Analyse Kardinal Müller verliert Vertrauen des Papstes

Franziskus trennt sich vom 69-jährigen Deutschen, der fünf Jahre die vatikanische Glaubenskongregation leitete.

Rom Seine Worte klingen so, als sei jetzt vor allem die Kunst der Diplomatie gefragt. "Differenzen zwischen mir und Papst Franziskus gab es nicht", sagt Gerhard Ludwig Kardinal Müller. Ihm mache das wenig aus, jeder müsse mal aufhören - und außerdem sei die fünfjährige Amtszeit nun mal abgelaufen. Nichts daran klingt falsch, doch so alltäglich, wie die Worte sein wollen, sind sie nicht. Papst Franziskus scheint die erste Gelegenheit genutzt zu haben, sich vergleichsweise sanft vom Kurienkardinal zu trennen, indem er die obligate Amtszeit eben nicht mehr verlängerte. Das ist mehr als ein routinierter Verwaltungsakt, auch wenn die Trennung für viele nicht wirklich überraschend ist. Sie ist ein kräftiger Hinweis an die Kurie und zugleich ein Vermerk für die Reformbemühungen des Papstes.

Zunächst: Die Chemie soll zwischen beiden Würdenträgern nie so recht gestimmt haben. Dass Franziskus im September 2013 Bischof Müller dennoch im Amt des sogenannten obersten Glaubenswächters bestätigte und ihn wenig später ins Kardinalskollegium aufnahm, wurde auch als ein Manöver angesehen: Der neue Papst schien mit Müller die konservativen Kreise im Vatikan beruhigen und keinen ehemals Vertrauten von Benedikt XVI. - seinem Vorgänger im Petrusamt - vor die Tür setzen zu wollen.

Das schien einige Zeit gut zu gehen, bis Unterstellungen öffentlich wurden - unter anderem im Jesuiten-Magazin "America" -, Kardinal Müllers Kongregation würde Fälle von Kindesmissbrauch vertuschen. Äußerst schwierig gestaltete sich auch die unterschiedliche Auslegung des nachsynodalen Schreibens "Amoris Laetitia". Während dieses gewisse Spielräume in der Frage der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene öffnete, beharrte Müller auf der dogmatischen Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe. Gegenüber dem katholischen Fernsehsender ETWN betonte der Kardinal, der Papst könne "keine Lehre vertreten, die den Worten Jesu Christi widerspricht".

Gerade im Umgang mit dem nachsynodalen Schreiben betonte er, dass die nationalen Bischofskonferenzen nicht befugt seien, die Worte des Papstes zu deuten. Doch gelegentlich schien es so, als wolle der Kardinal über die Wahrheit päpstlicher Botschaften verfügen. Im Februar dieses Jahres betonte er im Interview mit der Rheinischen Post, dass es wichtig sei, auch im Papst "nicht den Supermenschen zu suchen". Und weiter: "Es ist wichtig, dass wir Relativismus und Nihilismus überwinden. Der menschliche Geist ist in der Lage, sich auf die Wahrheit auszurichten. Wir sollen doch bitte nicht so skeptisch sein gegenüber den Möglichkeiten, die Gott in Bezug auf unser Hören und Verstehen seines Wortes an uns besitzt."

Kardinal Müller schätzte weder die vielstimmige Debatte über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen noch die angekündigte Prüfung, Frauen zum Diakonenamt zuzulassen. Dies widersprach dem Kirchenverständnis des Dogmatikers. Und so gehörte er vor knapp zwei Jahren auch zu den Mitunterzeichnern des Briefes der 13 Kardinäle, in dem als sanfte Beschwerde Sorgen laut wurden über neue Wege der Familienpolitik. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Papst und seinem "Glaubenswächter" sieht anders aus. Und wenn Differenzen in wohlformulierten Schreiben vorgetragen werden müssen, scheint der Kommunikationsweg zwischen beiden Männern bereits zu diesem Zeitpunkt sehr lang geworden sein.

Es folgten zwei weitere Briefe an den Papst zum gleichen Thema und mit ähnlicher Sorge. Auch wenn darunter der Name Müllers nicht mehr zu finden war, so wurde doch ein gedanklicher Austausch zwischen ihm und den vier neuen Autoren vermutet - unter ihnen die deutschen Kardinäle Joachim Meisner und Walter Brandmüller. Sie baten den Papst um eine klärende Stellungnahme zu "Amoris Laetitia", da sie sich in einer "Situation der Verwirrung und Orientierungslosigkeit" befänden. Der Papst hat dieser Bitte nicht Folge geleistet und den vier Kardinälen auch keine Audienz gewährt. Er scheint aber nun mit der Trennung von Kardinal Müller - auch wenn dieser nicht zu den namentlichen Autoren der zwei Briefe zählt - gehandelt zu haben.

Papst Franziskus hat sich offenbar eines Theologen entledigt, von dem er sich in zentralen Fragen seiner Reformen keine Unterstützung mehr erhoffen konnte. Die Nominierung des Nachfolgers ist aber kein Zeichen eines radikalen Neuanfangs. Denn mit dem spanischen Kurienbischof Luis Ladaria wird ein 72-Jähriger jetzt neuer Prefäkt, der bereits seit 1995 in der Glaubenskongregation in diversen Ämtern tätig ist und sie daher bestens kennt. Mit Bischof Ladaria hat Franziskus vor allem einen Mann seines Vertrauens eingesetzt, zumal dieser - wie der Papst - ein Jesuit ist.

(los)
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