Analyse Jetzt bleibt nur noch der Kampf um Platz zwei

Dormagen · Vom hochgesteckten Ziel des direkten Aufstiegs kann sich Handball-Drittligist TSV Bayer Dormagen schon nach einem Viertel der Saison verabschieden. Das liegt nicht an der Unerfahrenheit der jungen Mannschaft, sondern an eklatanten Schwächen der einzigen "Vollprofis" im Team.

 Unterschiedlicher kann Körpersprache kaum sein während eines Handballspiels: Lukas Stutzke, gerade vom kräftezehrenden Lehrgang der Junioren-Nationalmannschaft zurückgekehrt, und Patrick Hüter motivieren sich im Spitzenspiel gegen den TuS Ferndorf gegenseitig (linkes Bild von links), Daniel Eggert, hier im Zwiegespräch mit Trainer Ulli Kriebel (rechtes Bild von rechts), schaut drein, als habe er gerade einen Strafzettel für falsches Parken aufgebrummt bekommen. Der Däne hat ebenso wie sein aus Portugal gekommener Rückraumkollege Nuno Carvalhais die Erwartungen bislang auch nicht annähernd erfüllt.

Unterschiedlicher kann Körpersprache kaum sein während eines Handballspiels: Lukas Stutzke, gerade vom kräftezehrenden Lehrgang der Junioren-Nationalmannschaft zurückgekehrt, und Patrick Hüter motivieren sich im Spitzenspiel gegen den TuS Ferndorf gegenseitig (linkes Bild von links), Daniel Eggert, hier im Zwiegespräch mit Trainer Ulli Kriebel (rechtes Bild von rechts), schaut drein, als habe er gerade einen Strafzettel für falsches Parken aufgebrummt bekommen. Der Däne hat ebenso wie sein aus Portugal gekommener Rückraumkollege Nuno Carvalhais die Erwartungen bislang auch nicht annähernd erfüllt.

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Handballer aus 22 Nationen (außer Deutschland) haben von Beginn der achtziger Jahre bis zum Ende der vergangenen Spielzeit das Trikot des TSV Bayer Dormagen (oder DHC Rheinland) getragen. Legenden wie Hedin Gilsson und Robert Sighvatsson (beide Island), Jacek Bedzikowski (Polen), Nicolai Jacobsson und Rene Boeriths (beide Dänemark), Robert Andersson (Schweden), Marian Dumitru (Rumänien), Vladimir Vukoje (Kroatien), Vitali Feshchanka (Weißrussland), Pascal Mahé (Frankreich), aber auch der Schweizer Martin Rubin und der Niederländer Michiel Lochtenbergh haben ihren festen Platz in der Dormagener Handball-Geschichte.

Analyse: Jetzt bleibt nur noch der Kampf um Platz zwei
Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Im Sommer kam mit Portugal Nation Nummer 23 dazu. Die Wahrscheinlichkeit, dass Nuno Miguel Carvalhais Einlass in diese Hall of Fame findet, ist eher gering. Der Eindruck, den der 23-Jährige bislang im Rückraum des Drittligisten hinterlassen hat, ist kein bleibender. Sondern eher der von Überforderung und Hilflosigkeit. Der Portugiese besitzt damit keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal. Auch der ungefähr zeitgleich verpflichtete dänische Linkshänder Daniel Eggert (29) hat die Erwartungen an einen langjährigen Zweitliga-Spieler (noch) nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die Kurzeinsätze des Duos im Spitzenspiel gegen den TuS Ferndorf erwiesen sich aus Sicht der Gastgeber als fatal. Ihre Fehlpässe und Fehlwürfe bescherten dem Tabellenführer jene Vorteile, die er, gepaart mit einer eigenen vorzüglichen Abwehrleistung, in einen verdienten 25:21-Sieg ummünzte.

Eggert und Carvalhais dafür die Alleinschuld in die Schuhe zu schieben, wäre falsch. Auch andere machten Fehler, auch andere verloren das Spielgerät oder trafen das Tor nicht. Doch die "anderen" sind nicht nach Dormagen gekommen, um dort allein mit Handball ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die "anderen" gehen zur Schule, absolvieren Studium oder Ausbildung oder stehen im Beruf. Handball spielen sie nur "nebenbei" (auch wenn der ein oder andere sicher eine Profi-Karriere anstrebt).

Deshalb sind der Däne und der Portugiese mit anderen Maßstäben zu messen als die "anderen". Sie sind die einzigen Vollprofis im blutjungen Team. Trainer Ulli Kriebel glaubt, sie zu einsetzen zu müssen, weil seine erst 19 Jahre alten Leistungsträger Lukas Stutzke und Eloy Morante Maldonado Verschnaufpausen brauchen. Aus diesem Grund stellt er sich schützend vor das Duo (was er als Trainer auch muss). Ein frisch aus Portugal geholter Spieler benötige Eingewöhnungszeit. Richtig - nur ist bei Carvalhaes nach mehr als einem Viertel der Saison keinerlei Vorwärtsentwicklung zu sehen. Eggert habe im Auftaktspiel gegen Leichlingen sein Potenzial angedeutet, leide seither unter einer Entzündung am Fuß. Richtig - nur wer seinen Namen auf den Spielbericht setzen lässt, muss fit sein, physisch wie psychisch. Wer nicht fit ist, egal ob physisch oder psychisch, gehört nicht auf die Bank, sondern auf die Tribüne (wo im Übrigen in Jonny Eisenkrätzer und Lars Jagieniak zwei physisch fitte Spieler 60 Minuten lang saßen).

So oder so: Der TSV Bayer Dormagen wird Daniel Eggert und Nuno Carvalhais nicht nach acht Saisonspielen einfach in die Wüste schicken können, auch wenn das hochgesteckte Saisonziel des direkten Aufstiegs seit Sonntagabend kaum noch erreichbar sein dürfte. Egal, wie die Dormagener in den "restlichen" 22 Partien auch auftreten - wer bitteschön soll in einer insgesamt schwachen Dritten Liga West diesen breit aufgestellten TuS Ferndorf denn zum Straucheln bringen, nachdem das Krefeld und Dormagen nicht gelungen ist? Wobei sich die Bayer-Handballer nicht im direkten Vergleich (der hätte sich im Rückspiel korrigieren lassen) um die Rolle des "Ferndorf-Jägers" gebracht haben, sondern durch ihre unnötige Niederlage in Krefeld.

Ab jetzt zählt für sie nur noch der Kampf um Platz zwei, egal, ob er am Saisonende zur Teilnahme an einer Aufstiegsrelegation führt oder nicht (dafür muss mindestens ein Drittliga-Meister auf sein Aufstiegsrecht verzichten oder nicht aufsteigen dürfen). Er muss das Minimalziel sein, alles andere wäre für eine Mannschaft dieses Potenzials und dieses Kalibers eine Enttäuschung.

Das muss den Bayer-Handballern nur mal einer klar machen. Sie spielen ja nicht einfach so aus Spaß an der Freud', sie haben eine Verantwortung gegenüber Verein, Sponsoren und Fans. Auch und gerade Daniel Eggert und Nuno Carvalhais. Je eher sie das begreifen, desto leichter können sie sich das Schicksal eines Mikk Pinnonen, Dadi Hafthorsson, Konstantinos Chantziaras oder Pierre-Yves Rigault ersparen, die am Höhenberg längst vergessen sind - und das zu Recht.

(NGZ)
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