Hochwasser-Ratgeber Wer kann jetzt mit Entschädigung rechnen?

Düsseldorf · Vollgelaufene Keller, überschwemmte Gärten, Autos, die von Fluten weggerissen werden: Die schweren Unwetter haben in vielen Teilen Deutschlands eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Viele Betroffene fragen sich jetzt, wie sie ihren Schaden ersetzt bekommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Betroffenen in Nordrhein-Westfalen sollten keine allzu großen Hoffnungen machen, Gelder vom Land zu bekommen. Das hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bereits klargestellt: "Wir können als Land keine privaten Schäden abdecken", sagte sie. Wer sich nicht ausreichend versichere, könne nicht mit Steuermitteln begünstigt werden.

Was muss man als Betroffener jetzt wissen? Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.

Das ist derzeit noch offen. In Berlin dringt die CSU für die Unterstützung von Hochwasseropfern auf Hilfen des Bundes. Natürlich geht es der CSU um Bayern, doch sollten dort Gelder fließen, dürften auch Betroffene in NRW hoffen. Solche Hilfen gab es auch nach dem verheerenden Hochwasser 2013 von der Donau bis zur Elbe.

Obwohl der Fonds mit vier Milliarden Euro gut gefüllt ist, darf er wohl aus formalen Gründen keine Hilfen zahlen. Das berichtet die "Wirtschaftswoche" aus Düsseldorf. Um die Gelder freigeben zu können, muss ein "nationaler Notfall" eingetreten sein. Die bislang hauptsächlich betroffenen Bundesländer NRW, Baden-Württemberg und Bayern reichen dafür nicht aus. Als der Fonds vor drei Jahren eingerichtet wurde, waren elf Bundesländer von Überschwemmungen betroffen.

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Landwirte. Sie hätten teilweise gar keine Möglichkeit, sich gegen alle Unwetterlagen zu versichern, sage Ministerpräsidentin Kraft. Hier würden Hilfen geprüft. Mit massiven Ernteverlusten rechnen Experten derzeit allerdings nicht. "Damit größere Schäden entstehen, müsste das Wasser über Wochen auf den Feldern stehen bleiben", sagte Natascha Kreuzer von der Landwirtschaftskammer NRW.

Ja. Bayern zum Beispiel. Die Staatsregierung in München hat ein Hilfspaket beschlossen. Eine Vorzugsbehandlung gibt es für den Landkreis Rottal-Inn, wo es nach dem nun als Jahrtausendhochwasser eingestuften Unwetter die schwersten Schäden gab. Dort will die Staatsregierung besonders hart getroffenen Bürgern bis zu 100 Prozent des Schadens ersetzen, ohne Bedürftigkeit oder Versicherbarkeit zu prüfen. Strengere Maßstäbe gelten in den übrigen Kommunen Bayerns, deren Unwetter als Jahrhunderthochwasser eingestuft wurden.

Dachziegel und Fensterscheiben: Alle Schäden, die direkt am Gebäude entstanden sind, übernimmt die Wohngebäudeversicherung, erläutert der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Wird der Keller überschwemmt, zahlt sie aber nur, wenn extra eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen wurde. Sie gleicht Schäden durch Überschwemmung, Rückstau, Erdbeben, Erdrutsch oder Lawinen aus.

Elektrogeräte und Möbel: Für Schäden am Wohnungsinventar ist die Hausratversicherung zuständig. Sie zahlt etwa für Elektrogeräte, die nach einem Blitzschlag beschädigt wurden, oder Möbel, die der Regen infolge einer zerbrochenen Scheibe durchnässt hat.

Auto: Schäden am Auto zahlt die Teilkaskoversicherung. Die Kosten für verbeultes Blech oder kaputte Scheiben werden in der Regel in voller Höhe erstattet. Auch bei plötzlichen Überschwemmungen etwa in Tiefgaragen übernimmt sie die Schäden. Nicht übernommen werden Schäden durch Überflutungen, wenn der Autofahrer sich fahrlässig selbst in Gefahr begibt. Die trifft etwa dann zu, wenn er eine überschwemmte Fahrbahn benutzt.

Zu den Elementarschäden an Wohnungen und Häusern zählen die Folgen der meisten Naturgewalten - etwa Hochwasser, Erdbeben oder Lawinen. Anders als bei Hagel und Sturm sind diese Gefahren nicht über die klassischen Gebäudeversicherungen abgedeckt.

