zu schön und viel zu warm für Winterspiele. Die Organisatoren haben bei Temperaturen von rund 15 Grad Celsius in den Bergen Probleme, die Pisten wettkampftauglich hinzubekommen. Dass ein kompletter Wettbewerb ausfallen muss, steht allerdings nicht zu befürchten. Im Hochgebirge liegen für den Notfall noch Schneereserven bereit. Probleme könnten allerdings die Paralympics im kommenden Monat bekommen. Bis zu deren Start müsste es noch einmal Winter werden. Das erwartet aber niemand.

(RP)
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