Jahresrückblick 2012 Fortunas Jahr: Halbangst und Euphorie

Das Fußballjahr 2012 endete für Fortuna Düsseldorf mit einer riesigen Enttäuschung – doch wie untypisch war diese 0:2-Pokalblamage beim Drittligisten Kickers Offenbach für jene zwölf Monate! Sie wirkten zwar mitunter wie eine Achterbahnfahrt, aber doch eine von der Sorte, in der es zumeist nach oben geht, und das sogar steil.

Düsseldorf feiert Fortunas Aufstieg
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In der 117-jährigen Geschichte des Klubs wird das Jahr deshalb immer einen besonderen Platz einnehmen. Der Blick zurück lässt sich am besten anhand einiger Schlagwörter werfen.

Die Fehde

Mit riesiger Vorfreude waren Fortunas Profis aus der Winterpause gekommen. Im Januar-Trainingslager im spanischen Marbella herrschte glänzende Stimmung, und das konnte angesichts des ersten Tabellenplatzes in der Zweiten Fußball-Bundesliga (mit 42 geholten Punkten) und des gewonnenen Turniers um den Stadtwerke Wintercup niemanden wundern. Zu diesem Zeitpunkt hatte jedoch niemand mit den Tricks der Konkurrenz gerechnet – und was der damalige Tabellendritte Eintracht Frankfurt aus dem Hut zauberte, war dann auch einzigartig in der deutschen Fußball-Historie.

Angeführt von Trainer Armin Veh, der dabei tatkräftig unterstützt wurde vom Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen und Manager Bruno Hübner, inszenierten die Hessen eine mediale Hexenjagd auf Fortuna. Vor allem Routinier Sascha Rösler und Angreifer Maximilian Beister, aber auch pauschal dem ganzen Team wurde Elfmeterschinderei und Provokation im großen Stil vorgeworfen. Obwohl die Düsseldorfer sich sehr zurückhielten, entbrannte eine Schlammschlacht über alle Medien, von den Frankfurtern geschickt hingesteuert auf das direkte Aufeinandertreffen beider Klubs am 13. Februar.

Dort eskalierte die Fehde: Ausgerechnet ein umstrittener (wenn auch berechtigter) Foulelfmeter in der Nachspielzeit bescherte Fortuna den Ausgleich zum 1:1-Endstand. Rösler beschimpfte Veh auf dem Platz, sah dafür Gelb-Rot – Veh pöbelte zurück und sorgte für einen Skandal, indem er die Pressekonferenz schwänzte, die Manager Hübner und Wolf Werner gerieten sich verbal in die Haare. Die "Methode Frankfurt", wie Fortuna die zuvor von den Hessen inszenierte "Methode Düsseldorf" umtaufte, zeigte Langzeitwirkung.

Rösler fand nicht mehr zur überragenden Form der Hinrunde, die Schiedsrichter pfiffen nur noch Elfmeter und Freistöße für Fortuna, wenn es gar nicht mehr anders ging. Und auch sportlich geriet der Herbstmeister ins Schwanken. Erst am 3. März gelang mit dem 5:0 in Karlsruhe der Befreiungsschlag, und mit dem 2:2 gegen Duisburg am letzten Spieltag rettete sich die Truppe von Trainer Norbert Meier in die Relegation.

Halbangst

Die beiden Relegationsspiele gegen den Bundesliga-Drittletzten Hertha BSC bestimmten wochenlang in ganz Deutschland die Schlagzeilen. Es begann ganz normal, wenn auch mit einem sportlichen Paukenschlag: Außenseiter Fortuna gewann im Berliner Olympiastadion trotz des frühen Rückstands durch einen Kopfball von Roman Hubnik verdient 2:1, weil ein herrlicher Treffer von Thomas Bröker und ein Eigentor von Adrian Ramos die Partie drehten.

Fünf Tage später, am 15. Mai, lief dann jedoch in der Esprit-Arena vieles aus dem Ruder. Nicht auf dem sportlichen Sektor: Bereits in der ersten Minute erzielte Beister das 1:0, und nach Änis Ben-Hatiras Ausgleich brachte Ranisav Jovanovic Fortuna erneut in Führung. Trotz Raffaels spätem Ausgleich bedeutete das den Aufstieg - allerdings nicht schon einige Sekunden vor dem Abpfiff von Schiedsrichter Wolfgang Stark, wie offenbar einige hundert Düsseldorfer Anhänger glaubten. Sie stürmten vorzeitig den Platz, und obwohl dieser binnen kürzester Zeit geräumt werden konnte, lösten sie damit ein lang andauerndes Chaos aus.

Hertha witterte die Gunst der Stunde, strengte eine Prozesslawine vor den Gerichten des DFB an. Obwohl Stark nach langer Unterbrechung beide Mannschaften zurück auf den Platz holte und das Spiel ordnungsgemäß beendete, plädierten die Berliner darauf, ihrer Chancen beraubt worden zu sein. Das gipfelte in der Schilderung von Szenarien wie einem angeblich weinend auf der Kabinentoilette liegenden Co-Trainer oder der Aussage von Hertha-Trainer Otto Rehhagel vor dem DFB-Gericht. Diese wurde berühmt, weil der alte Fahrensmann auf die Frage, ob er in Düsseldorf Angst gehabt habe, nicht übers Herz brachte, der Vereinslinie zu folgen. So verwies er auf seine Bunker-Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg, weswegen er in der Relegation nur "Halbangst" verspürt habe.

