Weeze Weeze für Niederländer "beispielhaft"

Weeze · Viele Deutsche gucken bewundernd ins Nachbarland, weil dort vieles einfacher zu sein scheint. Jetzt war ein niederländisches Ratsmitglied auf Arbeitsbesuch in Weeze - und beeindruckt von dem, was dort zu erfahren war.

 Bürgermeister Ulrich Francken (re.) nahm seinen niederländischen Kollegen Arnold Versteeg für einen Tag unter seine Fittiche.

Bürgermeister Ulrich Francken (re.) nahm seinen niederländischen Kollegen Arnold Versteeg für einen Tag unter seine Fittiche.

Foto: nik

Bürgermeister Ulrich Francken ist seit vielen Jahren in der Euregio engagiert - derzeit ist er sogar Präsident des grenzüberschreitend tätigen Zweckverbandes. Im Euregiorat geht es nicht nur um die Wirtschaft im Grenzraum und um Förderprojekte, sondern auch um den zwischenmenschlichen Austausch. Die Mitglieder sprechen miteinander - lernen, wo das nötig ist, auch die Sprache der jeweiligen Nachbarn. Bei einem der zahlreichen Treffen kamen Francken und ein Kollege aus Ede, das nordwestlich von Arnheim liegt, überein, sich mal gegenseitig zu besuchen. Arnold Versteeg nutzte dazu einen Tag, der ihm sowohl die Möglichkeit gab, Weezes Bürgermeister zu Außenterminen zu begleiten, als auch einer örtlichen Ratssitzung beizuwohnen.

Jenseits aller Inhalte fiel dem Gast dabei gleich eines auf: "Ich bin verwundert darüber, dass Sie hier in Weeze nur sechs Ratssitzungen pro Jahr haben - wir haben jede Woche eine!" Und das, obwohl die Niederländer Kommunalpolitik ebenso ehrenamtlich ausüben wie die deutschen Kollegen. Aufwandsentschädigungen gibt es hier wie da - in Ede pro Sitzung allerdings deutlich weniger als im Nachbarland, wie Versteeg schmunzelnd versicherte. Und natürlich stünden auf der wöchentlichen Tagesordnung immer nur wenige Punkte. "Ich werde den Vorschlag mit nach Hause nehmen, auch seltener zusammenzukommen und dafür mehr Themen an einem Abend abzuhandeln", erklärte der Niederländer.

Schließlich hat er zuhause genügend zu tun: Versteeg hat Frau und fünf Kinder, ist zudem selbstständiger Geschäftsmann. Er handelt mit Zugangskontrollsystemen für Gebäude und Gelände. Vermutlich wird er auch deshalb mit Interesse den Flughafen besichtigt haben, denn mit Einlasskontrollen hat der Airport vom Parkplatz bis zum Check-In viel zu tun. Überhaupt, der Flughafen: Dass Weeze einen "eigenen" Airport habe, sei ja toll, und er wolle auch gerne in der Heimat daran erinnern. Denn Verhaag weiß genau: Früher sind viele Niederländer ab Weeze geflogen, seit zwei Jahren hat sich das völlig geändert. "Die Tax - heißt das so? - ist daran schuld. Wir können jetzt viel günstiger ab Amsterdam oder Eindhoven fliegen." Ludger van Bebber am Airport weiß das nur zu gut und muss mit der deutschen Entscheidung, eine Luftverkehrsabgabe zu erheben, leben.

Übrigens blickt Versteeg nicht nur anerkennend auf den Flughafen vor der Haustür. Noch etwas beeindruckt ihn, über das im Kreis Kleve nicht viel gesprochen wird: "Sie haben eine Eisenbahnstrecke und einen Bahnhof - das ist toll." Dass die Bahn hierzulande nur Passagiere befördert, findet der Niederländer vermutlich unverständlich. Das Logistik-Land Niederlande hat bekanntlich viel Geld in die in Deutschland wenig beliebte Betuwe-Linie investiert, um Waren auf der Schiene zu transportieren.

Dass sich um Weezes knapp 11000 Bewohner 28 Ratsmitglieder kümmern, findet Versteeg interessant - Ede hat 110 000 Einwohner und gerade mal 39 "wethouder", die die Verwaltung unterstützen. Der Bürgermeister der Stadt ist wie alle anderen im Nachbarland auch übrigens nicht von den Bürgern gewählt worden: Nach Vorauswahl durch eine Kommission hat ihn der König (früher die Königin) eingesetzt. "Den Bürgermeister nicht wählen zu lassen, darüber hat man hier vor Jahren ja auch mal nachgedacht mit dem Argument, er bleibe so unabhängig von populistischen Einflüssen", erinnert Weezes Bürgermeister Ulrich Francken. Aber es kam nicht dazu, und so müssen Ulrich Francken, Axel Stibi und die meisten anderen Rathauschefs im kommenden Jahr wieder mal "das Volk" über ihr Schicksal entscheiden lassen.

Ein wenig vom Freizeitwert der Niederrhein-Gemeinde bekam der Gast natürlich auch zu sehen: die Niers, die Wanderwege entlang der Schlösser, das grüne Umland. Aber da konnte Arnold Versteeg durchaus kontern: Nahe an Ede/Wageningen vorbei fließen Nederrijn und Waal, das Naturschutzgebiet Hoge Veluwe erstreckt sich östlich, und es gibt sogar eine Universität. Deren Schwerpunkt sind Agrarwissenschaften. Was dann wieder ganz viel mit dem Niederrhein zu tun hat.

(RP)
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