Kanzlerin in Buenos Aires Merkel lehnt Rolle der Führerin der freien Welt ab

Bundeskanzlerin Merkel besucht Argentinien und Mexiko. Die Gastgeber empfangen sie auch als die "prominenteste und wichtigste Vertreterin Europas". Die ihr zugeschriebene Rolle der Führerin der freie Welt aber lehnt Merkel ab.

 Kanzlerin Merkel berührt beim Besuch des Parque de la Memoria (Park der Erinnerung) die Wand mit den Namen der Opfer der Militärdiktatur zwischen 1976 und 1983.

Kanzlerin Merkel berührt beim Besuch des Parque de la Memoria (Park der Erinnerung) die Wand mit den Namen der Opfer der Militärdiktatur zwischen 1976 und 1983.

Foto: dpa, mkx fdt

Merkels erster Programmpunkt in Argentinien, der nicht den offiziellen G20-Themen gilt, führt sie in die Synagoge "Templo de Libertad". Sie kommt zur Einweihung der mit deutschen Mitteln restaurierten Walker-Orgel. Rabbi Simón Moguillevsky begrüßt die deutsche Kanzlerin überschwänglich als "prominenteste und wichtigste Vertreterin Europas".

Während Merkel sich in Deutschland im Wahlkampf um das Klein-Klein von Rentenreform und Steuersenkungen streiten muss, wächst ihr Ruf in der Welt und die Erwartungen an sie immer weiter. In Argentinien sind die Zeitungen voll mit Berichten über den Besuch der prominenten Deutschen. Unter Verweis auf eine argentinische Spruchart schreib Rabbi Moguillevsky Merkel dann auch noch die Tugenden "Recht und Wahrheit" zu.

In den Staaten Lateinamerikas wird Merkel aus dem Blickwinkel gesehen, aus dem auch das demokratisch gesinnte Amerika auf sie schaut. Die "New York Times" hatte Merkel nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten zur "Führerin der freien Welt" ausgerufen. Obwohl Merkel sich davon schon öffentlich distanziert hat, haftet ihr das Etikett an. Nach ihrem Treffen mit dem argentinischen Präsidenten Maurico Macri wird dem Präsidenten die Frage gestellt, ob er neben der Führerin der freien Welt stehe.

Bevor Macri antworten kann, greift Merkel ein und weist die Rolle zurück. Ein Mensch alleine könne diese Rolle nicht übernehmen, sagt sie. Als sie von einem argentinischen Journalisten noch einmal gefragt wird, ob sie angesichts des "verblüffenden" Vorgehens von Trump sich als Führungsfigur in Europa für die Welt einsetzen wolle, distanziert sie sich abermals. "Wir suchen Verbündete für die Anliegen, die uns wichtig sind", sagt sie.

So erklärt sie zu ihrem Besuch in Argentinien betont nüchtern, sie sei "im Wesentlichen" dorthin gefahren, weil Deutschland die G20-Präsidentschaft innehabe. Am 7. Juli ist sie Gastgeberin des Treffens der 20 ökonomisch wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Hamburg. Nach Deutschland wird Argentinien im kommenden Jahr die Präsidentschaft übernehmen.

Präsident Macri gilt der Kanzlerin für das G20-Treffen als Hoffnungsträger. Die beiden verstehen sich. Merkel schätzt die ruhige sachliche Art des Argentiniers. Auch wenn es um Fragen wie Klimaschutz und Freihandel geht, stimmen sie überein. Anschließend schmeicheln sie sich gegenseitig. Macri trete für Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit ein, sagt Merkel. Bei diesen Worten steht dann doch wieder Donald Trump unausgesprochen wie der Elefant im Raum, auf den in Werte-Fragen kein Verlass mehr ist.

Argentinien will Klimaschutzabkommen ratifizieren

Macris Wirtschaftspolitik und seine Öffnung der Märkte lobt die Kanzlerin gleich mehrfach. "Beeindruckend ist der Weg, den Sie mit Ihrem Land, mit Ihrer Wirtschaft gehen, einen Weg der Öffnung", sagt Merkel. Merkels Lob ist mit dem Wunsch verbunden, dass Argentinien diesen Weg weiter geht. Denndeutsche Unternehmen wittern neue Geschäfte in dem wirtschaftlich wiedererstarkenden Argentinien. Die Kanzlerin hat eine zehnköpfige Wirtschaftsdelegation mitgebracht. Deutschland könne Argentinien ein "guter Partner" beim Ausbau der Infrastrkutur sein, betonte sie.

Macri sucht offensichtlich den Schulterschluss mit Merkel. Er dankt ihr gleich mehrfach für ihren Besuch und sagt, er hoffe, dass sie im kommenden Jahr wieder nach Argentinien komme, wenn das Land den G20-Gipfel ausrichtet. Dass dazwischen in Deutschland eine Bundestagswahl liegt, lässt er unbeachtet. Zugleich kündigt er an, Argentinien wolle das Pariser Klimaschutzabkommen ratifizieren.

Macri machte deutlich, dass er nicht nur an wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland interessiert ist, sondern sich auch durch Haltung, Werte und gemeinsame Tradition verbunden sieht. Es ist kein Zufall, der der Südamerikaner nach Europa schaut. Während des US-Wahlkampfs bezeichnete er Trump, den er als Geschäftsmann schon seit mehr als 30 Jahren kennt, als "übergeschnappt".

Unter der Präsidentschaft Macris mauserte sich Argentinien in nur kurzer Zeit zum Vorzeigestaat Südamerikas. Mit ihm ist das Land auf die Weltbühne zurückgekehrt.

Dieser Präsident hat durch Umschuldung und harte Reformen das Land aus der Krise geführt. Entgegen der Strategie Trumps hob Macri für sein Land protektionistische Vorkehrungen auf und beflügelte so vor allem die für Argentiniens Wirtschaft so wichtigen Agrarexporte. Erstmals wird Argentinien 2017 nach Jahren der Rezession wieder ein positives Wachstum haben. Macri versucht, Argentinien und andere südamerikanische Staaten politisch und wirtschaftlich unabhängiger von den USA zu positionieren.

Ein wichtiger Hebel dazu ist das sogenannte Mercusor-Abkommen für Freihandel zwischen EU und den Ländern Argentinien, Uruguay, Paraguay sowie Brasilien. Merkel und Macri bekräftigten ihre Absicht, das Abkommen noch in diesem Jahr in "einer ersten Fassung" zu verhandeln. Am späten Freitagabend mitteleuropäischer Zeit landete Merkel in Mexico-City.

(qua)
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