Nach monatelangem Hin und Her und chancenlosen Prozessen gestand Hertha endlich die Niederlage ein, und Fortuna konnte sehr verspätet mit den Planungen für die Erste Bundesliga beginnen. Für den Verein wurde der Platzsturm, bei dem ein "Fan" sogar den Elfmeterpunkt aus dem Rasen schnitt, eine teure Angelegenheit: Der DFB beschränkte den Zuschauerzuspruch in den ersten beiden Bundesliga-Heimspielen auf je 30.000, verhängte zudem eine Geldstrafe von 150.000 Euro. Unterm Strich fehlte also eine Million Euro in der Kasse – um so bemerkenswerter, dass Finanzchef Paul Jäger und Vorstandsvorsitzender Peter Frymuth wenig später den Verein als schuldenfrei feiern durften.

Das Comeback

Nach 15 Jahren Abwesenheit kehrte Fortuna ins deutsche Oberhaus zurück, und das mit gleich 16 neuen Spielern. Selbst Sportvorstand Wolf Werner und Trainer Norbert Meier hätten mit einer gewissen Eingewöhnungszeit gerechnet, doch Fortuna legte glänzend los: Die Mannschaft siegte gleich zum Auftakt durch einen Doppelpack von Dani Schahin, einem der Neuen, beim FC Augsburg 2:0 und blieb in den ersten sechs Punktspielen ohne Gegentreffer. Rekordverdächtig waren dabei sicher die drei torlosen Remis gegen Mönchengladbach, in Stuttgart und gegen Freiburg in Folge. Erst Schalke 04 brach am siebten Spieltag den Bann, doch in dieser Partie bewies die Düsseldorfer Mannschaft vollends, wie viel Moral in ihr steckt. Nach aussichtslos scheinendem 0:2-Rückstand und schier hoffnungsloser Unterlegenheit kam sie zurück, erkämpfte sich durch zwei Schahin-Treffer ein 2:2. Selbst nach dem Aufstieg wurde die neue Fortuna-Hymne, der Tote-Hosen-Song "Tage wie diese", nicht so inbrünstig gesungen wie an diesem Abend.

Auf der Achterbahn

Nach dem grandiosen Auftakt musste es auch mal zu einem Tief kommen – und das fiel beträchtlich aus. Beginnend mit der ersten Niederlage in Mainz (0:1) holte Fortuna in sechs Spielen nur einen Punkt, verlor unter anderem 0:5 gegen die Bayern und 1:4 gegen Wolfsburg. Die Vereinsführung mit Frymuth und Aufsichtsratschef Dirk Kall an der Spitze aber bewahrte die Ruhe, was Trainer und Mannschaft mit Leistung zurückzahlten. Das 2:0 gegen den Hamburger SV läutete die Wende ein, und bis zur Winterpause holte der Aufsteiger zehn Punkte aus fünf Partien. Besonders bemerkenswert dabei das verdiente 1:1 bei Meister Borussia Dortmund und das 4:0 gegen den ungeliebten Mitaufsteiger Frankfurt, jeweils zustandegekommen mit einer Not-Elf, da viele etablierte Spieler verletzt fehlten.

Pokalgeschichten

Der DFB-Pokal hielt für Fortuna in dieser Saison alles bereit. Hausmannskost – das 1:0 beim Drittligisten Wacker Burghausen. Gourmetküche – das 1:0 nach Verlängerung über Borussia Mönchengladbach. Und Ungenießbares – das 0:2 zum Jahresabschluss bei Kickers Offenbach. Es blieb die einzige sportlich wirklich unerfreuliche Episode eines herausragenden Jahres, dummerweise ausgerechnet im allerletzten Spiel.

Der Zuschauerboom

Schon in der Zweitliga-Saison hatten die Düsseldorfer mit 31.900 Zuschauern einen Vereinsrekord aufgestellt – selbst in den allerbesten Zeiten in den 70er-Jahren hatte Fortuna nie einen solchen Besucherschnitt erzielt. Trotz der Beschränkungen durch den DFB zu Saisonbeginn setzte der Aufsteiger in der Ersten Liga noch einen drauf. Gestützt auf die 31.000 Dauerkarten (auch das Vereinsrekord) schraubte Fortuna ihren Zuschauerschnitt auf aktuell 44.967.

Sollte der Boom in der Rückserie weiter anhalten, würde sich die ehemals so marode Finanzlage des Vereins nachhaltig verbessern. Dazu trug auch der neue Trikotsponsor Vodafone (mit seiner Marke Otelo) bei, der dem Klub ein Jahressalär von 2,6 Millionen Euro beschert. Auch das einer der vielen Rekorde des Fortuna-Jahres 2012.

(das)
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