Das Gleiche gilt für Schneemassen, die ein Dach beschädigen, und Starkregen, der das Haus überschwemmt. Auch wenn Wasser sich aus den Ableitungsrohren zurückstaut und einen Keller überflutet, bleiben die Betroffenen auf ihren Kosten sitzen. Geld erhält in diesen Fällen nur, wer eine Zusatzpolice gegen Elementarschäden abschließt.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat eine solche Versicherungspflicht gefordert. Eine entsprechende Initiative habe er schon einmal in der Ministerpräsidentenkonferenz eingebracht. "Ich finde, dass diese Unwetterereignisse das noch mal stützen", sagte er. Es gebe einen Konsens für die Pflichtversicherung in der Ministerpräsidentenkonferenz, man sei aber wegen europarechtlicher Vorbehalte bislang nicht weitergekommen.

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Der Vorteil einer Pflichtversicherung: Wenn die Beiträge über alle Gebäudebesitzer verteilt würden, wäre der Beitrag für die einzelnen Verbraucher leichter bezahlbar.

Betroffene sollten schnell reagieren. Denn häufig müssen Versicherte laut Vertrag die Schäden unverzüglich melden, damit sie den vollen Versicherungsschutz nicht gefährden, betont der Bund der Versicherten (BdV). Schriftlich sollte dies per Einschreiben erfolgen. Als erste Maßnahme kann es aber auch ausreichen, anzurufen oder eine E-Mail mit einer Schadensbeschreibung zu schicken. Zur Dokumentation sollten Betroffene Fotos machen, rät der BdV. Daneben ist eine genaue Aufstellung der beschädigten Gegenstände sinnvoll. In der Regel wird die Versicherung einen Gutachter schicken, der sich den Schaden ansieht. Wichtig: Beschädigte Gegenstände nie ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers entsorgen.

Ist die Wohnung oder das Haus durch Hochwasser vollständig zerstört und nicht mehr unbewohnbar, muss der Mieter keine Miete zahlen. "Er kann die Miete um 100 Prozent mindern", sagt Anja Franz vom Mieterverein München. Das gilt auch, wenn der Vermieter nichts für die Überschwemmung kann.

Wer aufgrund des Hochwassers aus seiner Wohnung ausziehen muss, kann nicht verlangen, dass ihm der Vermieter eine Ersatzwohnung stellt. "Grundsätzlich hat der Mieter bei Flut gegenüber dem Vermieter keinen Anspruch auf Schadenersatz", sagt Franz.

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Der Vermieter muss sich jedoch grundsätzlich darum kümmern, die Räume aufzuräumen und wieder bewohnbar zu machen. Ist das Haus beschädigt, muss er es reparieren lassen. "Die nötigen Maßnahmen dafür, darf er nicht schuldhaft verzögern", sagt Franz. Andernfalls kann der Mieter unter Umständen doch Schadenersatzforderungen stellen.

Ist die Wohnung nicht mehr bewohnbar, kann der Mieter sie unter bestimmten Voraussetzungen fristlos kündigen. Wenn er beispielsweise befürchtet, dass die Folgen der Überschwemmung seine Gesundheit erheblich gefährden, weil fauliges Wasser in den Räumen steht. Doch Vorsicht: "Fristlos kündigen heißt, dass man sofort ausziehen muss", erklärt Franz. Wer das will, sollte beim Vermieter zusätzlich zur Kündigung eine ärztliche Stellungnahme einreichen.

Das hängt natürlich von der Stärke der Überschwemmung ab, aber auch von den Baumaterialien des Hauses. Nach wirklich hohen Pegelständen kann auch die Statik in Gefahr sein. Grob lässt sich aber sagen: Hielt sich die Überschwemmung in Grenzen, ist der Keller dazu vornehmlich Lagerraum und es gibt keine Wohn- und Hobbyräume oder eine Sauna, reicht es in der Regel aus, sauberzumachen und ein Leihgerät zum Trocknen aus dem Baumarkt aufzustellen, erklärt Werner Weigl von der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.

Trocken sei der Raum wieder, wenn ein Hygrometer eine Luftfeuchtigkeit im Raum von etwa 60 Prozent anzeigt. Profi-Rat und -hilfe braucht man, wenn es zum Beispiel Trockenbauwände mit Gipskarton oder einen Estrich mit darunterliegender Dämmung gibt. Betroffene Elektrik und Heizöltanks sollte man laut BBK auch vom Fachmann überprüfen lassen.

(csr)
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