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Grünen-Parteitag Grüne versammeln sich hinter ihrem Star Kretschmann

Hamburg · Es war der Höhepunkt dieses Parteitags: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wird für seine Zustimmung zum Asylkompromiss im Bundesrat von vielen Parteilinken scharf angegriffen - doch am Ende überzeugt er die Mehrheit der Delegierten mit einer höchst emotionalen Rede. Danach gibt es Standing Ovations für den populären Regierungschef, dem eigentlichen Star der dreitägigen Veranstaltung.

 Winfried Kretschmann bei seiner Rede auf dem Parteitag der Grünen in Hamburg.

Winfried Kretschmann bei seiner Rede auf dem Parteitag der Grünen in Hamburg.

Foto: dpa, jbu pzi

Winfried Kretschmann steht am Rednerpult des Grünen-Bundesparteitags in Hamburg und ringt um Fassung. Vor ihm hat sich eine Gruppe junger Grüner aufgebaut. Sie halten Protest-Schilder hoch, einige davon verdecken dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten die Sicht auf die 800 Delegierten. Kretschmann, der sich bei seinem zweiten Auftritt auf diesem Parteitag verteidigen möchte für das innerparteilich höchst umstrittene Ja seines Landes zum Asylkompromiss im Bundesrat, bricht seine Rede jäh ab, hält minutenlang inne. Die beiden Parteichefs Simone Peter und Cem Özdemir müssen sich schützend neben ihn stellen. Doch erst als hunderte Unterstützer Kretschmanns in der Hamburger Sporthalle mit rhythmischem Klatschen beginnen, kann der sichtlich Betroffene wieder sprechen.

Vor zwei Monaten hatte Baden-Württemberg als einziges der sieben Bundesländer, in denen die Grünen mitregieren, dem mit der Bundesregierung ausgehandelten Kompromiss zugestimmt. Demnach sollen Asylbewerber aus den so genannten sicheren Herkunftsländern Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien künftig schneller abgelehnt und in ihre Heimat zurückgeschickt werden können. Davon erhoffen sich Bund und Länder Erleichterungen bei der Bewältigung des Flüchtlingsansturms. Im Gegenzug für seine Zustimmung erreichte Kretschmann, dass Flüchtlinge in Deutschland deutlich schneller als bisher eine Arbeit aufnehmen, soziale Geldleistungen erhalten und sich freier in Deutschland bewegen können.

Die grüne Jugend und viele Parteilinke werfen Kretschmann vor, eine rote Linie überschritten zu haben: Der Kompromiss schade vor allem Sinti und Roma aus den drei sicheren Herkunftsländern, die nun sehr viel schneller abgeschoben würden, für die Deutschland wegen der Nazi-Verbrechen aber eine historische Verantwortung trage. Kretschmann und andere Realo-Politiker hielten dagegen, die Probleme der Sinti und Roma müssten auf andere Art gelöst werden also durch die Ablehnung des Asylkompromisses.

Kretschmann betonte in seiner sehr emotionalen Rede, dass es auch ihm um eine humanitäre Flüchtlingspolitik gehe, dass er als Ministerpräsident in der Verantwortung stehe, viele tausende Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. Es sei "enorm wichtig für das Selbstwertgefühl dieser Menschen, dass sie hier arbeiten dürfen und können", rief Kretschmann den Delegierten zu. Ohne die Grünen wäre eine Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs der Flüchtlinge aber nie durchgesetzt worden. "Das Arbeitsrecht ist richtig geknackt worden", betonte er.

So lief der Bundesparteitag der Grünen 2013
17 Bilder

So lief der Bundesparteitag der Grünen 2013

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Er habe als erster Regierungschef einen Flüpchtlingsgipfel abgehalten, Baden-Württemberg habe seine Wohn-Kapazitäten hochgefahren und ein zusätzliches Kontingent von 1000 traumatisierten Mädchen und Frauen aufgenommen. "Wer selbst keine Kompromisse eingeht, der kann auch nicht erwarten, dass es andere tun", schloss Kretschmann.

Die Gegenrede kam von Theresa Kalmer, der Sprecherin der grünen Jugend. Sie warf Kretschmann einen "historischen Bruch" mit der humanitären Flüchtlingspolitik vor, die die Grünen seit ihrer Gründung vor 34 Jahren prägen. Die Grünen hätten Glaubwürdigkeit gegenüber ihren Anhängern verloren, gegenüber den Flüchtlingsorganisationen, beklagte Kalmer. Andere Parteilinke erklärten, sie seien "traurig", "wütend" und "entsetzt" darüber, dass auch die Grünen in Baden-Württemberg bereit seien, vielen Flüchtlingen das Grundrecht auf Asyl zu verweigern.

Die Partei zeigte sich in dieser Debatte zutiefst gepalten: hier die, die Kretschmanns realpolitischen Ansatz stützten, dort jene, die ihm offen Verrat vorwarfen. Am Ende wurde aber ein Änderungsantrag der grünen Jugend, in dem Kretschmann für seine Entscheidung kritisiert wurde, abgelehnt. Andere Anträge, in denen der Asylkompromiss klar für falsch erklärt wurde, waren zuvor schon zurückgezogen worden.

Die Parteiführung war bemüht, den populären Ministerpräsidenten politisch nicht zu beschädigen. Der Parteitag nahm einen Leitantrag des Bundesvorstandes an, in dem die Grünen ihren bisherigen Kurs der humanitären Flüchtlingspolitik bekräftigen, Kretschmann aber nicht mehr offen kritisiert wird. In dem Antrag fordern die Grünen etwa die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, um Länder und Kommunen finanziell zu entlasten und den Bund stärker in die Pflicht zu nehmen. Es war ein Antrag, mit dem Kretschmann gut leben konnte.

(mar)
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