Kreis Viersen Bundestagswahl: der Tag danach

Kreis Viersen · Udo Schiefner (SPD) musste bis Mitternacht um sein Mandat zittern. Uwe Schummer (CDU) will Vorsitzender des Gesundheitsausschusses werden. Und Kay Gottschalk (AfD) fordert eine Rüge für seine Parteivorsitzende Frauke Petry.

Es war ein politisches Erdbeben, das die Republik erschütterte. CDU und SPD hatten bei der Bundestagswahl am Sonntag ihr jeweils schlechtestes Ergebnis in der Nachkriegszeit erreicht. Beide Parteien - auch die SPD - verloren viele Wähler an die Alternative für Deutschland (AfD). Für den Kreis Viersen fällt die Bilanz der beiden großen Parteien nicht so verheerend aus wie in anderen Teilen des Landes.

"Es ist am Ende noch einmal glimpflich ausgegangen", meinte der SPD-Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner gestern zum Abschneiden seiner Partei im Kreis Viersen, wo traditionell die CDU-Kandidaten den Bundestagswahlkreis gewinnen. Schiefner musste am Sonntag bis gegen Mitternacht zittern, bis feststand, dass sein Platz elf auf der Landesliste der SPD in NRW, reichte, um in die zweite Legislaturperiode im Bundestag für die Sozialdemokraten zu gehen. Allerdings sind die Vorzeichen nun andere: Die SPD will nicht mehr Teil einer Großen Koalition. Dass sich die Sozialdemokraten in der Opposition an Haupt und Gliedern erneuern und die Rolle der stärksten Oppositionspartei im Bundestag nicht der AfD überlassen wollen, hielt Schiefner bereits am Wahlabend kurz nach der Prognose für den richtigen Weg.

Von Neuwahlen hält der Kempener, der auch Kreisvorsitzender seiner Partei ist, genauso wenig wie der zum fünften Mal direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für den Kreis Viersen, Uwe Schummer. Der 59 Jahre alte CDU-Politiker aus Willich ist der Meinung, dass sich jetzt die demokratischen Kräfte im Bundestag zusammenraufen müssten. Er hält ein Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen (Jamaika-Koalition) für realisierbar, auch wenn es sicherlich bei den Gesprächen der Parteien um eine Regierungsbildung ein zähes Ringen um die eigenen Positionen geben werde. Aber Neuwahlen würden doch nur der AfD weitere Wähler, die bisher den etablierten Parteien ihre Stimme gegeben haben, in die Arme treiben. Politische Beobachter im Kreis Viersen hoffen indes, dass sich die Rechtspopulisten alsbald im Berliner Politik-Betrieb selbst zerlegen werden.

Uwe Schummer, der seit 2002 dem Bundestag angehört, geht übrigens ziemlich gelassen in seine fünfte Amtszeit als Bundestagsabgeordneter. Der Willicher wird im November 60 Jahre alt - ein Alter, bei dem viele Menschen darüber nachdenken, beruflich allmählich kürzer zu treten. Schummer hatte im Vorfeld seiner erneuten Nominierung als CDU-Kandidat für die Bundestagswahl dem Kreisvorstand seiner Partei bereits angekündigt, dass dies seine letzte Wahlperiode sein werde. Aber da will der ehemalige Leichtathlet zunächst noch einmal durchstarten. Schummer strebt den Vorsitz des bedeutenden Gesundheitsausschusses im Bundestag an. Sollte das nicht klappen, würde er alternativ gerne die Rolle des sozialpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion übernehmen - eine Position, die Schummers Vorgänger Julius Louven aus Kempen viele Jahre ausgefüllt hatte. Entsprechende Vorüberlegungen mit den niederrheinischen CDU-Kollegen und der NRW-Landesgruppe in der Union seien bereits angestellt worden, so Schummer. Es deutet also nichts darauf hin, dass Schummer in seiner letzten Amtszeit eine ruhige Kugel in Berlin schieben will. Ganz im Gegenteil: Er wirft seine politische Erfahrung parteiintern in die Waagschale.

Politische Erfahrung sammelt der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk gerade im Eiltempo. Denn die eigentlich 94-köpfige Fraktion der AfD im Bundestag hat bereits vor der konstituierenden Sitzung ein prominentes Mitglied verloren: Die Parteivorsitzende Frauke Petry erklärte gestern in der Bundespressekonferenz, dass sie der Fraktion nicht angehören werde. Gottschalk gilt als Vertrauter von Petrys Ehemann Marcus Pretzell, dem NRW-Landesvorsitzenden der AfD. Wird der Wahl-Nettetaler ebenfalls der AfD-Fraktion Lebewohl sagen? Danach sah es gestern nicht aus. "Schade, dass DU nicht der Fraktion angehören willst", schrieb Gottschalk bei Facebook, und: "Das war ein trauriger Auftritt." Er fordert eine Rüge der Parteivorsitzenden für ihren Auftritt.

(RP)
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