Deutsches Tennis Becker und Stich sehen düstere Zukunft

Düsseldorf · Die beiden ehemaligen Weltklasse-Spieler Boris Becker und Michael Stich sagen dem deutschen Tennis eine düstere Zukunft voraus.

Boris Becker sieht Djokovic-Sieg mit cooler Sonnenbrille
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Boris Becker sieht Djokovic-Sieg mit cooler Sonnenbrille

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"Selbst der liebe Gott könnte heute mit den aktuellen Strukturen das deutsche Tennis nicht retten. Das ist nicht möglich", sagte der 46-jährige Becker im Gespräch mit der "Sport Bild".

Das Problem sei die starke Position der Landesverbände, die ausschließlich ihre eigenen Interessen verfolgen würden. Dies sei in anderen Ländern wie Frankreich und Spanien mit zentralen Strukturen besser organisiert. "Ehemalige Topspieler sind dort fest eingebunden. Aber wir haben kein nationales Tenniszentrum mit ehemaligen Weltklassespielern als Toptrainer," beklagte Becker.

Wichtig, so Becker, sei nicht, "aus welchem regionalen Verband der jeweilige deutsche Meister kommt, sondern dass wir als Land wieder einen Top-10-Spieler in der Weltrangliste haben. Hier hat jeder Verband seine eigene Mütze auf: Bayern die bayrische, Hessen die hessische, Baden die badische."

Wenn die so nur regional ausgebildeten Talente dann 18 Jahre alt seien, so die ehemalige Nummer eins der Tennis-Welt, "dann ist es meist schon zu spät, um sie noch Richtung Weltspitze zu verbessern".

An den Nachfolger von Karl Altenburg als Präsident des Deutschen Tennis Bundes (DTB) knüpft Becker keine Erwartungen, denn dieser werde die Veränderungen, "die notwendig wären, gar nicht machen dürfen. Das Ganze ist wie Autofahren, ohne lenken zu können." Altenburg wird sich nach Ablauf seiner drei Amtsjahre im November nicht zur Wiederwahl stellen.

"Wenn wir mal wieder Weltklassespieler bekommen, dann nur durch die Initiative Einzelner, nicht durch die Ausbildung der Verbände", sagt Becker. Sich selbst wolle er beim DTB nicht einbringen. "Ich habe bereits eine tolle Aufgabe", sagte Becker, seit Anfang des Jahres Trainer des Weltranglistenzweiten Novak Djokovic.

Stich vermisst die Konstanz

Stich sieht "in den nächsten fünf Jahren" keinen deutschen Wimbledonsieger. Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer seien "gute Spieler, die in der Lage sind, einen Topspieler zu schlagen", sagte Stich im Gespräch mit dem tennis MAGAZIN: "Aber die Konstanz für sieben Matches bei einem Grand Slam-Turnier fehlt."

Ob Vorjahresfinalistin Sabine Lisicki erneut einen Coup in Wimbledon landen kann, lässt Stich offen: "Ich glaube, dass Sabine und ihr Umfeld die Konsequenzen unterschätzt haben, die ein gesteigertes allgemeines Interesse mit sich bringt. Vielleicht blüht sie in Wimbledon wieder auf und sagt sich: Genau darauf habe ich ein Jahr gewartet. Hier fühle ich mich wohl."

Im Juniorenbereich traut Stich dem 17-jährigen Alexander Zverev einiges zu. "Er denkt über jeden Gegner: Den haue ich weg", sagte der Wimbledonsieger von 1991: "Er lebt Tennis 24 Stunden am Tag. Für den gibt es nichts anderes. Sein Umfeld muss aufpassen, dass er es nicht übertreibt."

Dass Novak Djokovic in diesem Jahr allein deshalb Wimbledon gewinnt, weil er Boris Becker als Trainer an seiner Seite hat, glaubt Stich nicht. Der Serbe habe "das Turnier doch 2011 auch ohne Boris gewonnen, oder?" Serve and Volley müsse Djokovic jedenfalls "jetzt nicht mehr lernen".

Ähnlich wie Becker könnte auch Stich sich bei einigen wenigen Spielern vorstellen, sie als Trainer zu begleiten. "Roger (Federer, d. Red.) wäre einer", sagte der 45-Jährige, schränkte allerdings gleichzeitig ein: "Wenn mich Nadal ansprechen würde, würde ich sagen: Ich fühle mich sehr geehrt, aber ich kann dir nicht helfen. Weil ich sein Spiel nicht verinnerlichen könnte."

Ein kleines Problem hat Stich übrigens mit Andrea Petkovic, die ihm manchmal zu extrovertiert ist. "Twitter, Facebook, Selfies, links, rechts, oben - das ist mir zu viel. Damit kann ich persönlich nicht viel anfangen. Aber entscheidend ist, dass sie sich damit wohlfühlt", sagte er dem tennis MAGAZIN.

(sid)
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